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Schlugen als Doppel bei den Deutschen 2013 Patrick Baum/Ricardo Walther: Ort (l.) und Schüller (Foto: SH)

In Bielefeld nur Tourist, bald hoffentlich als Profi zurück: Kilian Ort

SH 18.03.2016

Bielefeld. „Was machst du denn hier?“, will Nico Christ überrascht wissen. „Ich unterstütze 'Schülli'“, seinen Zweitliga-Teamkollegen Christoph Schüller, antwortet Kilian Ort wie selbstverständlich.

Ort ist bei den Deutschen Meisterschaften in Bielefeld in Zivil. Der 19-jährige Viertelfinalist der Youth Olympic Games von 2014 und Jugend-Mixed-Europameister von 2013 laboriert seit vielen Monaten an langwierigen Problemen an der Schulter seines rechten Schlagarms.

Mehrmonatige Reha, bis es der Schulter „egal ist, dass ich Tischtennis spiele“

B-Kader-Spieler Ort, die Nummer zwei von Zweitliga-Tabellenführer TSV Bad Königshofen, zog von Bayern nach Düsseldorf, um sich am Deutschen Tischtennis-Zentrum und als Sportsoldat ganz aufs Profi-Tischtennis konzentrieren zu können. Er ist zuversichtlich, dass er seinen Traum nach einer mehrmonatigen Reha mit massivem Aufbauprogramm für die Schulter unter Anleitung von DTTZ-Athletiktrainer Benni Schmitz dann auch leben kann. Das Ziel: „Die Schulter wird so aufgebaut, dass es ihr danach hoffentlich egal ist, dass ich Tischtennis spiele“, erklärt er im Interview.

Frage: Tut es weh, hier zu sein und nicht selbst zu spielen?

Kilian Ort: Nein, ich habe es mir ja selbst so ausgesucht. Bei den Deutschen Meisterschaften gibt es viele Spiele zu sehen, „Schülli“ ist dabei, Düsseldorf ist nicht weit von Bielefeld entfernt – also habe ich spontan mein Krafttraining heute Morgen auf 7:30 Uhr vorverlegt und bin hierher gefahren.

Wie sieht dein Tagesablauf in deiner Reha aus?

Ort: Einmal pro Tag mache ich anderthalb Stunden Krafttraining und Stretching, gehe regelmäßig joggen. Ansonsten lese ich Bücher oder schaue schon mal einen Film. Ich habe mir sogar meine alten Schulbücher von zu Hause geholt, um meinen Kopf zu beschäftigen. Ich hatte Sport im Abitur, aber neben dem Tischtennisspielen und den vielen Reisen habe ich einiges für die Prüfungen nicht so intensiv gelernt. Das hole ich jetzt nach.

Wie schaffst du es, nach der langen Verletzungszeit weiterhin so positiv zu denken?

Ort: Natürlich ist es nicht schön, dass ich verletzt bin, aber es gibt viel Schlimmeres. Es ist zwar nicht immer einfach, so positiv zu denken. Wenn ich mal ein Tief habe, sind die richtigen Leute um mich herum, die mich aufbauen. Ich bin noch oft daheim, um mich für den Verein in der 2. Liga "reinzustellen", denn richtig spielen kann ich nicht. Es tut gut, Familie und Freunde zu sehen, altbekannte Gesichter. Und Benni Schmitz sorgt dafür, dass die Reha halbwegs Spaß macht, auch wenn sie eigentlich ätzend ist.

So etwas geht zurzeit nicht: Kilian Ort bei den German Open 2013 (Foto: ms)Wann hast du zuletzt schmerzfrei Tischtennis gespielt?

Ort: Das war im Mai 2015. Meine Grundausbildung bei der Bundeswehr als Sportsoldat war da gerade vorbei und die Trainingsintensität noch nicht wieder so hoch. Mit der steigenden Intensität kamen dann aber die Schmerzen zurück.

Was genau ist das Problem an deiner Schulter?

Ort: Die Ärzte vermuten – genau kann es keiner sagen –, dass der Ansatz der Bizepssehne nicht ganz fest sitzt. Im MRT sehen die Spezialisten aber nur eine gesunde Schulter. Auch der Neurologe hat beim Test der Nervenleitung nichts gefunden. Ein Schulterspezialist hat mir gesagt, dass er als Chirurg ja damit Geld verdient, mich zu operieren. Aber selbst er würde erst in die Schulter reingucken, wenn wirklich alle konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, also auch diese langfristige Reha, die ich jetzt mache, nicht hilft.

