Oberschiedsrichter sitzen nicht am Tisch, sondern kümmern sich darum, dass alle Tische einen Schiedsrichter haben und die Spielbedingungen stimmen. Außerdem entscheiden sie bei Streitigkeiten. Wir sprechen mit International Referee Michaela Hübener darüber, wie lange sie ein Turnier vor- und nachbereitet.
Michaela, was heißt es eigentlich, Referee oder Oberschiedsrichterin bei einem Turnier zu sein?
"Als Oberschiedsrichterin bin ich nicht am Tisch, leite nicht ein einzelnes Spiel. Stattdessen bin ich verantwortlich für den kompletten Ablauf eines Tischtennis-Events. Ich erstelle zum Beispiel den Einsatzplan der Schiedsrichter, kommuniziere mit der Turnierleitung und helfe bei Problemen."
Suchst du dir deine Turniere selbst aus?
"Jein. Es gibt eine Abfrage nach Verfügbarkeit. Hier kann ich natürlich schon schauen, welches Turnier ich gerne machen würde. Wer bei welchem Event eingesetzt wird entscheidet aber immer der jeweilige Verband (ETTU, WTT, ITTF) einige Zeit im Voraus."
Welche Events sind das zum Beispiel?
"Dieses Jahr war ich als Deputy Referee bei der EM in Linz. Die Nominierung für dieses Event habe ich lange Zeit davor erhalten. Normalerweise erhalte ich die Nominierungen ca. zwei Monate vor dem Event. Zu dem Zeitpunkt stand für mich auch schon das nächste Turnier fest: Bereits zum dritten Mal durfte ich beim Feeder in Düsseldorf Referee sein."
Wann genau beginnt denn deine Arbeit?
"Lange vor dem Turnier. Vier Wochen vorher schicke ich die allgemeinen ersten Infos an die Schiedsrichter: Welches Hotel? Wann ist das Briefing geplant? Ich frage auch die Reisedaten der Schiedsrichter ab und koordiniere diese mit dem Veranstalter. Etwa zehn Tage vor dem Event verschicke ich die genaue Uhrzeit des Briefings und ein Briefingdokument."
Ein Briefingdokument – was genau ist das?
"Im Briefingdokument finden die Schiedsrichter Besonderheiten zum Turnier. Auch allgemeine Informationen sind enthalten, ändern sich aber kaum zwischen verschiedenen Turnieren: Die Aufschlagregel und die Schiedsrichtertätigkeit sind im Grunde immer gleich.
Beachten muss man vor allem, ob man bei einem WTT-Event, einem ITTF-Event oder einem ETTU-Event ist. Hier unterscheiden sich einige Modalitäten: Wie viele Gewinnsätze werden gespielt? Welches Touchpad-System wird genutzt? Und wie sollen die Schiedsrichter mit Trikotfarben umgehen?"
Das klingt, als ob alles schon im Dokument steht, aber ein Briefing vor Ort gibt es auch noch?
"Ja, denn manchmal ändern sich Dinge kurzfristig. Das können Medienanforderungen sein oder auch eine Besonderheit bei der Präsentation. Im vergangenen Feeder hatten wir beispielsweise ein besonderes Projekt zur Video-Review. So etwas steht oft erst kurz vorher fest.
Beim Briefing treffe ich zudem zum ersten Mal alle Schiedsrichter persönlich. Es ist die Gelegenheit, offene Fragen zu klären. Gemeinsam schaue ich mir dann mit den Schiedsrichtern die Halle an, bespreche mögliche Laufwege zum Tisch und zurück sowie die Abläufe in der Call Area."
Call Area? Was ist das?
"In der Call Area werden die Spiele vorbereitet. Hier benennen die Spieler ihre Trainer, geben ihre Schläger zur Kontrolle ab und wählen Bälle aus. Die Schiedsrichter prüfen hier auch Trikots auf Farbe und Werbung, wenn dies eine Rolle spielt."
Noch einmal zurück - das ist eine ganze Menge bevor das Turnier überhaupt beginnt!
"Ja, und außerdem bin ich bereits zwei Tage bevor das Turnier startet in der Halle unterwegs. Ich schaue mir den Aufbau an, bespreche den Turnierablauf mit dem Event-Supervisor und dem Ausrichter.
Einen Tag vorher kommen dann die Schiedsrichter und mein Deputy Referee an. Dann bereiten wir wie gesagt die Call Area und das Briefing vor, das meist am Abend stattfindet. Das eigentliche Turnier ist dann fast schon eine Erholung von der Vorbereitung.
Oftmals finden an diesem Tag auch die Auslosungen statt: Wer spielt gegen wen in der Qualifikation? Diese Auslosung gibt es dann für die Hauptrunde noch mal. Auch hier gibt es Unterschiede je nach Turnier. Bei WTT ist es zum Beispiel egal ob ein Deutscher direkt gegen einen Deutschen spielt oder ein Franzose gegen einen Franzosen. Bei ETTU- oder ITTF-Events wird am Anfang schon auf die Länderzugehörigkeit geachtet."
Das Turnier beginnt – was machst du nun?
"Ab jetzt richtet sich meine volle Aufmerksamkeit auf das Geschehen: Aufschlags-Diskussionen, Verletzungspausen, Spieler die nicht rechtzeitig in der Call Area erscheinen, der Zeitplan.... - das sind nur einige Dinge, die ich als Referee lösen muss. Auch in der Call Area bin ich zugegen und treffe Entscheidungen, ob ein Schläger oder ein Trikot zulässig sind.
Nach einem Tag in der Halle steht dann noch die Erstellung des Schiedsrichtereinsatzplan auf meiner To-do-Liste. Dieser regelt den genauen Ablauf wann welcher Schiedsrichter an welchen Tisch muss. Dieser ist flexibel, da man teilweise auf die Länder der Schiedsrichter und Spieler achten muss und diese dann kurzfristig ändern darf, sollten die Spiele noch nicht früh genug feststehen."
Das klingt dann doch nicht so recht nach Erholung! Hast du auch mal Pause?
"Tagsüber wenig. Abends darf das Socialising natürlich nicht zu kurz kommen: ein Getränk in der Hotelbar oder tolle Gespräche mit den Kollegen, die ebenfalls einen straffen Zeitplan hinter sich haben."
Dann sind irgendwann die Finalspiele und das Turnier ist zu Ende.
"Für Zuschauer und Spieler schon, für mich nicht ganz. Zum Abschluss des Turniers fertige ich noch einen Referee-Report an. Hier wird das Turnier zusammengefasst: Die Namen der Schiedsrichter und Deputies, getroffene Entscheidungen, gelbe Karten, Verletzungen, Aufgaben usw.
Die Schiedsrichter sollen nach Turnierabschluss auch die Arbeit und das Event insgesamt bewerten: Wie waren die Informationen vor und während der Veranstaltung? Wie waren Essen und Zimmer? Und mich direkt betreffend: War der Referee in der Halle verfügbar, konnten Probleme gut gelöst werden? Aus diesem Feedback leiten wir dann auch Verbesserungen für die Zukunft ab."
Wie lang ist dann insgesamt die Zeit, die du mit einer Veranstaltung verbringst?
"Letztendlich sind es knapp 6 Wochen, in denen ich mich mit einem solchen Turnier beschäftige. Mein Fazit ist dabei aber klar: Es macht Spaß ein solches Turnier zu absolvieren, sei es als Referee oder Deputy Referee!"