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Interview mit Patrick Franziska über seinen Aufstieg zum Top 20 Spieler, schwierige Karrierephasen und den Druck in engen Situationen

"Ich war noch nie so nervös vor einem Spiel"

BP 08.08.2018

Zum ersten Mal in seiner Karriere gehört Patrick Franziska mit Veröffentlichung der August-Weltrangliste zum Kreis der besten 20 Tischtennisspieler der Welt. Das verdankt der gebürtige Hesse seinen überzeugenden Leistungen in diesem Jahr. Doch es lief in seiner Karriere nicht immer so rund. Ein Interview mit dem sympathischen Nationalspieler über seine Erfolgsgeheimnisse, die WM in Halmstad und warum er lieber Weltmeister als Nummer Eins der Welt wäre.

Tischtennis.de: Patrick, danke dass du dir die Zeit nimmst. Du musst heute Nachmittag wieder ins Training. Macht euch die Hitze eigentlich auch so zu schaffen?

Patrick Franziska: Ja, es ist einfach brutal. Ich bin sowieso jemand der schnell und viel schwitzt und es dauert keine zwei Minuten und ich tropfe den ganzen Tisch voll. Für zwei Stunden Training brauche ich fünf Trikots und zwei Hosen. Ich mag das einfach nicht, wenn es überall klebt und der Ball in der Hosentasche immer direkt nass wird.

Das ist aber ganz schön viel Wäsche…

Das stimmt (lacht). Das wäscht alles Frida (Patrick Franziska Freundin, Anm. d. Redaktion) und dafür bin ich ihr sehr, sehr dankbar.

Das Training zahlt sich aber aus – seit Freitag bist du als 17. der Welt erstmals ein TOP 20 Spieler. Das ist ja eigentlich nur noch ein Katzensprung in die Top 10?

Naja, da sind schon noch ein paar Pünktchen dazwischen. Ich achte da auch ehrlich gesagt gar nicht so darauf und bin immer gut damit gefahren, mich aufs nächste Turnier zu konzentrieren. Ich wusste auch davor nicht, dass ich den Top 20 bin.

Wärst du eigentlich lieber Nummer Eins der Welt oder Weltmeister?

Definitiv Weltmeister!

Warum?

Weltmeister zu werden war schon früher immer mein Ziel. Klar, Nummer Eins der Welt zu werden ist auch Wahnsinn. Aber für mich zählt so ein Titel deutlich mehr als eine Ranglistenposition, wobei das schon sehr weit hergeholt ist…

Dann ist es auch egal ob im Einzel oder Team?

Ja, ist beides super. Doppel oder Mixed würde ich auch nehmen. (lacht)

"Ich bin schon auch einfach ein Typ, der viel nachdenkt und habe damals oft gegrübelt, woran es denn liegt."

Es ist aber noch gar nicht so lange her, da warst du auf Platz 69 der Welt (März 2017). Seit der WM in Suzhou 2015 hattest du mit Verletzungen und vor allem deiner Form bei internationalen Turnieren zu kämpfen. Wie hast du diese Phase erlebt und wie hast du dich da wieder rausgekämpft?

Das war nicht immer einfach. Wenn man so viel in den Sport investiert und weiß, dass man in der Vergangenheit auch in der Rangliste schon relativ weit vorne war, ist das eine unbefriedigende Situation. In der Bundesliga war es ganz gut, aber international nicht, dann kamen noch Verletzungen dazu. Aber ich habe versucht, immer weiterzumachen und an ein paar Schräubchen zu drehen. Ein Schritt war zum Beispiel von Düsseldorf nach Saarbrücken zu gehen. Durch die Selbstständigkeit weiß ich jetzt noch besser, was ich im Training, Wettkampf und Alltag brauche.

Fängt man in so einer Phase dann an, alles in Frage zu stellen? Ist das dann auch Kopfsache?

