Kuala Lumpur. Der Traum vom ersten Medaillengewinn seit Moskau 2010 blieb zwar unerfüllt, doch Deutschlands Damen-Auswahl kann am Montag erhobenen Hauptes die Heimreise antreten. "Ich bin stolz auf meine Mannschaft", sagte Bundestrainerin Jie Schöpp, nachdem ihr Team bei den Weltmeisterschaften in Kuala Lumpur erst im Viertelfinale keinem Geringeren als dem Olympiazweiten Japan gratulieren musste. Zuvor hatte der Europameister am Mittwoch im letzten Vorrundenspiel den Favoriten aus Nippon besiegt und am Donnerstag im Achtelfinale mit einer erneuten Weltklasseleistung zudem Südkorea mit 3:0 düpiert.
Notlösung Pizza zwischen Viertel- und Achtelfinale
Die begeisternden Vorstellungen der DTTB-Damen am Vorabend gegen Japan und der klare 3:0-Erfolg über das starke Südkorea hatten die Hoffnungen der Deutschen auf einen möglichen Medaillengewinn kräftig genährt. Doch während Japan einen Tag Zeit besaß, sich Umstellungen zu überlegen, Videos vom Match zu analysieren und taktische Veränderungen zu besprechen, blieb der Schöpp-Truppe nach dem Südkoreamatch nicht einmal Zeit zu entspannter Stärkung im 20 Busminuten entfernten Hotel. Schöpp: "In einer kleinen, nicht sehr ruhigen Gaststätte nahe der Halle haben wir schnell eine Pizza gegessen, mehr Zeit blieb als Vorbereitung auf das Viertelfinale kaum übrig".
So kam es, wie es kommen musste: Zwar ahnte Schöpp die Umstellungstaktik Nippons genau voraus und reagierte mit einer entsprechenden Aufstellung, doch fehlte den DTTB-Damen das notwendige Quäntchen Glück. Sabine Winter trat, diesmal nicht an Position drei, im Auftaktmatch gegen Japans 15-jähriges Wunderkind Mima Ito an, das schnell mit 2:0 in Führung ging. Doch dann kam die DM-Zweite gegen die Weltranglisten-Zwölfte immer besser ins Spiel und verkürzte auf 1:2, ließ aber in Durchgang vier eine 10:7-Führung zum Satzausgleich durch. Ähnliche Verläufe nahmen die Matches von Petrissa Solja gegen Kasumi Ishikawa und das Duell von Kristin Silbereisen mit Ai Fukahara. Beide gerieten 0:2 ins Hintertreffen, bevor mit dem gewonnen dritten Durchgang noch einmal etwas Hoffnung aufkeimte, die jedoch nur einen Satz anhielt.
Solja: "Die Medaille holen wir uns beim nächsten Mal"
Gefasst, aber auch traurig kommentierte die Berlinerin Petrissa Solja das Aus: "Ich bin schon sehr enttäuscht, dass es wieder nicht mit einer Medaille geklappt hat. Schließlich haben wir schon 2014 in Tokio gegen Hongkong verloren. Wir hatten uns natürlich etwas ausgerechnet, vor allem nach dem gestrigen Sieg. Wir wussten jedoch auch, dass es heute viel schwerer wird, aber wir hatten in allen Spielen unsere Chancen." Solja weiter: "Ich war etwas müde und etwas weniger frisch im Kopf als bei den letzten Spielen, habe mich nicht so wohl gefühlt am Tisch. Das nutzen solche Weltklassespielerinnen wie die Japanerinnen sofort aus." Ihr Gesamtfazit fällt jedoch positiv aus: "Wir haben eine tolle WM gespielt und es hat ungemein viel Spaß mit den Mädels gemacht. Wir können schon zufrieden mit der Leistung sein, aber wir wollten eben unbedingt eine Medaille. Dann müssen wir uns die eben beim nächsten Mal holen."
