Sendai. Petrissa Solja hat sich beim mit 150.000 Dollar dotierten World Cup der Damen in Sendai (Japan) zum bislang größten Triumph ihrer noch jungen Karriere gespielt. Die 21-jährige Berlinerin erreichte beim bedeutendsten Turnier nach Olympischen Spielen und WM mit herausragenden Erfolgen über die Nummern vier und sechs der Welt, Ai Fukuhara und Feng Tianwei, das Halbfinale. Im Duell um den Einzug in das Endspiel trifft die Weltranglisten-26. in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 2 Uhr auf Chinas topgesetzte WM-Finalistin Liu Shiwen. Im zweiten Halbfinale stehen Irene Ivancans Achtelfinal-Bezwingerin Kasumi Ishikawa (Japan) und Hollands Ex-Europameisterin Li Jiao gegenüber, die heute überraschend Doppel-Weltmeisterin Zhu Yuling (China) bezwang.
Wäre es Fußball gewesen, die Beschreibung zweier komplett verschiedener Halbzeiten wäre die zutreffendste für das Match zwischen Herausforderin Petrissa Solja und Japans routinierten Weltstar Ai Fukuhara. Nach frechem Start, aber noch mit 8:11 verlorenem ersten Durchgang wirkte die Doppel-Europameisterin von 2013 gegen den einige Werbemillionen schweren Medienstar in den beiden Folgesätzen beim 6:11 und 2:11 chancenlos, so dass ITTF-Kommentator Adam Bobrow bereits das "bisher kürzeste Match des Turniers" zu sehen meinte. Petrissa Solja selbst glaubte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an eine Wende: "Im ersten Satz hatte ich noch gute Chancen, aber dann habe ich selber nicht mehr dran geglaubt, denn ich bin mit ihren Bällen überhaupt nicht zurecht gekommen. Das war mir teilweise echt peinlich."
Ausnahmetalent Petrissa Solja lernt schnell
Doch Soljas außerordentliche Begabung und das Ausnahmetalenten eigene, schnelle Lernvermögen zusammen mit der Psychologie von Bundestrainerin Jie Schöpp machten das Unmöglich erscheinende doch noch möglich. Solja: "Ich habe nach dem dritten Satz etwas gejammert, dass wir in Düsseldorf einfach nicht ein Spielsystem mit solch einer Rückhand zum Training zur Verfügung haben und wie ich denn bitte dann hier gewinnen solle. Jie meinte dann, ich solle nun hier mit dem Training beginnen und versuchen, zunächst mal einen Satz zu holen. Dann habe ich mich zu meiner eigenen Überraschung schnell und immer besser an Fukuharas Bälle gewöhnt, und jetzt stehe ich Halbfinale." Solja lachend unmittelbar nach dem Match: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist Jie glücklicher als ich, denn ich stehe immer noch unter Schock. Sie versucht mir dauernd zu erklären, warum ich das Spiel noch gewonnen habe. Später dann in der Videoanalyse werde ich es dann wohl auch verstehen."
Soljas Triumph ("Das ist definitiv mein bisher allergrößter Erfolg") hing allerdings im vierten Satz noch einmal am seidenen Faden. Zwar wurde die Veränderung im Spielverlauf und in der Körpersprache mit jedem Ballwechsel sichtbarer, doch Korean-Open-Gewinnerin Fukuhara erarbeitete sich mit ihrer Mischung aus extremen Winkelplatzierungen und urplötzlicher Tempoverlagerung mit ihren Rückhand-Noppen noch einen Matchball bei 12:11 - ihren einzigen. Solja gewann mit 14:12 und kontrollierte in den drei Folgesätzen (11:5, 11:8 und 11:6) ihrerseits die "zweite Halbzeit" dieses ungewöhnlichen Tischtennisspiels. Nur noch einmal, nach 10:3-Führung in Durchgang sechs geriet sie durch fünf in Folge gewonnene Punkte der Japanerin kurzzeitig in Bedrängnis. Solja verdarb mit ihrer erfolgreichen Aufholjagd Japans in Sendai geborenen Superstar, der am morgigen Finaltag 27 Jahre alt wird, ausgerechnet in ihrer Heimatstadt die Geburtstagsfeier, die mit einem Medaillengewinn für Fukuhara als Hauptpräsent geplant war. Der Einzug in das Halbfinale ist zwar bereits jetzt Soljas größter Erfolg, alles soll dies in Sendai aber noch nicht gewesen sein: "Ich bin jedenfalls noch sehr hungrig." Zunächst steht am Sonntag um 2 Uhr deutscher Zeit das Halbfinale gegen die Weltranglisten-Zweite Liu Shiwen auf dem Programm, um 5.30 Uhr oder um 6.30 Uhr dann entweder das Match um Platz drei oder das Finale mit der Japanerin Kasumi Ishikawa oder der Holländerin Li Jiao als Gegnerin.
