Budapest. Bei der mit 500.000 Dollar dotierten Premiere des WTT Champions (18. bis 23. Juli) in Budapest hat Patrick Franziska im Achtelfinale für die Überraschung schlechthin gesorgt. Der Weltranglisten-14. triumphierte erstmals in seiner Karriere über Olympiasieger Ma Long (China) und spielt nun am Donnerstag um 19.10 Uhr gegen seiner Saarbrücker Vereinskollegen Darko Jorgic (Slowenien) um den Einzug in das Halbfinale. Unmittelbar zuvor hatte nach Dang Qiu und Xiaona Shan auch Timo Boll das Viertelfinale verpasst. Beim parallel in der BOK Hall laufenden WTT Feeder (18. bis 22. Juli) spielte sich derweil auch Ricardo Walther mit Siegen über den ehemaligen WM-Dritten An Jaehyun (Südkorea) und den Chinesen Zhou Qihao in das Rampenlicht.
Patrick Franziska triumphiert erstmals über Ma Long
Patrick Franziska, der zuvor in zwei Vergleichen bislang nie einen Satz gegen Ma Long gewonnen hatte, erwischte gegen den Olympiasieger einen Traumstart. Doch auf die 7:0-Führung folgte wenig später nach einer Aufholjagd des Chinesen bei 9:7 die Auszeit des Deutschen - und das mit Erfolg. Mit den beiden nächsten Punken zum 11:7 holte sich der Weltranglisten-14. gegen den dreimaligen Weltmeister den ersten Satz und zugleich das entscheidende Selbstvertrauen für den Rest der Partie. Zwar ging Durchgang zwei an den wohl besten Spieler aller Zeiten, doch statt nun einzubrechen sicherte sich Franziska mit dem Glauben an die eigene Stärke wenige Minuten später dennoch die 2:1-Satzführung. Und das mit dem spektakulärsten Ballwechsel des Spiels, vielleicht des Turniers: Bei 6:10-Rückstand spielt Ma Long einen Aufschlagreturn auf die Netzkante, von dort springt der Ball auf der Seite Franziskas auf die seitliche Tischkante und fällt wie ein Stein Richtung Boden. Doch mit einem reflexartigen Ausfallschritt und seiner Reichweite erläuft der Europe-Top-16-Gewinner des Vorjahres noch den Ball und spitzelt ihn mit viel Feingefühl wie am Faden gezogen so flach auf die Seite Ma Longs, dass dieser den Schläger nicht einmal mehr unter den Ball bringen kann. Ma Long erzwang anschließend noch einmal den Satzausgleich. Doch seine spielerische und bis zum Schluss mentale Stärke stellte der Deutsche eindrucksvoll unter Beweis, als er auch dann nicht einknickte, als der Olympiasieger von 2016 und 2020 im Entscheidungssatz nach Rückständen von 2:5, 3:6 und 6:8 bei 9:9 erstmals den Ausgleich herstellte und bei eigenem Aufschlag zum Matchgewinn servierte. Im Gegenteil: Franziska blieb cool, ließ nicht einen Matchball seines Kontrahenten zu und verwandelte bei 11:10 seine zweite Chance zum verdienten Sieg.
