Danzig. Zhenqi Barthel (Bingen/Münster-Sarmsheim) steht bei den Europameisterschaften erstmals im Viertelfinale. Die amtierende deutsche Meisterin bezwang im Achtelfinale die Russin Fadeeva in sechs Sätzen. In die Runde der letzten Acht zog auch Irene Ivancan (Berlin) ein, die Hu Melek aus der Türkei mit 4:2 ausschaltete. Ausgeschieden sind dagegen Wu Jiaduo und Kristin Silbereisen. Die Weltranglisten-17. Wu verlor gegen die Rumänin Samara in sieben Durchgängen, Silbereisen unterlag der topgesetzten niederländischen Nationalspielerin Li Jiao in fünf Sätzen.
"Das waren vier knackige Matches. Mit einer hervorragend geschlossenen Mannschaftsleistung sind wir hier mit vier Spielerinnen ins Achtelfinale eingezogen. Das ist à la bonheur. Morgen werden wir zwei Chancen suchen, uns in die Medaillenränge zu spielen", kommentierte Bundestrainer Jörg Bitzigeio die Leistungen seiner Damen.
Zhenqi Barthel - Oksana Fadeeva RUS 4:2 (8, 4, -6, 5, -10, 8)
Ein Luftsprung, einbeinig, der rechte Arm in die Höhe, dazu ein kurzer Schrei: Zhenqi Barthel ist ins Viertelfinale von Danzig eingezogen. Die amtierende deutsche Meisterin gewann das Achtelfinale gegen die Russin Oksana Fadeeva, die zuvor im Doppel-Viertelfinale gegen Barthel/Silbereisen überragt hatte. Dass „Lulu“ schnell und hart spielen kann ist bekannt; ihr Plus im Achtelfinale war aber vor allem ihre hohe Grundsicherheit. Kaum leichte Fehler, stattdessen ein hohes Tempo ganz dicht am Tisch – Fadeeva konnte nur im dritten und fünften Durchgang Paroli bieten. Zhenqi Barthel spielte auch nach den verlorenen Sätzen weiter selbstbewusst auf und beendete die Partie mit einer Salve von Vorhand-Schüssen.
“Am Anfang war es sehr einfach für mich, aber dann ist sie besser ins Spiel gekommen", erklärte Zhenqi Barthel. "Im letzten Satz habe ich meine Taktik noch einmal ein bisschen geändert, habe mehr über ihre Rückhand gespielt. Wichtig war, dass ich vorne bleibe und selbst zuerst angreife."
Ihre tränenreiche Niederlage gegen die Russin bei der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Peking 2008 hat Barthel nicht vergessen, aber längst verarbeitet. Damals habe ich eine solche Drucksituation gar nicht gekannt und war sehr nervös. Inzwischen habe ich viele große Turniere gespielt. Ich bin in solchen Situationen nicht mehr ängstlich, sondern gehe mutig nach vorne. Wenn ich sterbe, sterbe ich vorne.“
Im Viertelfinale trifft sie auf Lokalmatadorin Li Qian. Die Nummer sechs Europas aus Polen gewann unter anderem im Jahr 2009 das europäische Ranglistenturnier Europe Top 12 in Düsseldorf. Der letzte Vergleich zwischen ihr und Barthel liegt schon einige Jahre zurück: Bei den U21-Wettbewerben der Pro-Tour-Turniere hatten sich beide regelmäßig gegenüber gestanden. „Damals habe ich maximal einen Satz gewonnen“, erinnert sich Barthel. „Jetzt spiele ich aber viel besser gegen Abwehr. Ich brauche mich nicht zu verstecken.“
Irene Ivancan - Hu Melek TUR 4:2 (8, -10, 6, 10, -7, 6)
Irene Ivancan hat sich mit Bravour unter die Top 8 bei diesen Europameisterschaften gespielt. Die Abwehrspielerin moderner Prägung schlug Hu Melek in sechs Sätzen. Der Sieg war hochverdient, Ivancan stand in der Defensive sicher und glänzte mit spektakulären Angriffsbällen. Mit ein bisschen Fortune hätte der Sieg auch deutlicher ausfallen können. Den zweiten Satz verlor sie in der Verlängerung. Auch vom Verlust des fünften Durchgangs ließ sich Ivancan wenig beeindrucken - im Gegenteil. Sie zog trotz der kräftezehrenden letzten Tage noch mal an, umlief einige Male erfolgreich ihre Rückhand und setzte Hu Melek mit ihrer Vorhand unter Druck. 11:6 im sechsten Satz. Viertelfinale. "Wenn mir vorher einer gesagt hätte, dass ich hier das Viertelfinale erreiche, hätte ich gesagt, dass er recht hat, dass ich mir das zutraue, stark genug bin, mich gut fühle und absolut konkurrenzfähig bin. Die Abwehr boomt, ich spiele ein relativ modernes System, mit dem ich gegen jede Spielerin etwas machen kann. Ich merke, dass die Leute Spaß daran haben, bei meinem Spiel zuzuschauen. Es macht mir Freude ihnen etwas zu bieten", sagte Ivancan.
