Metz / Berlin. Ein historischer Tag für das deutsche Damentischtennis. Am Donnerstagabend sicherte sich der ttc berlin eastside zum sechsten Mal in der Vereinsgeschichte den Sieg in der Champions League. Zuletzt hatte man Europas Thron im Jahr 2021 bestiegen. Nach dem grandiosen Halbfinal-Erfolg gegen Titelverteidiger Tarnobrzeg und dem 3:1-Sieg im Finalhinspiel, konnte man in Metz den Sack zumachen und die verdiente Ernte für eine bis dahin großartige Saison einfahren.
Mia Griesel führt Berlin zum Titel
Bis zuletzt hatte eastside-Manager Andreas Hain eindringlich davor gewarnt, den Tag vor dem Abend zu loben: "Alle Matches sind keine Selbstläufer und es kann ganz schnell gehen, dass man am Ende nichts gewinnt. Wir überperformen seit Wochen und hoffen, dass das weiter anhält.“ Und er sollte insofern Recht behalten, als es tatsächlich nochmals ein heißer Tanz wurde. Doch die Spielerinnen nahmen die Herausforderung an und zeigten vom ersten Ballwechsel an unbändigen Siegeswillen.
Nach dem Heimspielsieg vor einer Woche musste man in Lothringen zwar eine 2:3-Niederlage hinnehmen, jedoch hatte das Endergebnis letztlich kaum Aussagekraft. Nach dem Punkt zur 2:1-Führung durch die erneut überragende Mia Griesel (3:2 gegen Charlotte Lutz) war nämlich alles entschieden, sodass die Luft raus war. Eine 19-jährige, die letzte Saison noch in der 2. Liga am Ball war, hatte Europas Königsklasse 2025 entschieden! Dies ist eine signifikante Headline des diesjährigen Wettbewerbs, die natürlich die starken Leistungen ihrer Kolleginnen nicht schmälern soll – auch Xiaona Shan und Sabina Surjan sowie Nina Mittelham haben Großes geleistet und nur in einem ausgeglichenen, harmonischen Team war dieser Erfolg möglich.
Vor Jungnationalspielerin Griesel muss man dennoch den Hut ziehen. Wie sie sich in wenigen Monaten gesteigert hat, ist ein Lehrstück dafür, was im Tischtennissport möglich ist, wenn man, bei entsprechendem Talent, im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen trifft. Der Wechsel Griesels von Tostedt in die Hauptstadt war fraglos eine solche. In der Königsklasse hat sie zuletzt Fu Yu und nun zweimal binnen einer Woche Charlotte Lutz geschlagen, die in der Weltrangliste noch – Betonung auf noch – 127 Plätze vor ihr steht.
Und das war gerade in Metz nicht einfach. Es stand 1:1 und der Gegner sah noch eine reale Chance, das Finalduell zu drehen und ins Golden Match zu gelangen. Die Kulisse war voll da und jeder Punkt für Lutz wurde frenetisch bejubelt. Doch was Griesel in den letzten Wochen und Monaten so ausgezeichnet hatte, diese unglaubliche Nervenstärke in engen Spielsituationen auch in extrem wichtigen Matches, hatte auch diesmal Bestand. Zweimal geriet Berlins Nummer drei in Satzrückstand, zweimal schlug sie zurück und glich aus (8:11, 11:9, 5:11, 11:9), sodass es zum Entscheidungsdurchgang kam, der in der Champions League als Kurzsatz gespielt wird. Und da blieb die junge Norddeutsche cool und gelassen und brachte den Satz mit 6:4 nach Hause – und verbuchte somit den entscheidenden Punkt zum Champions-League-Sieg des ttc berlin eastside.
Shan hoch fokussiert, Diaconu diesmal chancenlos
Vor Griesel hatte bereits Xiaona Shan für einen ganz wichtigen Zähler für die Hauptstädterinnen gesorgt, die der Rumänin Adina Diaconu beim 11:7, 11:5, 11:5 keine Chance ließ. Eine unglaubliche Leistungssteigerung im Vergleich zum Hinspiel, bei dem Shan gegen dieselbe Kontrahentin noch in vier Sätzen den Kürzeren gezogen hatte. Der Erfolg der Penholder-Spielerin war weichenstellend für ihr Team, denn das Auftaktmatch war klar an die Gastgeberinnen gegangen. Sabina Surjan konnte ihre Topleistung aus dem Hinspiel nicht wiederholen und musste der Russin Mariia Tailakova nach einem 6:11, 9:11, 9:11 gratulieren. Dennoch war auch der Anteil der 25-jährigen Serbin am Titelgewinn gewaltig. Durch ihre Siege gegen Lutz und Diaconu im Hinspiel hatte die spielstarke Linkshänderin das Tor zum Titel weit aufgestoßen.