Sabine Winter (Kolbermoor) analysierte ihr Match gegen die German-Open-Gewinnerin von 2015, Mima Ito. "Ich bin nach zwei Sätzen immer besser ins Spiel gekommen. Bei 10:7 im vierten hatte ich nach einen guten Ball liegen, die beiden anderen gingen relativ schnell weg." Winter ist sich sicher: Wenn die Partie in den fünften Satz geht, wird es noch einmal interessant. Wäre mir gleich dieses Break im ersten Spiel gelungen, dann wären die Japaner ganz anders unter Druck geraten. Aber das habe ich leider nicht."
Winters Vereinskollegin Kristin Silbereisen hatte bei 0:2 die undankbare Aufgabe, gegen die durch die Führung wesentlich befreiter aufspielende Weltranglisten-Vierte Ai Fukuhara an den Tisch zu müssen. Sie gratulierte den Siegern: „Die Japaner waren heute einfach besser als gestern. Sie haben sich sehr konsequent auf uns vorbereitet, das hat man deutlich gemerkt. Und zweimal innerhalb von 24 Stunden die zweitbeste Mannschaft der Welt zu schlagen, ist ganz schön schwer.“ Eine Kritik am Zeitplan brannte der 30-jährigen aber auf der Zunge: „Wie kann es sein, dass die Herren teilweise nach einem Achtelfinalmatch eineinhalb Tage Pause haben, während wir gestern bis 23 Uhr gespielt haben, heute dann erneut von 13 Uhr bis 15.30 Uhr und dann schon wieder um 19:30 Uhr fertig vorbereitet zum Viertelfinale am Tisch stehen müssen? Das Turnier geht noch bis Sonntag, und wir müssen heute Achtel- und Viertelfinale in acht Stunden spielen. Das ist absurd.“
Kaum Erholung zwischen Achtel- und Viertelfinale
Während die deutsche Mannschaft sich medaillenreif präsentierte, die Rahmenbedingungen der Weltmeisterschaften in Kuala Lumpur sind es in vielerlei Hinsicht nicht. Silbereisens Kritik ist berechtigt. Nicht viel besser erging es übrigens Holland, das vor dem Duell mit China eine Dreieinhalbstundenpartie gegen Österreich absolvieren musste und nur wenig später gegen China im Viertelfinale anzutreten hatte. Die beiden anderen Viertelfinalbegegnungen der Damen finden dagegen erst am Freitag statt.
Mehr als die Niederlage im zweiten Duell gegen Japan ärgerte es Bundestrainerin Jie Schöpp, dass der Zeitplan dem Team keine Chance gab, sich gezielt auf eines der wichtigsten Matches im ganzen Jahr vorzubereiten: "Nach unserem Spiel war nicht einmal mehr Zeit, mit der Mannschaft in Ruhe in das Hotel zu fahren, zu essen, von einem emotionalen Achtelfinale wieder runter zu fahren und den Kopf frei für ein Match um eine WM-Medaille zu bekommen." Schöpp ergänzte: "Es ist einfach ärgerlich, wenn man das ganze Jahr professionell arbeitet und dann beim wichtigsten Turnier der Welt keine optimalen Bedingungen vorfindet. Wir wissen nicht, ob uns eine optimale Vorbereitung und eine Nacht mehr Ruhe geholfen hätte: Allerdings entscheiden in solch einem Match zweier nahezu gleichwertiger Gegner oft nur ein, zwei Bälle über den Erfolg. Eine sportliche Niederlage kann ich jederzeit akzeptieren, solch ungleiche, unprofessionelle Planung mit einem Mannschafts-Achtel- und Viertelfinale innerhalb weniger Stunden aber nicht."