Mit dem Triumph über das Tischtennis-Denkmal hat Patrick Franziska nun laut WTT-Statistik als erster nichtchinesischer Spieler überhaupt eine komplette Serie an Erfolgen über die großen Drei des letzten Jahrzehnts - Ma Long, Fan Zhendong und Xu Xin - in seiner Erfolgsliste stehen. Franziska konnte es unmittelbar nach dem Match kaum glauben: "Das ist sicherlich der größte Sieg meiner Karriere. Ich zittere immer noch am ganzen Körper und muss das erst einmal verarbeiten." Der Gewinn des ersten Satzes war aus Franziskas Sicht der vorentscheidende: "Ich glaube eigentlich ja immer an meine Siegchance, aber gegen Ma Long hatte ich noch nie einen Satz geholt. Dennoch bin auch heute mit Selbstvertrauen und dem Glauben an meine Chance in das Match gegangen. Im ersten Satz habe ich dann bereits gespürt, dass er sich heute nicht ganz so wohl fühlt am Tisch. Ich habe gegen ihn viel variiert, erfolgreich viel riskiert und es geschafft, permanent mit hoher Qualität viel Druck auf ihn auszuüben." Im Viertelfinale trifft Franziska nun am Donnerstag um 19.10 Uhr auf seinen Saarbrücker Teamkollegen Darko Jorgic, Gewinner des Europe Top 16 und aktuell die Nummer sieben der Welt, Der Slowene setzte sich im bisherigen Turnierverlauf gegen den Kroaten Andrej Gacina und gegen den Kasachen Kirill Gerassimenko durch. Geheimnisse gibt es in dem Match nicht, wie Franziska verrät: "Wir kennen uns natürlich aus dem Training in- und auswendig und sind auch befreundet. Ich gebe ja nie gerne Prognosen ab, aber ich glaube, es ist ein vollkommen offenes Match. Schauen wir einfach mal, wie es läuft."
Timo Boll: "Aktuell bin ich einfach zu langsam"
Der Durchschlagskraft und Geschwindigkeit des Chinesen Lin Gaoyuan hatte Timo Boll heute in seiner Achtelfinalpartie nicht viel entgegenzusetzen. Nach dem 8:11, 6:11 und 3:11 beschönigte der WM-Dritte und Rekordeuropameister aus Düsseldorf nichts an der Niederlage: "Das war, außer vielleicht im ersten Satz, eine recht deutliche Geschichte. Insgesamt war ich einfach körperlich zu langsam und zu unflexibel. Ich habe sein Tempo einfach nicht mitgehen können, das war, oder besser: das ist momentan das Hauptproblem. Aktuell bin ich einfach zu langsam, um gegen die Topleute zu bestehen oder eine Chance zu haben."
Dang Qiu: "Meine schwächste Leistung in den beiden letzten Jahren"
Chancenlos blieb auch Dang Qiu beim 8:11, 4:11 und 4:11 gegen den Weltranglistenachten Tomokazu Harimoto. Der Düsseldorfer, im ITTF-Ranking drei Plätze hinter dem Japaner notiert, erreichte heute zu keiner Phase des Spiels sein ansonsten zuverlässig konstantes Niveau und blieb weit hinter seinem Leistungsvermögen zurück. Entsprechend groß war die Enttäuschung des Deutschen Meisters: "Harimoto war stark, aber ich war heute auch sehr schwach. Ich muss leider zugestehen: Das war meine schwächste Leistung in diesem Jahr oder vielleicht sogar in den beiden letzten Jahren. Ich will Harimotos Leistung damit überhaupt nicht schmälern, denn er hat seinen Part dazu beigetragen und von Anfang an sehr druckvoll und sehr präzise gespielt - das hat mich etwas aus der Bahn geworfen. Ich habe heute sehr viel mit mir gekämpft, keinen Rhythmus gefunden und kein Gefühl für die Bälle gehabt. Solch eine Niederlage hatte ich schon lange nicht mehr, ich werde sicherlich sehr viel daraus lernen. Jetzt muss ich erst einmal schauen, wie ich damit klarkomme und werden dann die richtigen Schlüsse für mich daraus ziehen."