Ja, ich bin schon auch einfach ein Typ, der viel nachdenkt und habe damals oft gegrübelt, woran es denn liegt. Grundsätzlich ist es wichtig, sich zu hinterfragen – unabhängig davon, ob es gut oder schlecht läuft. Das Wichtigste war für mich immer, dass ich verletzungsfrei bin. Das belastet mich am meisten – viel mehr als wenn ich schlecht spiele. Da sitzt du zu Hause und kannst nichts machen, weißt nicht genau, wie und wann es besser wird. Aber ich habe viel an meiner Athletik gearbeitet, hier in Saarbrücken vor allem mit meinem Athletiktrainer Marcel Wilbert. Ich weiß jetzt viel besser, wie mein Körper tickt und kann vor allem schon kleinere Verletzungen frühzeitig erkennen. Ich habe mittlerweile eine Routine für meinen Körper mit einem Aufwärmprogramm bis zu einer halben Stunde. Dann weiß jeder Teil des Körpers, was er zu tun hat. Das hat mir auch viel für den Kopf geholfen. Im mentalen Bereich habe ich mir aber auch Unterstützung geholt, vor allem vom DTTB-Psychologen Christian Zepp.

Du bist ja schon ein Familienmensch – welche Rolle spielt dein persönliches Umfeld für dich?

Eine große Rolle, aber es hängt alles zusammen. Man spielt besser, es geht einem dann besser, man ist entspannter im Alltag. Aber was mir wirklich geholfen hat, waren meine Freunde aus der Schule – mit denen ich mich so oft treffe oder die mal zum Spiel nach Saarbrücken kommen. Meine Eltern sind fast bei jedem Spiel dabei, meine Freundin Frida, mit der ich in Saarbrücken zusammenwohne, sowieso. Das hat mir unheimlich Kraft gegeben als es nicht so lief und jetzt ist es umso schöner mit denen zusammen zu sein, die mich immer unterstützen und unterstützt haben. Das war mir immer schon sehr viel Wert und ist so ein kleines Erfolgsgeheimnis.

Und im Trainings- und Wettkampfalltag?

Also was mir wirklich geholfen hat war eine richtige Periodisierung von Training und Wettkampf. Durch das neue Weltranglistensystem muss man mehr Turniere spielen. Dann trainiere ich einfach weniger, dafür aber konzentrierter, sodass es mein Körper aushält und ich ausgeruhter zu den Wettkämpfen fahre. Früher wollte ich immer mehr und mehr und mehr. Und das war dann vielleicht auch mal zu viel.

Wie würdest du deine Erfolgsfaktoren im Verhältnis einschätzen – also spielerisch, mental und körperlich? Was ist wie wichtig?

Das kann man pauschal nicht so sagen, es hängt auch einfach zusammen. Wenn ich weiß, dass der Körper hält und man ausgeruht ist, kann ich zum Beispiel gerade in längeren Rallyes Bälle mit höherer Qualität spielen und auch mit den Asiaten mithalten. Und dadurch bin ich auch im Kopf entspannter und weiß um meine Qualität auch in Situationen, in denen es nicht so läuft.

Gab es denn in den letzten Monaten dieses einen Moment, wo du dir gedacht hast: Jawohl, jetzt läuft es wieder´?

Ja, den gab es schon. Als ich Anfang des Jahres bei den Ungarn Open gegen Vladimir Samsonov gewonnen habe. Eigentlich ein Gegner, gegen den ich nie so richtig eine Chance hatte zuvor, dessen Spielanlage mir auch einfach nicht liegt. Der Sieg hat mir einen Schub gegeben und war wie ein kleiner Startschuss. Da habe ich gemerkt: „Patrick, du bist auf dem richtigen Weg. Mach weiter so.“

"Mir hilft auch das Motto 'Augen zu und durch'. Wenn ich mir zu viele 'Was passiert jetzt wenn'-Gedanken mache, blockiert das nur."

