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Tischtennis, ein wichtiges Bewegungsangebot bei Demenz
Beispiel VfL Fortuna Marzahn: Projekt „Sport Menschen mit Demenz“ ist in vollem Gange

Welt-Alzheimertag: Tischtennis zur Steigerung der Lebensqualität

MS 21.09.2021

Frankfurt/Main. Der 21. September macht seit 1994 als Welt-Alzheimertag auf die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen aufmerksam. Auf dem Globus sind etwa 55 Millionen Menschen von Demenzerkrankungen betroffen. In Deutschland leben derzeit 1,6 Millionen Menschen mit der Diagnose Demenz.

DTTB Teil des Projekts "Sport bewegt Menschen mit Demenz"

Die gute Nachricht lautet: Sportliche Bewegung wirkt präventiv und bedeutet auch für Menschen mit Demenz eine Steigerung ihrer Lebensqualität. Sie kann den Krankheitsverlauf sogar verzögern. Angesichts der Prognose steigender Fallzahlen initiierte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zusammen mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG das Projekt "Sport bewegt Menschen mit Demenz". Der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) ist Teil des Pilotprojekts und eine von vier Organisationen, die mit Vereinskursen für Betroffene und deren Familienangehörige das Sport- und Bewegungsangebot für ältere Menschen weiter ausbauen wollen.

"Raus aus der Wohnung - rein in die Halle"

„Projektziel ist es, Demenzerkrankte mit leichten bis mittleren Krankheitsverläufen gemeinsam mit ihren Angehörigen ins freizeitorientierte Tischtennistraining zu integrieren, ihnen gemeinsame Erlebnisse rund um unseren Sport und unseren Vereinen zu ermöglichen, quasi „raus aus der Wohnung – rein in die Halle“, sagt Doris Simon. Die Ressortleiterin Gesundheitssport beim DTTB ergänzt: „Seit einigen Jahren verfolgen wir im Internet Berichte von Wissenschaftlern über positive Effekte des Tischtennisspiels bei Demenzerkrankungen. Die Teilnehmenden unserer Kursangebote Gesundheitssport Tischtennis, „FiTTer in Herz und Hirn“ gehören häufig der älteren Generation an. So konnten unsere Präventionstrainer immer wieder von der positiven Wirkung unseres Bewegungsangebots auf körperliche Aspekte wie Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit berichten, besonders aber auch auf Koordination und kognitive Fähigkeiten. „Denken und Bewegen“, sogenanntes Dual-Tasking, ist das Superfood für unser Gehirn.“

Einer der bisher fünf teilnehmenden Vereine am Pilotprojekt ist die Abteilung Tischtennis-Gesundheitssport des 1. VfL Fortuna Marzahn. Doch wie sieht die Umsetzung eines Kursangebots „Tischtennis für Menschen mit Demenz und Angehörige“ in der Praxis aus?

Nach der Projektphase folgt der Übergang in den Verein

Es ist Sommer, ein sonniger Dienstag. Das sonore Klicken des Balles ist vertraut, die Umgebung ist es nicht. An diesem Trainingsvormittag steht der Tisch nicht in einer Halle, sondern im Gemeinschaftsraum der Senioren-Residenz Polimar im Berliner Stadtteil Marzahn. Hier wird das Klicken des Balles nie zum Stakkato. Spieler tragen hier keine Sport-, sondern Alltagskleidung. Es sind Frauen und Männer fortgeschrittenen Alters, die eines teilen: Die Diagnose Demenz.

Sie alle freuen sich, wenn Jürgen Schäffner in der Senioren-Residenz einmal wöchentlich zu den Kursstunden des 1. VfL Fortuna Marzahn bittet. Die selbständige Abteilung Tischtennis engagiert sich seit ihrer Gründung zum Wohle von Menschen, beispielsweise bei Projekten für Senioren und Flüchtlinge. Als Tischtennisspieler Schäffner vom Projekt „Tischtennis für Menschen mit Demenz und Angehörige“ erfuhr, war er sofort Feuer und Flamme. Seit Mitte Juni nun bietet der Inhaber der DOSB-Übungsleiterlizenz B ‚Sport in der Prävention‘ seinen Kurs in der Senioren-Residenz an, mit schon in den ersten Wocen steigender Resonanz: Waren es zu Beginn noch sechs bis sieben Teilnehmer, so freuen sich nun bereits bis zu 10 Teilnehmer auf die abwechslungsreichen Übungen. Schäffner erläutert: „Das Projekt ist gut angelaufen. Es umfasst zwei Projektphasen mit je zehn Kurseinheiten. In der zweiten Projektphase wird die Anbindung der Übenden und der Betreuerinnen an den VfL Fortuna Marzahn angestrebt.“

Individuelles Eingehen auf die Teilnehmer wichtig

Wichtig bei den Kursen ist die individuelle Anpassung der notwendigen Übungen. Allein vier der Teilnehmer in Marzahn sitzen im Rollstuhl, drei davon haben schwere bis mittelschwere Sehbeeinträchtigungen.

Bei anderen sind die Sinneswahrnehmungen der Übenden mehrstufig eingeschränkt, hinzu kommen muskuläre Einschränkungen im Bewegungsapparat, verringertes Erkennungs- und Reaktionsvermögen, Dysbalancen. Schäffner gibt ein Beispiel: „Eine Teilnehmerin verhält sich sehr aufgeweckt und mit sprachlicher Lebendigkeit, eine andere hingegen dezidiert ruhig bis abwesend-apathisch.“

Anpassung der Trainingsmittel und der Methodik.

Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen der Übenden müssen auch die Inhalte aus den verschiedenen Programmen des Gesundheitssports Tischtennis mit Elementen aus Herz-Kreislauf-Training, Kräftigung, Entspannung sowie neuere Übungsanteile wie Sturzprävention und Dual-Tasking individuell angepasst werden. Zudem wurden die Übungen vereinfacht und das Spiel teilweise durch den Einsatz von größeren Bällen verlangsamt. Das Spielen am Tisch macht dabei rund 50 Prozent der Inhalte aus

Jürgen Schäffner gewährt einen Einblick: „Wir setzen beispielsweise in jeder Übungseinheit für die Mobilisation und gewünschte koordinative Bewegungsentwicklung farbige Gymnastiktücher und Luftballons ein, die die Übenden leicht erkennen, erfassen und erproben können. Großflächige, farbige und sich langsam bewegende Trainingsmittel haben durchweg positive Auswirkungen auf die Übenden.“ Schäffner realisiert außerdem alle Balanceübungen mit Schläger und Ball im Sitzen, so dass der Balanceausgleich in einem engen Bewegungsrahmen erfolgreich ablaufen kann, zudem erfolgt eine Reduzierung der Geschwindigkeitsabfolge der einzelnen Übungen.

Jürgen Schäffner ist aufgrund seiner Erfahrungen überzeugt: „Entscheidend ist stets die Demonstration der Einzelübung durch den Trainer mit Einbeziehung der Betreuenden. Hiermit wird der größte Informationstransfer, ich schätze etwa 80 bi 90 Prozent, erreicht. Ein gezieltes, freundliches aber auch lautes sowie direktes Ansprechen ist ab und an sinnvoll. Die verbale Information bedarf jedoch immer der gedanklichen Umsetzung in eine konkrete Handlung. Die ausgeprägte kognitive Entschleunigung bei allen Übenden verlangsamt die Umsetzung der verbalen Information in eine Übungshandlung.“

Corona erschwerte die Umsetzung

Lange Zeit hatte Jürgen Schäffner aufgrund der Pandemie Sorge, ob der komplette Kurs überhaupt zu realisieren sei. Der vielmonatige Lockdown und die strengen Corona-Auflagen führten zu einer Verlagerung des Starts vom Frühjahr in den Juni. Inzwischen jedoch ist die Organisation der Übungseinheiten eine eingespielte Sache. „Hygiene- und Testmaßnahmen in der Pflegeeinrichtung sind praktikabel und eingeordnet in den Beginn jeden Stundenbeginns“, erläutert Jürgen Schäffner, „als Trainer werde ich vor jeder Einheit vom Heimpersonal einem Antigentest unterzogen.“

Enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tischtennis-Bund

Probleme mit der Umsetzung gab es beim VfL nicht. „Die Projektunterlagen vom Deutschen Tischtennis-Bund und das Materialpaket des DOSB sind auf leicht und mittelschwer Demente gut ausgerichtet und konzeptionell bestens für das Sportangebot in einer Pflegeeinrichtung umsetzbar“, sagt Jürgen Schäffner. Viele Übungsbeispiele lassen dem Trainer die Option, das jeweils geeignete Übungselement einzusetzen. Parallel wird in der Ausführungsphase regelmäßig über das Ergebnis der Kursstunde an den DTTB berichtet. Schäffner ist ein Teamplayer: „Zusammen mit Doris Simon und DTTB-Mitarbeiter Gabriel Eckhardt wird der Verlauf permanent ausgewertet und gemeinsam geprüft, welche Tools und welche Methodik in der Folgestunde stärker zum Einsatz kommen.“ Gleichzeitig erhält Schäffner regelmäßig schriftliche Feedbacks von der Senioren-Residenz Polimar, sowohl in der Bekräftigung des Erreichten als auch in der Dokumentation der Fortschritte.

Materialpaket des DOSB erleichtert Vereinen den Einstieg

Neben Fortuna Marzahn engagieren sich auch der Steglitzer TTK Berlin, der TSV Mandelsloh, der TSV Münster Stuttgart sowie die DJK Sportbund Stuttgart beim Projekt "Sport bewegt Menschen mit Demenz". Übrigens: Auch Ihr Verein kann ein Angebot für an Demenz erkrankte Menschen und deren Angehörige anbieten. Interessierte Vereine und Übungsleiter können hierzu ein kostenfreies Materialpaket unter demenz@dosb.de bestellen. Die Box bietet Anregungen für die Integration von Menschen mit beginnender Demenz sowohl in bereits bestehende Gruppen im Sport der Älteren als auch für die Einrichtung von speziellen Sportgruppen für Menschen mit Demenz.

Ressortleiterin Doris Simon liegt die Umsetzung eines breiteren Kursangebots im Gesundheitssport, nicht nur bei der Diagnose Demenz, am Herzen, und sie sieht darin auch eine Chance für die Vereine angesichts nicht nur durch Corona schwindenden Mitgliederzahlen: „Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist ein Trend erkennbar, weg vom Wettkampf-, hin zum Freizeit- und Gesundheitssport. Auch dort haben wir unsere Stärken. Leider haben wir in den Vereinen diese Stärke bislang zu selten in zielgerichtete Angebote umsetzt. Die Corona-Pandemie hat nun gezeigt, wie viele Menschen - ohne Sportverein – Tischtennis spielen. Hier liegt viel Potential. Vereine und Abteilungen sollten deshalb einmal checken, ob sie wirklich für alle zahlreiche Interessengruppen passende Angebote haben, inklusive Angeboten auch für kleine Kinder und Senioren mit gesundheitlichen Einschränkungen.“

 

Sie haben noch Fragen zum Thema?

Ihr Ansprechpartner beim DTTB ist Gabriel Eckhardt, erreichbar unter eckhardt.dttb@tischtennis.de.

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