Bundestrainerin Jie Schöpp: "Peti hat sich auf ein neues Level gespielt"
Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp war voll des Lobes für die in Düsseldorf lebende und trainiernde Berlinerin: "Peti hat heute technisch und taktisch auf einem neuen Level gespielt. Man merkt eindeutig, dass sie sich noch einmal verbessert hat. Sie zudem viel schneller geworden und hat auch einen sehr guten Kopf und viel Spielübersicht gezeigt. Dabei war Fukuharas Spielsystem für sie sehr ungewöhnlich. Wir haben leider im Training niemanden, der ähnlich spielt. Umso größer war auch die mentale Leistung von Peti: Ohne zu diesem Zeitpunkt das Gefühl zu haben, gewinnen zu können, hat sie sich nach einem 0:3 gegen eine solch erfahrene Weltklassespielerin noch so an das System angepasst, dass sie das Match noch drehen konnte."
Während Deutschland in der Nacht von Freitag auf Samstag um 2 Uhr weitgehend schlief, hatte eine nahezu fehlerlos auftrumpfende Petrissa Solja vor dem Triumph über Fukuhara in Gestalt der Mannschafts-Weltmeisterin des Jahres 2010, Feng Tianwei, eine Top-Ten-Spielerin regelrecht düpert. 11:7, 11:8, 11:4 und 12:10 - das Resultat spricht für sich selbst. Die über viele Jahre hinweg als die einzige ernsthafte Herausforderin von Chinas Assen geltende Singapur-Chinesin lief und mühte sich, attackierte vehement von beiden Seiten, aber Linkshänderin Solja hatte auch auf die besten Bälle der in der Weltrangliste 20 Plätze vor ihr notierten Feng die bessere Antwort parat und wehrte selbst einen Satzball Fengs in Durchgang vier in äußerst souveräner Manier ab. Die Deutsche Meisterin war von der Art und Weise ihres Erfolgs selbst überrascht: "Das war sicherlich eines der besten Spiele überhaupt, das ich bisher gemacht habe. Feng wusste gar nicht mehr so richtig, wo sie hinspielen sollte, denn ich war einfach immer da und habe mich mit Vorhand und Rückhand total sicher gefühlt. Ich wusste vorher, dass ich eine Chance habe. Aber dass ich in dieser Höhe gewinne, das hätte ich selbst nie gedacht."
Irene Ivancan chancenlos / Ishikawa im Halbfinale gegen Li Jiao
Ähnlich klar wie Solja gegen Feng gewann, unterlag Irene Ivancan im ihrem Achtelfinalmatch der klar favorisierten Weltranglisten-Fünften Kasumi Ishikawa 4:11,6:11,7:11 und 3:11. Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp analysierte das Match: "Für Irene war das Spiel gegen Ishikawa schwer. Sie hat mit dem Aufschlag der Japanerin Probleme gehabt. Einmal in der Abwehr drin, ist sie zudem nicht wie gewohnt zu ihren Angriffsbällen gekommen. Es hat da einfach etwas an Spielstärke gemangelt."
Trotz der klaren Niederlage darf die Debütantin dennoch insgesamt mit ihrer ersten World-Cup-Teilnahme zufrieden sein. Ihr Ziel, den Einzug in die Runde der besten Sechzehn, erspielte sich die im TTF-Ranking auf Position 42 notierte Abwehrkünstlerin am Freitag als Zweite der Qualifikationsgruppe C mit einem klaren Sieg über die Kanadierin Zhang Mo, nachdem sie zuvor allerdings der Weltranglisten-21. Hu Melek zu einem knappen 4:2-Erfolg hatte gratulieren müssen. So sah das bereits auch gestern Ivancan selbst: "Insgesamt bin ich zufrieden, denn ich habe mein Ziel erreicht, den Einzug ins Achtelfinale."
Solja hatte sich gestern als Gewinnerin der Vorrundengruppe D in der Qualifikation für das Hauptfeld in Szene gesetzt und Siege über ihre Berliner Mannschaftskollegin, die Ungarin Georgina Pota, und über die Brasilianerin Caroline Kumahara verbucht. Pota übrigens stand heute im Achtelfinale dicht vor einer Sensation: Die Vierte des Vorjahres führte gegen die Weltranglisten-Dritte Zhu Yuling bereits mit 3:0, unterlag der Doppel-Weltmeisterin allerdings noch in sieben Sätzen. Eine Runde später ereilte Zhu Yuling allerdings im Viertelfinale das Aus. Sie unterlag der Hollands routinierter Ex-Europameisterin Li Jiao, die nun im Halbfinale auf Ishikawa trifft, vollkommen überraschend mit 2:4
Der World Cup im Live Streaming
Das Halbfinale von Petrissa Solja um 2 Uhr sowie alle weiten Matches des Finaltages werden im Livestreaming im Webkanal des Weltverbands ITTF, itTV zu sehen sein.
