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Büroarbeit für Bundestrainer ist mehr als Schreibkram: Lara Broich (Foto: privat)
In Zeiten der Covid-19-Pandemie sind ist die Online-Lernumgebung edubreak ein wichtiges Kommunikationsmittel der Nachwuchs-Trainer

Von Schattentraining bis Spielanalyse: Wie das Team um Bundestrainerin Broich die neuen Medien nutzt

SH 19.04.2020

Frankfurt/Main. Über mangelnde Arbeit kann Lara Broich auch in der Corona-Zeit nicht klagen. Die Nachwuchs-Bundestrainerin weiblich hält nicht nur intensiven Kontakt per Telefon, E-Mail und WhatsApp zu ihren Spielerinnen, sie nutzt jetzt noch intensiver als zuvor schon die Möglichkeiten, die edubreak Trainerinnen und Trainern bietet. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Assistenztrainer Christian Löffler und Dr. Christian Zepp, sportpsychologischer Experte des DTTB, der den Erwachsenen- und Nachwuchsbereich betreut.

Der edubreak®CAMPUS ist eine Online-Lernumgebung, die seit 2008 intensiv mit Ausbildern und Trainern aus dem Tischtennissport entwickelt wurde. Sie ist fürs Lehren und gemeinsame Lernen konzipiert, nutzt vor allem Videos zum Dialog, die die Coaches mit allen Beteiligten analysieren und diskutieren können. Auch zeitversetzt und mit Markierungs- und Kommentarfunktionen. Die Landestrainer/innen sind mit eigenen Zugängen bei edubreak vertreten. Der Austausch mit dem Bundestrainer-Team ist regelmäßig und eng.

Plattform auf edubreak nutzen Schülerinnen, Mädchen und U21-Kaderspielerinnen

Auf edubreak haben Broich, Löffler und Zepp eine spezielle Plattform für die weiblichen DTTB-Nachwuchsathletinnen angelegt. Sie wollen die Spielerinnen in dieser schwierigen Situation ganz besonders zu unterstützen. „Sie hatten ein sehr getaktetes Leben und sind nun gefühlt in einem Käfig gefangen“, erklärt Broich. „Via edubreak sind sie weiterhin miteinander verbunden, sehen, dass sie nicht alleine sind und wir gemeinsam das Beste aus der Situation machen.“ Das Projekt kommt bei den Spielerinnen verschiedener Altersstufen gut an, Mia Griesel nutzt es ebenso wie Sophia Klee und U23-Ass Yuki Tsutsui.

A-Lizenz-Trainer Löffler kannte edubreak zuvor bereits aus der Traineraus- und -fortbildung. Die Idee, das in der aktuellen Zeit mir ihren speziellen Herausforderungen auf eine andere Art und Weise einzusetzen habe ihn direkt begeistert. „Die Praxis in Zusammenarbeit mit Lara, Christian und den Spielerinnen des Nationalkaders hat das ganze nochmal getoppt. Ich denke, dass wir durch die Inhalte, Denkanstöße und den Austausch nicht nur die Krise sehr gut überbrücken, sondern Dinge anlegen, von denen sie später sehr profitieren werden“, ist der Hesse überzeugt. „Tischtennis, ihr eigenes Spiel und die vielfältigen Punkte um Tischtennis herum, die aber das Spiel am Tisch maßgeblich unterstützen, anders, neu oder intensiver betrachten – das unterstützt die Mädchen in ihrem Ziel, sich weiter zu verbessern.“ Auch er sieht das Potenzial, die Plattform im regulären Alltag der Spielerinnen weiter zu nutzen.

Eine Taktik gegen Honoka Hashimoto und Chen Xingtong entwickeln

Die Aufgaben, die Broich, Löffler und Zepp den Kaderspielerinnen auch in Zeiten geschlossener Hallen stellt, sind vielfältig. Vieles ist auch jetzt möglich: Taktikanalyse, gemeinsame Taktiksprache, Schlag- und Beinarbeitstechniken in Form von Schattentraining, Athletikübungen, individuelle Wettkampfvorbereitungen, Ernährung, Psychologie, Neuroathletik zum Beispiel.