Wie geht es dir mit dieser "Diagnose"?

Ort: Die Ungewissheit nervt. Bei einem Kreuzbandriss wüsste man: sechs Monate, alles klar. Aber bei mir wissen sie es nicht genau. Wir probieren es jetzt mit einer langfristigen Reha, bei der die Schulter so aufgebaut wird, dass es ihr danach hoffentlich egal ist, dass ich Tischtennis spiele. Ich bin jetzt seit zwei Monaten dabei. Natürlich kann ich das nicht ewig machen, ich bin aber sicher, dass es wieder wird.

Hast du aus deiner Leidenszeit bisher etwas Positives mitgenommen, etwas gelernt?

Ort: Eine langwierige Verletzung verändert den Blickwinkel. Als Profi gibt es Tage, wenn Lehrgang auf Lehrgang folgt, an denen morgens der Wecker klingelt und man denkt: schon wieder Training! Das passiert nicht oft, aber es kommt schon mal vor. Jetzt ist mir bewusst geworden, wie schön es ist, Tischtennis zu spielen. Man lernt, den Sport noch mehr zu schätzen, hat noch mehr Lust darauf.

Es wird einem auch bewusst, wie schön es ist, in einer Mannschaft zu spielen, ob früher in der Jugend-Nationalmannschaft oder in der Liga in Bad Königshofen. Meine Eltern wohnen 300 Meter von der Halle weg, ich bin ein Eigengewächs des Vereins und freue mich darauf, ihm bald endlich wieder richtig helfen zu können. Ich bin heiß wieder anzugreifen. Ich muss nur aufpassen, dass ich langsam anfange nach der langen Pause.

Sprichst du auch mit Nationalteamkollegen über deine Durststrecke?

Ort: Ja, alle fragen nach, wie es läuft. Gerade mit Lars Hielscher spreche ich viel und mit Steffen Mengel. Sie haben beide Erfahrung mit längeren Pausen, vor allem Lars. So kann ich mich mit ihnen austauschen.

Behindert dich die Verletzung eigentlich im Alltag?

Ort: Nein, hätte ich einen Büro-Job wäre es mir vielleicht gar nicht aufgefallen. Im Alltag merke ich die Schulter nur, wenn ich zum Beispiel ganz schwere Kisten trage. Beim Tischtennis werden die Schmerzen ganz massiv, wenn ich beim Vorhand-Topspin beschleunige und am Ende der Bewegung abstoppe.

Wie sehr nervt, dass du immer wieder auf deine Verletzung angesprochen wirst?

Ort: Es meinen alle gut und viele sorgen sich um mich. Aber wenn man 500 Leuten erzählt, was man hat – und ich bin ja auch nur ein medizinischer Laie –, fragt man sich an schlechten Tagen manchmal, ob die 501ste Frage wirklich sein muss. Das muss ich aber wegstecken können.

Es freut mich, wie viele Menschen Anteil nehmen und mir gute Besserung wünschen. Das motiviert mich noch einmal mehr, bald wieder voll anzugreifen.

Die Deutschen Meisterschaften der Damen und Herren in Bielefeld

Seit 14 Uhr kämpfen 32 Damen und 32 Herren in ihren Vierergruppen um einen Platz im Einzel-Hauptfeld der Deutschen Meisterschaften in Bielefeld. Jugend-Nationalspieler wie Caro Hajok und Jannik Xu sind am Freitag in der Seidensticker Halle ebenso im Einsatz wie die etablierten Kräfte Sonja Busemann und Nico Christ.

Zeitplan / Live-Streaming, Live-Ticker und Ergebnisse / Eintrittskarten noch zu haben

Die jeweils Gruppenersten und -zweiten qualifizieren sich für die Hauptrunde. Je 16 Gesetzte stehen bereits im 32er-Hauptfeld, für die das Turnier mit den Doppelwettbewerben am Samstag startet. Am zweiten Turniertag sind drei Einzel- und drei Doppel-Runden vorgesehen. Der Sonntag gehört den Halbfinals und Endspielen.

Bei den 84 nationalen Titelkämpfen in Bielefeld gibt es von Freitag bis Sonntag ein Live-Streaming an bis zu zwei Tischen, sowie einen Live-Ticker. Auch Eintrittskarten für alle Turniertage in der Seidensticker Halle sind noch zu haben - Informationen auf der Turnier-Homepage des Durchführers.

Zu den Ansetzungen und Ergebnissen

 

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