Und nach den erfolgreichen German Open folgte die Team-WM in Halmstad. Das entscheidende Match im Halbfinale gegen Südkorea hat auch gezeigt, wie stark, auch mental, Patrick Franziska wieder ist. Wie hast du dieses Match gegen Jeoung Youngsik geschaukelt – da ist dir sicher ordentlich die Düse gegangen?

Ja, aber sowas von. Ich glaube, ich war noch nie so nervös vor einem Spiel. Aber ich musste drei Tage vor dem Halbfinale wegen einer Oberschenkelzerrung pausieren. Als ich am Morgen des Halbfinals beim Training merkte, dass das Bein super ist, ist schon die erste Last abgefallen. Ich habe dann im ersten Match gegen Lee festgestellt, dass ich gut drauf bin. Und in der Box habe ich mich direkt wohl gefühlt und die Nervosität war fast weg. Eigentlich mag ich auch solche Situationen und hatte dann auch noch direkt einen super Start in das Match. Abgesehen davon habe ich auch Jeoung Youngsik angemerkt, dass er richtig nervös war.

Viele Amateurspieler fürchten den Entscheidungssatz – was ist dein Geheimrezept in solchen noch viel extremeren Drucksituationen?

Vor mir war ja das Spiel von Timo Boll gegen Lee, wo er schon Matchbälle gegen sich hatte. Ich versuche da immer gar nicht so hinzuschauen. Das Mitfiebern raubt mir Energie, deswegen habe ich mich in den Spielertunnel zurückgezogen und nur dem Applaus nach das Spiel mitverfolgt. Zudem hatte ich eine ganz klare Taktik vor Augen, das hilft mir persönlich auch immer sehr gut. Ja und am Ende schon auch das Motto „Augen zu und durch“. Wenn ich mir zu viele „Was passiert jetzt wenn“-Gedanken mache, blockiert das nur.

Und der Sieg entschädigt am Ende für die ganze Aufregung…

Auf jeden Fall! Solche Erfahrungen entschädigen für so gut wie alles, was man für den Sport in Kauf nimmt.

In Halmstad habt ihr dann im Finale gegen China verloren – du gegen Xu Xin, auf den du in diesem Jahr schon drei Mal getroffen bist, zuletzt bei den Australian Open. Wie ist dein Gefühl hinsichtlich des Abstandes zu den Top-Chinesen?

Ma Long, Fan Zhendong und Xu Xin in einer Mannschaft sind fast unmöglich zu schlagen in einem Teamwettbewerb – das weiß aber auch jeder. Wir haben auch bei der WM eine ordentliche Packung im Finale bekommen – man hat einfach so gut wie nie das Gefühl, dass sie mal wirklich wackeln. Man muss einfach fünf Sätze mindestens 100 Prozent spielen – und das ist schwer.

Ist das nicht frustrierend?

Auf der einen Seite schon ein bisschen auf der anderen Seite ist es aber auch ok. Wir haben immer noch das große Ziel vor Augen, sie zu schlagen. Auch wenn viele denken, dass das unmöglich ist. Für uns alle ist das eine große Motivation und wir wollen näherkommen. Wir sagen das schon lange, aber daran orientieren wir uns.

Bei der Individual-EM in Alicante Mitte September ist China nicht am Start. Aber du als Doppel-Titelverteidiger und im Einzel als die aktuelle Nr. 5 des Kontinents. Du gehörst schon zum Favoritenkreis, oder?

Ja, das ist schon Wahnsinn – aber so viel Gedanken habe ich mir da noch gar nicht gemacht über die EM. Ist zwar schön, dass ich der fünftbeste Europäer bin, aber es hilft mir auch nicht so richtig weiter. In Europa gibt es so viele gute Spieler, die vielleicht auch gar nicht so viele internationale Turniere spielen und in der Weltrangliste deswegen nicht so weit oben stehen. Mein bestes Ergebnis war bis jetzt im Einzel das Achtelfinale. Deswegen gehe ich da ganz klassisch von Spiel zu Spiel. Die erste Runde ist immer die schwierigste!

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg!

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