In der vergangenen Woche etwa haben Broich und Löffler das Taktik-Verständnis durch die Video-Analyse eines Spiels Abwehr gegen Angriff auf Weltklasse-Niveau geschult, die Partie zwischen Honoka Hashimoto aus Japan gegen die Chinesin Chen Xingtong bei den Korea Open. Neben einer Stärken- und Schwächenanalyse der Spielerinnen und der Entwicklung einer Siegstrategie sollten Anastasia Bondareva, Laura Kaim und Co. herausarbeiten, wie sie selbst das Spiel gegen die Defensivakteurin in der Theorie angehen würden, um zu gewinnen, und beschreiben, was ihnen technisch dazu ggf. noch fehlt. „Es geht darum, dein eigenes Repertoire ganz genau zu kennen, zu entscheiden, was du selbst noch brauchst, um so spielen zu können, und im Anschluss darum, eine Übung zu konzipieren, mit der du an deiner speziellen Schwäche arbeiten kannst“, erklärt die A-Lizenz-Trainerin und Diplom-Trainerin Broich, die aus Rommerskirchen bei Düsseldorf stammt. „Das Spiel haben sie wirklich gut analysiert“, lobt Broich ihr Team. Neuer Schwerpunkt: Materialspielerinnen. Aktuelle Aufgabe ist ein Match zwischen Giorgia Piccolin und Jamila Laurenti. Bei dem Duell der Italienerinnen soll das Spielsystem von Laurenti geknackt werden, die mit einem Anti größtenteils auf der Rückhand agiert, aber auch kurzfristig damit auf die Vorhand wechselt.

Die Trainerin als Hebamme

Lara Broich regt zum Mitdenken an, will nicht, dass sich ihre Spielerinnen in der Turnier-Vorbereitung und an der Box nur von ihren Worten berieseln lassen – ein Baustein auf dem Weg zur mündigen Athletin, die ein Mitspracherecht hat und das Selbstvertrauen, in engen Situationen eigene Entscheidungen zu treffen. Wie sie die Rolle als Trainerin beschreiben würde? „Ich sehe mich als Hebamme. Das Kind würde auch ohne mich zur Welt kommen. Ich kann Tipps von außen geben, aber was sie spielen, wie sie sich fühlen, wissen die Mädels selbst am besten.“

Persönliches Programm verfolgen und trotzdem flexibel bleiben

Lara Broich erzählt ihrem Nachwuchskader aber auch von den Routinen, die sich Leistungssportler vom Training in der Turniervorbereitung bis hin zum Einspielen vor dem ersten Spiel zurechtlegen. Das reicht vom Aufwärmprogramm beim Lehrgang bis zum Auffüllen der Wasserflasche vor einem Finale. „Die Spielerin muss wissen, was sie zu welchem Zeitpunkt und in welcher Situation braucht und das auch umsetzen. Das gibt Sicherheit“, so Broich, die sich auch dabei eng mit Christian Zepp abgestimmt hat. „Gleichzeitig muss man natürlich flexibel sein und keine Krise bekommen, wenn plötzlich die Lieblingseinspielpartnerin kurzfristig doch nicht zur Verfügung steht.“

Folgende Fragestellungen müssen die Spielerinnen für sich beantworten können, zählt sie auf: Was habe ich in meiner Vorbereitung selbst unter Kontrolle; was ist meine Routine, mein persönliches Programm? Welche Muskelgruppen muss ich intensiver aufwärmen, mobilisieren und/oder kräftigen, um meine Leistung abrufen zu können? „Je früher die Spielerinnen ihren Körper wahrnehmen und mit ihm zusammenarbeiten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nachhaltige Erfolge erzielen können“, sagt die Bundestrainerin. „Der Körper soll einen Sportler beim Erreichen seiner Ziele unterstützen und nicht der limitierende Faktor sein.“

Schattentraining ist ebenfalls gefragt. Wer einen eigenen Tisch im Keller stehen und einen Trainingspartner hat, umso besser. Die Spielerinnen laden ihre Videos hoch, die Bundestrainerin korrigiert oder gibt Anregungen.

