Frankfurt. Es war ein kleiner Moment mit großer Wirkung: Als Annett Kaufmann elf Tage vor WM-Beginn beim WM-Vorbereitungs-Lehrgang in Düsseldorf mit dem linken Fuß umknickte, hielten Trainerteam und Mitspielerinnen den Atem an. Nicht schon wieder, dachten viele – zu präsent war die zuletzt reiche Verletzungshistorie der Damen-Nationalmannschaft. Doch das medizinische Stab des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) gab rasch Entwarnung: Bänderdehnung, keine strukturellen Schäden, keine WM-Absage. Am Montagabend nach einem letzten Test gab's endgültig grünes Licht: Die U19-Weltmeisterin reist wie geplant mit der Nationalmannschaft zu den Tischtennis-Weltmeisterschaften in Doha (17. bis 25. Mai) – das deutsche Team ist komplett. Die ersten Spiele der Deutschen gehen am Samstag und Sonntag über die Bühne.
Doha – Rückkehr auf erfolgreiches Terrain
Die Tischtennis-WM findet an einem vertrauten Ort statt, der positive Erinnerungen weckt. Doha war bereits 2004 Austragungsort der Team-Weltmeisterschaften. Damals gewannen die DTTB-Herren Silber. 21 Jahre später stehen erneut Titelkämpfe an – diesmal im Einzel, Doppel und Mixed. In der Lusail Sports Arena und im Qatar University Sports Complex treten vom 17. bis 25. Mai die jeweils 128 besten Spielerinnen und Spieler der Welt an. Die Favoriten kommen auch diesmal im Wesentlichen wieder aus China. Allerdings riss unmittelbar vor der WM der Brasilianer mit dem Gewinn des Herren-World-Cups ein empfindliches Loch in die chinesische Mauer und führte der Welt vor Augen, dass auch das Reich der Mitte keine unangefochtenen Dauersieger stellt. Und wie immer reisen auch Deutschlands Top-Athleten mit klaren Ambitionen in den Nahen Osten.
Geht der Medaillentraum erneut in Erfüllung?
Der DTTB schickte bei den Herren mit dem an Position acht gesetzten Patrick Franziska, 2022-Europameister Dang Qiu, dem aktuellen Vize-Europameister Benedikt Duda, dem zweimaligen Olympiadritten Dimitrij Ovtcharov und dem Weltranglisten-35. Ricardo Walther sein stärkstes Quintett na Katar. Das Ziel: mindestens die Setzungen erfüllen – und in der entscheidenden Turnierphase noch im Wettbewerb vertreten sein. DTTB-Sportvorstand Richard Prause bringt es auf den Punkt: „Es sind von Beginn an umkämpfte Spiele gegen anspruchsvolle Gegner zu erwarten. Eine Medaille wäre ein Traum.“ Einer, der sich 2023 erfüllte: Bei der letzten Individual-WM in Durban (Südafrika) gelang dem Doppel Franziska/Ovtcharov als Dritten der Sprung auf das Siegerpodest.
Patrick Franziska trifft zum Auftakt am Samstag auf den Taiwanesen Liao Cheng-Ting, seinen ehemaligen Teamkollegen beim 1. FC Saarbrücken-TT. „Liao und ich haben ein Jahr lang intensiv zusammen trainiert. Ich weiß, was auf mich zukommt“, so Franziska, der erstmals bei einer WM unter den Top 8 gesetzt ist, aber eben auch weiß: „Die gute Setzung allein hilft auch nicht.“
Auch World-Cup-Viertelfinalist Duda, auf Position 13 in der Welt aufgerückt, muss schon Samstag gegen seinen ehemaligen Bergneustädter Vereinskollegen Alberto Mino aus Ecuador ran. „Ich bin gewarnt. Mino ist kein einfacher Gegner“, so Duda, der bei der WM 2023 in Runde eins ausschied und bekennt: „Ich habe das Potenzial, jeden zu schlagen, aber das Niveau ist sehr eng beisammen – es können auch sehr viele gegen mich gewinnen.“
Der Weltranglistenelfte Dang Qiu geht ebenfalls am ersten WM-Tag als Favorit in das Duell mit dem Kroaten Filip Zeljko und sagt vor dem Start: „Die Auslosung muss man einfach nehmen, wie sie kommt – es kann ungemein viel passieren. Man muss die Zähne zusammenbeißen und sich auf seine eigenen Stärken konzentrieren.“
Dimitrij Ovtcharov startet einen Tag später gegen den ihm aus der Bundesliga wohlbekannten Österreicher Daniel Habesohn und könnte später auf Taiwans Superstar Lin Yun-Ju treffen – eine echte Bewährungsprobe, die vor wenigen Wochen beim World Cup zugunsten des Deutschen endete. Der aktuell auf Platz 20 notierte ehemalige Weltranglistenerste setzt sich nicht unter Druck: „Vielleicht bin ich ja für eine Überraschung gut.“ Ricardo Walther bekommt es am Sonntag mit Eugene Wang (Kanada) zu tun.