Was nach Eitelkeit klingt, ist gesundes Selbstvertrauen. Ivancan ist auch bei ihren ausländischen Kolleginnen sehr beliebt. Viele Spielerinnen haben ihr zum Sieg sehr herzlich gratuliert. Ihr erstes Länderspiel war bei der EM 2005. Nach eine Pause im Nationaltrikot ist sie seit Sommer wieder im DTTB-Kader, trainiert aber schon seit drei Jahren am Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf, dem Bundesstützpunkt.
Im Viertelfinale trifft sie nun auf die Ungarin Krisztina Toth: "Jeder im Viertelfinale ist heiß auf eine Medaille. Es wird ein heißes Match gegen Krisztina, auf das ich mich sehr freue, auch wenn ich jetzt natürlich erst mal platt bin", sagte Ivancan.
Zum Podcast-Interview mit Irene Ivancan vom 8. Oktober.
Wu Jiaduo - Elizabeta Samara ROU 3:4 (-6, 3, 7, 7 -7, -5, -7)
Bei der 2:3-Niederlage im Mannschaftswettbewerb hatte Wu Jiaduo in drei engen Sätzen gegen die Rumänin verloren. Diesmal sah "Dudu" schon wie die sichere Siegerin aus. Die Weltrangliste-17. führte mit 3:1, hatte Samara nach verlorenem ersten Satz total im Griff. "Dudu" verteilte die Bälle geschickt, Samara wirkte nach dem vierten Durchgang konsterniert. Und dennoch fand sie wieder zurück ins Match. Die Rumänin wurde immer sicherer, kam besser mit den Blockbällen zurecht und machte weniger Fehler. Wu hingegen agierte zaghafter als zu Beginn. Im Entscheidungssatz stand es 6:6, alles schien offen, doch dann zog Samara davon. "Es ist natürlich schade, aber verloren ist eben verloren. Egal wie knapp es war. Nachdem ich 3:1 geführt hatte, war ich nicht mehr mutig genug, habe zu zurückhaltend gespielt", sagte die deutsche Nummer eins. Ihre EM-Bilanz nahm sie mit Galgenhumor. "Letztes Jahr bin ich bei der EM unter den letzten 16 im Einzel und Doppel ausgeschieden, und mit der Mannschaft sind wir Siebte geworden. Theoretisch habe ich mich also verbessert? Es war einfach ein bisschen Pech. Im Sport ist es eben mal so und mal so", sagte "Dudu".
Kristin Silbereisen - Li Jiao NED 1:4 (-5, 9, -8, -6, -6)
Die Weltranglisten-15. im Achtelfinale? Es gibt sicher leichtere Lose. Die bei den Europameisterschaften an Position eins gesetzte Li Jiao (Niederlande) war an diesem Tag für Kristin Silbereisen eine Nummer zu groß. Dabei hatte zwischenzeitlich Hoffnung bestanden; etwa im dritten Satz, den Silbereisen durchaus hätte gewinnen können. Es wäre die 2:1-Führung gewesen. Doch die frischgebackene Team-Europameisterin holte sich den dritten Durchgang mit 11:8 und die folgenden beiden klar mit 11:6.