Der weitere Verlauf des Finales nach Griesels „Punkt für die Ewigkeit“ war letztlich nur noch kosmetischer Natur. Tailakova glich mit einem kampflosen Sieg gegen Shan aus. Und die eingewechselte Luxemburgerin Sarah De Nutte besiegte die ebenso eingewechselte Josi Neumann, die gut spielte und dem Sieg sehr, sehr nahe war, im letzten Match mit einem einzigen Punkt Vorsprung im Entscheidungsdurchgang – für das französische Team jedoch war der Gesamtsieg ja längst außer Reichweite.
Berlinerinnen krönen Marathon-Saison und können noch das Triple schaffen
Nach einer Marathon-Saison in Europas Königsklasse mit sage und schreibe 16 Partien und teilweise herausragenden Auftritten, konnten die Berlinerinnen hochverdient den Siegespokal in Empfang nehmen. Allein schon die Performance beim Titelverteidiger in Tarnobrzeg am 25. April war traumhaft, als man sich mit der jungen Truppe, nach der 1:3-Hinspielniederlage mit dem Rücken zur Wand stehend, gegen die mit allen Stars angetretenen Polinnen durchsetzte. Und wie, nämlich mit 3:0 im regulären Spiel und 2:0 im Golden Match. Ein Spiel, wie es auch Topmannschaften nur alle Jubeljahre einmal gelingt. Auch wenn es nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum Titel war, hatte man sich mit dieser Weltklasseleistung eigentlich schon Europas Krone verdient.
Umso schöner, dass man sieben Wochen später tatsächlich den Thron besteigen konnte. Und das nach einer tollen, anfänglich aber auch schwierigen Saison, in der man nicht auf die großen Namen setzte, sondern junge Talente gezielt aufbaute und zunächst gerade in der Bundesliga manchen Rückschlag hinnehmen musste. Bis dann in der zweiten Hälfte der Rückrunde ein Dreamteam zusammenfand, das seitdem von Sieg zu Sieg eilt.
Zwei Titel haben die eastside-Asse in dieser Saison bereits errungen, bekanntlich wurde Anfang Januar der DTTB-Pokal in Sinzheim gewonnen, nun könnte es sogar noch das Triple werden. Dazu muss man aber das starke Team des TTC 46 Weinheim in den Meisterschafts-Endspielen am 27. und 29.06. auf Distanz halten. Eine 50:50-Sache, gewiss stark von der Tagesform und dem immer nötigen Quäntchen Glück abhängig. Nun geht man als Champions-League-Sieger in die Finalserie, was sicher Rückenwind verleiht.
RÜCKSPIEL, 12.06.:
Metz TT – ttc berlin eastside 3:2
Mariia Tailakowa – Sabina Surjan 3:0 (11:6, 11:9, 11:9)
Adina Diaconu – Xiaona Shan 0:3 (7:11, 5:11, 5:11)
Charlotte Lutz – Mia Griesel 2:3 (11:8, 9:11, 11:5, 9:11, 4:6)
Mariia Tailakowa – Xiaona Shan 3:0 (--:--, --:--, --:--)
Sarah De Nutte – Josi Neumann 3:2 (9:11, 12:10, 9:11, 11:6. 6:5)
HINSPIEL, 05.06.:
ttc berlin eastside – Metz TT 3:1
Sabina Surjan – Charlotte Lutz 3:2 (11:4, 11:8, 5:11, 8:11, 6:3)
Xiaona Shan – Adina Diaconu 1:3 (8:11, 10:12, 12:10, 8:11)
Mia Griesel – Mariia Tailakova 3:2 (3:11, 11:5, 11:6, 6:11, 6:3)
Sabina Surjan – Adina Diaconu 3:0 (11:5, 11:8, 11:7)
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