Hohe Hürden für die DTTB-Damen
Für die WM in Doha verzichtete Tamara Boros auf die Nominierung ihrer Führungsspielerin Nina Mittelham, die sich mit einer Bandscheibenproblematik plagt. Die Bundestrainerin Tamara Boros schickt bei der WM dennoch ein starkes Team ins Rennen. Die erfahrene dreimalige Europe-Top-16-Siegerin Ying Han, die ehemaligen EM-Dritten Xiaona Shan und Sabine Winter, die Team-Olympiavierte Yuan Wan und die 18-jährige U19-Weltmeisterin Annett Kaufmann genießen das Vertrauen der WM-Dritten von 2003. Boros: „Wir haben trotz Ninas Ausfall eine schlagkräftige Mannschaft.“
Doch die Auslosung meinte es nicht gut: Die Deutsche Meisterin Annett Kaufmann trifft am Samstag im ersten Einzel auf Ng Wing Lam aus Hongkong – und im Falle eines Erfolgs wartet Chen Xingtong, Chinas Nummer drei der Welt. „Die Auslosung ist hart. Aber ich beschwere mich nicht – auch Chinesinnen kochen nur mit Wasser“, gibt sich die in der vergangenen Woche im Training umgeknickte Kaufmann gelassen kämpferisch. DTTB-Sportvorstand Richard Prause zeigte sich nach dem letzte Belastungstest am Montag erleichtert, dass die leichte Bänderdehnung keine weiteren Folgen hatte: „Annett hat am Montag gut trainiert und ihrem WM-Start steht nichts im Wege. Sie wird natürlich vor Ort auch mit unserer medizinischen Abteilung rund um Dr. Thomas Garn im Austausch bleiben.“
Sabine Winter, als Nummer 45 der Welt aktuell Deutschlands Nummer 1, startet am Samstag als Favoritin in der ersten Runde gegen die Ägypterin Mariam Alhodaby. In der dritten Runde könnte es zum Aufeinandertreffen mit Japans Top-Ten-Spielerin Satsuki Odo kommen, der Winter unlängst unterlag. Die nach zwei Achillessehnenrissen seit Februar wieder Wettkämpfe bestreitende Ying Han, die erstmals Samstag spielt, muss mit Wang Manyu (China) rechnen, wenn sie ihre ersten beiden Runden übersteht: „Das ist nicht meine Wunschauslosung. Aber sollte ich Runde drei erreichen, werde ich versuchen, der Ex-Weltmeisterin einen großen Kampf zu liefern.“ Xiaona Shan trifft am Sonntag auf Sibel Altinkaya (Türkei), Yuan Wan bekommt es mit der ehemaligen European-Games-Siegerin Fu Yu (Portugal) zu tun.
Doppel-Wettbewerbe: Schwere Auslosung, aber großes Selbstvertrauen
Auch in den Doppel-Wettbewerben warten anspruchsvolle Aufgaben. Auf die Überraschungsdritten der WM von Durban, Patrick Franziska/Dimitrij Ovtcharov, wartet in Runde zwei mit Ionescu/Robles (Rumänien/Spanien), den Vizeweltmeistern von 2019, der erste harte Prüfstein. Benedikt Duda/Dang Qiu starten gegen ein Team aus Sambia, bevor mit den Indern Thakkar/Shah die erste echte Herausforderung droht.