Xiaona Shan: "Gegen Ito zu spielen ist sehr unangenehm"
Nicht viel länger dauerte der Auftritt der Berliner Weltranglisten-19. Xiaona Shan gegen die Olympiadritte und Mixed-Olympiasiegerin Mima Ito. Die Japanerin beherrschte das Duell mit 11:8, 11:7 und 11:2. Die EM-Zweite Xiaona Shan sagte nach dem Match: "Ich hatte mich mit der Weltranglistenersten Sun Yingsha eingespielt, aber auch das hat mir nicht geholfen. Gegen Ito ist es gar nicht zu einem richtigen Schlagabtausch gekommen, sie spielt einfach sehr unangenehm. Ich hatte große Probleme mit meinen Rückschlägen und habe viele direkte Fehler auf ihr Service gemacht, allein fünf im ersten Satz. Ich wusste nie wirklich, was sie als nächstes macht, ob der Ball länger oder kürzer kommt, das war sehr unangenehm. Dennoch bin ich insgesamt zufrieden mit meinen Leistungen in Budapest, wo ich beim Star Contender und jetzt beim Champions-Turnier jeweils eine Runde gewinnen konnte."
WTT Feeder: Bärenstarker Walther spielt sich ins Viertelfinale
Beim parallel in Budapest stattfindenden WTT Feeder brillierte heute auch Ricardo Walther im Einzel mit zwei spektakuären Siegen. Der Grünwettersbacher bezwang Südkoreas WM-Dritten von 2019, An Jaehyun, mit 4:2 und legte wenige Stunden mit einem 13:11-Erfolg im Entscheidungssatz gegen Chinas Zhou Qihao nach. In der dramatischen Partie vergab Deutschlands Nummer 75 der Welt in der Verlängerung des fünften Satzes nach einer 7:3-Führung bereits seine ersten beiden Matchbälle, bei 10:5 im entscheidenden siebten Durchgang ließ der Deutsche Meister von 2020 dann fünf weitere aus und hatte bei 10:11 sogar für einen Moment das Aus vor Augen. Doch Walther machte die drei nächsten Punkte in Folge und freute sich anschließend: "Schon lange habe ich nicht mehr so gut gespielt. Das war ein Match auf sehr hohem Niveau. Auch gegen An Jaehyun zuvor war es eine sehr gute Leistung. Ich fühle mich in guter Form und bin locker. Mal schauen, wie es morgen gegen Xiang Peng läuft. Gegen ihn habe ich noch eine Rechnung vom WTT-Turnier in Zagreb offen, da habe ich im Viertelfinale verloren." Chinas U19-Weltmeister Xiang Peng ist in Budapest topgesetzt und in der Weltrangliste inzwischen bereits auf Position 29 vorgerückt. Ausgeschieden sind hingegen Kay Stumper gegen den Chinesen Xu Yingbin und der an Position zwei gesetzte Weltranglisten-32. Benedikt Duda gegen Lin Shidong (China). Im Damen-Doppel bezwangen die Deutschen Meisterinnen Chantal Mantz/Yuan Wan nach einem 0:2-Rückstand überraschend die WM-Dritten Xialian Ni/Sarah de Nutte (Luxemburg) und stehen damit ebenso im Halbfinale wie die Herren-Kombination Duda/Walther.
European Summer Series: WTT Champions und WTT Feeder laufen parallel
Das WTT Champions in Budapest ist Teil der sogenannten European Summer Series, die das ursprünglich für den gleichen Zeitraum in Ungarn geplante, dann aber kurzfristig auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschobene WTT-Prestige-Event Grand Smash ersetzt. Das neue Format, bei dem nur jeweils 32 Damen und 32 Herren startberechtigt sind, feiert in Budapest seine Premiere und bildet in der vom Veranstalter World Table Tennis (WTT) kreierten Event-Pyramide die Nummer zwei hinter dem bislang erst einmal ausgetragenen Grand Smash. Parallel zum Champions-Format findet im gleichen Hallen-Komplex noch bis Freitag ein WTT-Feeder statt, die fünfte Stufe der WTT Series. Das Champions ist mit 500.000 Dollar dotiert, das Feeder gerade einmal mit 25.000 Dollar. Die European Summer Series hatte in der Vorwoche in Budapest mit dem Star Contender begonnen, dem mit 250.000 Dollar Preisgeld ausgeschriebenen Turnier der dritten WTT-Kategorie.