Athletiktraining mit Teambuilding nebenbei

Teambuilding auch aus der Distanz ist der langjährigen Zweitliga-Akteurin und Jugend-Nationalspielerin, Broich, wichtig. Je drei Spielerinnen sollten Aufgaben zur Athletik für verschiedene Muskelgruppen – die Bereiche Schulter, Bauch, Rücken, Beine, Gesäß, Ganzkörper – konzipieren. Neun Übungen sollten es pro Muskelgruppe sein, keine durfte sich wiederholen. Und nach Möglichkeit sollten es „Challenger-Übungen“ sein, wie Broich sie nennt, Aufgaben, die die Spielerinnen herausfordern und nicht gerade zum Lieblingsablauf passen. Das daraus entstandene Programm sollen die jungen Athletinnen nach Möglichkeit dreimal pro Woche absolvieren, so die Vorgabe.

Selbstverständlich berücksichtigt die 30-Jährige Wünsche der Spielerinnen. Als die Mädchen und Schülerinnen mehr über Ernährung und Atmung im Training und im Wettkampf, über Psychologie und Athletik im Tischtennis wissen wollten, gab es Informationen in selbst erstellten pdfs, Online-Meetings und Aufgaben dazu. „Die Themen Neuroathletik und Weiteres zu speziellen Tischtennis-Thematiken wie Aufschlag-Rückschlag stehen noch aus. Die Mädels beschäftigen sich intensiv mit ihrem Sport und entwickeln dadurch viele Fragestellungen“, so Broich. Sie freut sich über das Engagement und die Neugierde ihrer Schützlinge.

Weiterentwicklung als Spielerin und als Mensch

Von der Mischung aus ihrer persönlichen Erfahrung am Tisch als Spielerin, der als Trainerin, gepaart mit ihrer akademischen Laufbahn und ihrem Interesse an wirklich allem, was mit Sport zu tun hat, profitieren ihre Schützlinge. Auch geht Broich auf die persönlichen Umstände jeder einzelnen ein: Wer in dieser Sondersituation mit der Schule in Heimarbeit völlig ausgelastet ist, darf sportlich kürzertreten. Die Teilnahme an den edubreak-Einheiten ist keine Pflicht.

Neue Medien und Möglichkeiten nutzen und dabei die alte Lehre nicht vergessen. Lara Broich, Christian Löffler und Christian Zepp praktizieren das in der Corona-Zeit nun noch intensiver. Flexibilität macht erfolgreich – als Spielerin und Spieler und als Coach. Das wird sich einmal mehr in und nach dieser ganz speziellen Zeit bemerkbar machen, früher oder später. Im Mittelpunkt steht für die drei der Mensch. Ganzheitlich inkl. den mentalen Aspekten. Die Kaderspieler lernen und entwickeln sich dabei nicht nur als Athletinnen weiter, sondern auch als Persönlichkeiten. Auch das ist eine Art, der Virus-Krise zu trotzen.

Zur Person: Lara Broich

Am 1. September 2015 war ihr Einstieg als Schülerinnern-Bundestrainerin. Seit 2010 gehörte Broich, Jahrgang 1989, dem DTTB-Trainer-Team als Assistenztrainerin an und war als langjähriges Mitglied der DTTB-Trainerfördergruppe als Betreuerin u.a. bei Jugend-Europameisterschaften im Einsatz. Im Jahr 2016 schloss die A-Lizenz-Trainerin ihr Studium als Diplom-Trainerin an der Trainer-Akademie des Deutschen Olympischen Sportbundes ab.
Ihre Erfolge als Sportlerin: langjährige Zweitliga-Akteurin, Nachwuchsspielerin in allen DTTB-Kadern bis zum C-Kader, mehrere Einsätze im Nationaltrikot im Jugendbereich.

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