Bei den Damen muss das durchaus zu Überraschungen fähige Duo Sabine Winter/Yuan Wan schon in Runde zwei gegen Qian Tianyi/Chen Xingtong an den Tisch – die Chinesinnen gelten als Mitfavoritinnen auf Gold. Yuan Wan bleibt jedoch optimistisch: „Sabine und ich sind ein gutes Doppel. In diesem Wettbewerb sind Überraschungen immer möglich – ich schließe deshalb im positiven Sinne nichts aus.“ Die Kombination Annett Kaufmann/Xiaona Shan startet gegen ein kanadisches Doppel.
Das seit den Europameisterschaften in Linz neu formierte Duo Patrick Franziska und Annett Kaufmann spielt zum Auftakt gegen die starken Franzosen Simon Gauzy und Prithika Pavade. Der Sieger des Duells trifft im Anschluss auf das topgesetzte Mixed bestehend aus dem Weltranglistenersten Lin Shidong und World-Cup-Finalistin Kuai Man. Auch Benedikt Duda und Yuan Wan hätten sich vermutlich gerne andere Auftaktgegner gewünscht – sie müssen gegen die amtierenden Europameister Maria Xiao und Alvaro Robles aus Spanien ran.
WM-Ausblick: Viele Unwägbarkeiten, viele Chancen
Bei den Weltmeisterschaften 2025 sind die von Chinesen gespickten Setzlisten ein Indikator für die Vormachtstellung aus dem Reich der Mitte. Eine Garantie für Goldmedaillen sind sie nicht, wie unlängst der Brasilianer Hugo Calderano mit seinem Triumph beim World Cup in Macau unter Beweis stellte. Brasilien (mit Calderano), Frankreich (mit Felix und Alexis Lebrun), Japan, Südkorea, Taiwan und Deutschland – dies sind die Nationen, die China mit all seinen Superstars in Doha in Bedrängnis bringen können.
Doha erneut ein gutes Pflaster für das deutsche Tischtennis?
Eines gilt ohnehin: Prognosen darf in der Regel, insbesondere bei Weltmeisterschaften, nur eine begrenzte Halbwertszeit zugemessen werden. Das beste Beispiel dafür lieferten die DTTB-Asse vor zwei Jahren selbst, als das kurzfristig zusammengeschweißte Duo Patrick Franziska/Dimitrij Ovtcharov überraschend mit einer Bronzemedaille dekoriert die Heimreise antrat. Richard Prause sagt: „Dafür müssen alle Mosaiksteine zusammenpassen.“ Warum nicht auch diesmal: Doha wäre jedenfalls nicht das erste Mal ein gutes Pflaster für das deutsche Tischtennis.
Tisch 1 und 2 - Luisal Sports Arena
Tisch 3 bis 8 - Qatar University
Die 8 Spiele der Deutschen am Samstag (17. Mai)
Dang Qiu – Filip Zeljko CRO 10:20 Uhr, Tisch 4
Sabine Winter/Yuan Wan – Aia Mohamed/ Maryam Ali QAT 11 Uhr, Tisch 1
Annett Kaufmann/Xiaona Shan – Mo Zhang/Ivy Lao CAN 13 Uhr, Tisch 2
Patrick Franziska – Liao Cheng-Ting TPE 16:10 Uhr, Tisch 1
Sabine Winter – Mariam Alhodaby EGY 16:50 Uhr, Tisch 8
Annett Kaufmann – Ng Wing Lam HKG 18:10 Uhr, Tisch 2
Benedikt Duda – Alberto Mino ECU 18:50 Uhr, Tisch 2
Xiaona Shan – Sibel Altinkaya TUR 19:30 Uhr, Tisch 5
Die 8 Spiele der Deutschen am Sonntag (18. Mai)
Benedikt Duda/Yuan Wan – Maria Xiao/Alvaro Robles ESP 9 Uhr, Tisch 6
Ying Han – Ivana Malobabic CRO 9:40 Uhr, Tisch 5
Dimitrij Ovtcharov/Patrick Franziska - Hwan Bae/Aditya Sareen AUS 11:40 Uhr, Tisch 8