Weitere Informationen:
Alle Ergebnisse und Auslosungen auf der Webseite der ITTF
Zum Livestreaming der ITTF auf itTV
Die Ergebnisse
Samstag, 31. Oktober (K.-o.-Runde/2. Stufe)
Viertelfinale
Liu Shiwen CHN - Hu Melek TUR 4:1 (-10,4,3,15)
Petrissa Solja GER - Ai Fukuhara JPN 4:3 (-8,-6,-2,12,5,8,6)
Kasumi Ishikawa JPN - Liu Jia AUT 4:2 (8,-6,-5,15,3,7)
Zhu Yuling CHN - Li Jiao NED 2:4 (-8,9,-9,-8,2,-10)
Achtelfinale
Liu Shiwen CHN - Cheng I-Ching TPE 4:1 (10,4,-8,3,5)
Li Jie NED - Hu Melek TUR 4:0 (4,4,11,5)
Petrissa Solja GER - Feng Tianwei SIN 4:0 (7,8,4,10)
Ai Fukuhara JPN - Dina Meshref EGY 4:1 (4,-6,3,13,6)
Irene Ivancan GER - Kasumi Ishikawa JPN 0:4 (-4,-6,-7,-3)
Seo Hyowon KOR - Liu Jia AUT 1:4 (9,-9,-9,-5,-7)
Yang Haeun - Li Jiao NED 1:4 (10,-9,-8,-7,-8)
Zhu Yuling CHN - Georgina Pota HUN 4:3 (-10,-10,-8,5,8,7,6)
Sonntag, 1. November
Halbfinale
02.00 Uhr: Petrissa Solja GER - Liu Shiwen CHN
02.45 Uhr: Kasumi Ishikawa JPN - Li Jiao NED
Spiel um Platz 3
05.30 Uhr
Finale
06.30 Uhr
Die Gruppenspiele am Freitag, 30. Oktober (Vorrunde/1. Stufe)
Gruppe A
1. Liu Jia AUT 2:0, 2. Cheng I-Ching TPE 1:1, 3 Lay Jiang Fang AUS 0;2
Cheng - Lay 4:0
Cheng - Liu 2:4
Liu - Lay 4:2
Gruppe B
1. Li Jiao NED 2:0, 2. Dina Meshref EGY 1:1, 3. Doi Hoi Kem HKG 0:2
Doi - Meshref 2:4
Doi - Li 1:4
Li - Meshref 4:0
Gruppe C
1. Hu Melek TUR 2:0, 2. Irene Ivancan GER 1:1, 3. Zhang Mo CAN 0:2
Hu - Zhang 4:2 (-9,10,7,9,-4,10)
Ivancan - Hu 2:4 (-8,10,-9,-9,7,-2)
Ivancan - Zhang 4:1 (8,5,-11,4,4)
Gruppe D
1. Petrissa Solja GER 2:0, 2. Georgina Pota HUN 1:1, 3. Caroline Kumahara BRA 0:2
Solja - Kumahara 4:2 (-10,9,7,-2,2,3)
Solja - Pota 4:0 (13,4,7,7)
Pota - Kumahara 4:1 (6,8,5,-3,8)
Zu den detaillierten Einzelergebnissen
Die Erst- und Zweitplatzierten sind für das Achtelfinale qualifiziert
Die Teilnehmer am Women's World Cup 2015
Die Topgesetzten an den Positionen 1 - 8
Die an Position 1 bis 8 gesetzten Spielerinnen* sind automatisch für das K.-o.-Phase (Stufe 2) qualifiziert, die am Samstag mit dem Achtelfinale beginnt.
*Grundlage der Setzung ist die hinter den Spielerinnennamen genannte Platzierung in der Oktober-Weltrangliste.
1 Liu Shiwen CHN (Weltrangliste/WR 2)
2 Zhu Yuling CHN (WR 3)
3 Ai Fukuhara JPN (WR 4)
4 Kasumi Ishikawa (WR 5)
5 Feng Tianwei SIN (WR 6)
6 Seo Hyowon KOR (WR 10)
7 Yang Haeun KOR (WR 13)
8 Li Jie NED (WR 14)
Die Setzung an den Positionen 9 - 20
Die an den Positionen 9 - 20 gesetzten Spielerinnen bestreiten die Gruppenphase am Freitag (Stufe 1). Gespielt wird in vier Gruppen zu je drei Akteuren. Die Erst- und Zweitplatzierten qualifizieren sich für das Achtelfinale am Samstag.
9 Cheng I-Ching TPE (WR 17)
10 Doi Hoi Kem HKG (WR 19)
11 Hu Melek TUR (WR 21)
12 Petrissa Solja (WR 26)
13 Li Jiao NED (WR 27)
14 Liu Jia AUT (WR 28)
15 Georgina Pota HUN (WR 31)
16 Irene Ivancan GER (WR 42)
17 Zhang Mo CAN (WR 111)
18 Dina Meshref EGY (WR 116)
19 Lay Jiang Fang AUS (WR 136)
20 Caroline Kumahara BRA (WR 137)