Jie Schöpp: "Ich bin wirklich sehr stolz auf mein Team"
So kritikwürdig die Rahmenbedingungen, so hochzufrieden waren die gewiefte Taktikerin Schöpp und ihr Co-Trainer Wan Guohui mit der Leistung ihrer Spielerinnen. Drei von ihnen - Talent Nina Mittelham, Spitzenspielerin Petrissa Solja und Sabine Winter - sind erst 19, 21 und 23 alt und bildeten in Kuala Lumpur gemeinsam mit den routinierten Leistungsträgerinnen Irene Ivancan (32) und Kristin Silbereisen (30) eine verschworene Gemeinschaft mit echtem Teamspirit. Schöpp: "Das Viertelfinale zu erreichen und bei diesem Turnier den WM-Zweiten Japan sowie das starke Südkorea zu schlagen, das ist eine Riesenleistung. Es freut mich ganz besonders, dass bei allen, die hier im Aufgebot standen, eine Entwicklung sichtbar ist. Ich bin wirklich sehr stolz auf meine Mannschaft, die Perspektive hat."
Sportdirektor Richard Prause war ebenfalls voll des Lobes: "Wir haben in Kuala Lumpur eine Damen-Mannschaft gesehen, die begeisternd gespielt hat. Diese gute Leistung wird durch die Niederlage im zweiten Spiel gegen Japan, immerhin das zweitstärkste Team der Welt, um keinen Deut geschmälert.Das Erreichen des Viertelfinales ist eine sehr gute Leistung mit zwei dicken Ausrufezeichen, den Siegen über Japan und Südkorea."
Deutsche Herren am Freitag um die Plätze 13 bis 20, kein Live-Streaming
Nun sind Deutschlands Herren wieder am Zug. Für sie geht es am Freitag ab 12:30 Uhr deutscher Zeit um die Plätze 13 bis 20. Im Viertelfinale ist Italien ihr Gegner, das in Runde eins des K.-o.-Feldes Weißrussland ohne Spitzenspieler Vladimir Samsonov mit 3:0 besiegen konnte. Die Partie an Tisch zwölf wird nicht im Live-Streaming gezeigt.
Viertelfinale
Deutschland - Japan 0:3
Sabine Winter - Mima Ito 1:3 (-3,-7,7,-10)
Petrissa Solja - Kasumi Ishikawa 1:3 (-7,-9,9,-7)
Kristin Silbereisen - Ai Fukuhara 1:3 (-6,-5,6,-8)
Aufstellung und Ergebnis von Mittwoch, letztes Vorrundenspiel:
Deutschland - Japan 3:2
Kristin Silbereisen - Kasumi Ishikawa 0:3 (-4,-5,-5)
Petrissa Solja - Ai Fukuhara 3:0 (10,3,9)
Sabine Winter - Mima Ito 1:3 (-10,10,-7,-5)
Solja - Ishikawa 3:2 (-9,5,11,-8,7)
Silbereisen - Fukuhara 3:1 (6,9,-7,10)
Damen-Mannschaft, Viertelfinale
China - Niederlande 3:0
Hongkong - Taiwan
Singapur - Nordkorea
Deutschland - Japan 0:3
Halbfinale
Japan - Singapur/Nordkorea
China/Niederlande - Hongkong/Taiwan
Konnte drei Satzbälle bei 10:7 in Durchgang 4 nicht nutzen: Sabine Winter (Foto: ms)
Herren-Achtelfinale
Kroatien - Schweden 0:3
Nordkorea - Portugal 0:3
Österreich - Hongkong 1:3
Polen - England 2:3
Viertelfinale
China - Schweden
Südkorea - Portugal
Japan - Hongkong
Frankreich - England
Spiele um die Ränge 13-24, Achtelfinale Donnerstag
Malaysia - Taiwan 0:3
Weißrussland - Italien 0:3
Singapur - Dänemark 1:3
Rumänien - Griechenland 3:2
Spiele um die Ränge 13-20 am Freitag
Deutschland - Italien, 12:30 Uhr deutscher Zeit
Ukraine - Taiwan
Russland - Dänemark
Tschechien - Rumänien