Die Spiele am Donnerstag, 21. Juli
Herren-Einzel, Viertelfinale
Patrick Franziska - Darko Jorgic SLO 19.10 Uhr
Die Ergebnisse am Mittwoch, 20. Juli
Damen- und Herren-Einzel, Achtelfinale
Patrick Franziska - Ma Long CHN 3:2 (7,-7,6,-4,10)
Dang Qiu - Tomokazu Harimoto JPN 0:3 (-8,-4,-4)
Timo Boll - Lin Gaoyuan CHN 0:3 (-8,-6,-3)
Xiaona Shan - Mima Ito JPN 0:3 (-8,-7,-2)
Die Spiele am Donnerstag, 21. Juli
Herren-Einzel, Viertelfinale
Ricardo Walther - Xiang Peng CHN 13.10 Uhr, Tisch 1
Herren-Doppel, Halbfinale
Benedikt Duda/Ricardo Walther – Chen Chien-An/Feng Yi-Hsin TPE 11.20 Uhr, Tisch 2
Damen-Doppel, Halbfinale
Chantal Mantz/Yuan Wan – Lee Ho Ching/Zhu Chengzhu HKG 10.50 Uhr, Tisch 2
Die Ergebnisse am Mittwoch, 20. Juli
Herren-Einzel, 2. Runde (beste 32)
Ricardo Walther - An Jaehyun KOR 4:2 (-8,8,-5,5,9,6)
Kay Stumper - Tomislav Pucar CRO 4:1 (8,-6,9,11,13)
Benedikt Duda - Can Akkuzu FRA 4:3 (7,2,-12,3,-7,-4,4)
Fan Bo Meng - Felix Lebrun FRA 1:4 (-6,9,-4,-10,-5)
Achtelfinale
Ricardo Walther - Zhou Qihao CHN 4:3 (8,-6,11,8,-12,-6,11)
Kay Stumper - Xu Yingbin CHN 1:4 (-5,-9,-8,7,5,-10)
Benedikt Duda - Lin Shidong CHN 0:4 (-8,-9,-7,-6)
Damen-Einzel, 2. Runde (beste 32)
Chantal Mantz - Qian Tianyi CHN 0:4 (-5,-6,-5,-1)
Herren-Doppel, Viertelfinale
Benedikt Duda/Ricardo Walther – Alexander Chen/David Serdaroglu AUT 3:0 (4,4,3)
Damen-Doppel, Viertelfinale
Chantal Mantz/Yuan Wan – Xialian Ni/Sarah de Nutte LUX 3:2 (-5,-6,9,9,11)
Mixed, Viertelfinale
Franziska Schreiner/Tobias Hippler – Liu Hsing-Yin/Feng Yi-Hsin TPE 2:3 (-9,10,-6,7,-7)
WTT Champions (18. bis 23. Juli)
Damen: Ying Han (KTS Enea Siarkopol Tarnobrzeg, Polen), Nina Mittelham (ttc berlin eastside), Xiaona Shan (ttc berlin eastside), Petrissa Solja (TSV Langstadt)
Herren: Dimitrij Ovtcharov (TTC Neu-Ulm, Dang Qiu (Borussia Düsseldorf), Timo Boll (Borussia Düsseldorf), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT)
WTT Feeder (18. bis 22. Juli)
Damen: Yuan Wan (TTC Weinheim), Chantal Mantz (TSV Langstadt), Qualifikation: Franziska Schreiner (TSV Langstadt)
Herren: Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt), Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach), Fan Bo Meng (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell), Kay Stumper (Borussia Düsseldorf), Qualifikation: Cedric Meissner (TTC OE Bad Homburg), Tobias Hippler (1. FC Köln), Benno Oehme (TTC OE Bad Homburg)
Damen-Doppel: Chantal Mantz/Yuan Wan
Herren-Doppel: Benedikt Duda/Ricardo Walther
Mixed: Franziska Schreiner/Tobias Hippler