Benedikt Duda/Dang Qiu - Choowle Hamalambo/ Charles Banda ZAM 13 Uhr, Tisch 3
Patrick Franziska/Annett Kaufmann - Simon Gauzy/ Prithika Pavade FRA 15:30 Uhr, Tisch 1
Dimitrij Ovtcharov – Daniel Habesohn AUT 16:10 Uhr, Tisch 5
Yuan Wan – Fu Yu POR 16:50 Uhr, Tisch 5
Ricardo Walther – Eugene Wang CAN 18:50 Uhr, Tisch 7
Damen-Einzel, 1. Runde (beste 128)
17.05.: Sabine Winter – Mariam Alhodaby EGY 16:50 Uhr, Tisch 8
17.05.: Annett Kaufmann – Ng Wing Lam HKG 18:10 Uhr, Tisch 2
17.05.: Xiaona Shan – Sibel Altinkaya TUR 19:30 Uhr, Tisch 5
18.05.: Ying Han – Ivana Malobabic CRO 9:40 Uhr, Tisch 5
18.05.: Yuan Wan – Fu Yu POR 16:50 Uhr, Tisch 5
Herren-Einzel, 1. Runde (beste 128)
17.05.: Dang Qiu – Filip Zeljko CRO 10:20 Uhr, Tisch 4
17.05.: Patrick Franziska – Liao Cheng-Ting TPE 16:10 Uhr, Tisch 1
17.05.: Benedikt Duda – Alberto Mino ECU 18:50 Uhr, Tisch 2
18.05.: Dimitrij Ovtcharov – Daniel Habesohn AUT 16:10 Uhr, Tisch 5
18.05.: Ricardo Walther – Eugene Wang CAN 18:50 Uhr, Tisch 7
Damen-Doppel, 1. Runde (beste 64)
17.05.: Sabine Winter/Yuan Wan – Aia Mohamed/ Maryam Ali QAT 11 Uhr, Tisch 1
17.05.: Annett Kaufmann/Xiaona Shan – Mo Zhang/Ivy Lao CAN 13 Uhr, Tisch 2
Herren-Doppel, 1. Runde (beste 64)
18.05.: Dimitrij Ovtcharov/Patrick Franziska - Hwan Bae/Aditya Sareen AUS 11:40 Uhr, Tisch 8
18.05.: Benedikt Duda/Dang Qiu - Choowle Hamalambo/ Charles Banda ZAM 13 Uhr, Tisch 3
Mixed, 1. Runde (beste 128)
18.05.: Benedikt Duda/Yuan Wan – Maria Xiao/Alvaro Robles ESP 9 Uhr, Tisch 6
18.05.: Patrick Franziska/Annett Kaufmann - Simon Gauzy/ Prithika Pavade FRA 15:30 Uhr, Tisch 1
Herren
Dang Qiu (Borussia Düsseldorf, WR: 11), Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt, WR: 13), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT, WR: 14), Dimitrij Ovtcharov (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell, WR: 20), Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach, WR: 35)
Damen
Sabine Winter (TSV Dachau, WR: 45), Ying Han (KTS Tarnobrzeg/Polen, WR: 47), Xiaona Shan (ttc berlin eastside, WR: 50), Yuan Wan (TTC Weinheim, WR: 62). Annett Kaufmann (SV DJK Kolbermoor, WR: 111)
Herren-Doppel
Benedikt Duda/Dang Qiu, Patrick Franziska/Dimitrij Ovtcharov
Damen-Doppel
Annett Kaufmann/Xiaona Shan, Yuan Wan/Sabine Winter
Gemischtes Doppel
Annett Kaufmann/Patrick Franziska, Yuan Wan/Benedikt Duda
Sportliche Leitung
Richard Prause (DTTB Vorstand Sport)
Trainerteam
Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Lars Hielscher (Cheftrainer Düsseldorf), Tamara Boros (Bundestrainerin Damen), Zoltan Batorfi (Assistenz-Bundestrainer Damen), Sascha Nimtz (Experte für Videoanalysen, Wissenschaftskoordinator IAT Leipzig)
Medizinische Abteilung
Dr. Thomas Garn (Teamarzt), Dr. Christian Zepp (Sportpsychologischer Experte), Annette Zischka, Christian Bressau-Krabbe (Physiotherapeuten, OSP Hessen in Frankfurt/Main)
Organisationsleiter
Rainer Kruschel (Leiter Referat Leistungssport)
Schiedsrichter
Melanie Timke (Sielmingen)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Manfred Schillings (DTTB)