Frankfurt/Main. Ob Tischtennis mit dem Plastikball oder mit klassischem Zelluloid gespielt – es wird dadurch keine völlig andere Sportart. Die Spieleigenschaften sind beim schnellsten Rückschlagspiel der Welt ohnehin nie komplett gleich, weil die wichtigen Komponenten - neben den Bällen bzw. Ballmarken auch Halle, Tische, Boden, Licht etc. - praktisch ständig andere sind, von Verein zu Verein, von Meisterschaft zu Meisterschaft. Wichtig dabei ist: Alle Beteiligten in einem Match spielen immer unter denselben Bedingungen.
Bundestrainer Jörg Roßkopf hatte schon kurz nach der Einführung des Plastikballs durch den Weltverband ITTF treffend bemerkt: „Wie bei allen bisherigen Veränderungen in unserem Sport wird es wieder so sein: Am Ende gewinnt der Bessere.“ Die Weltrangliste etwa hat der Plastikball nicht komplett auf den Kopf gestellt. Es ist ein neuer Werkstoff, aber keine Revolution in unserem Sport.
Zelluloid – kein Stoff mit Zukunft bei wachsendem weltweiten Umweltbewusstsein
Die ITTF hat den Plastikball damals aus ganz praktischen Erwägungen eingeführt: Zelluloid ist ein leicht entflammbarer Stoff, dessen Produktion sowohl Umwelt- als auch Gesundheitsgefahren birgt und dadurch Probleme bereitet. In vielen Ländern wurde auf die Zelluloidproduktion aus Gründen der Sicherheit schon längere Zeit verzichtet. Plastikbälle sind sicherer herzustellen und leichter zu transportieren.
„Die Einführung des Plastikballs ist eine Notwendigkeit. Fakt ist, dass die Produktion von Zelluloidplatten sinkt, aus denen die traditionellen Zelluloidbälle hergestellt werden, und sie irgendwann gar nicht mehr verfügbar sein werden“, hatte der damalige Weltverbandspräsident Adham Sharara erklärt. Ab diesem Zeitpunkt könnten keine Zelluloidbälle mehr produziert werden. Bis dahin überlässt es die ITTF dem Markt, welche Bälle produziert bzw. gekauft werden. Für den Spielbetrieb auf Weltverbandsebene wurde verbindlich Plastik vorgeschrieben, die Nationalverbände durften jeder für sich entscheiden, wie sie verfahren.
Plastikball: Warum nicht schon flächendeckend seit 2014?
Der DTTB und seine Mitgliedsverbände haben bei ihrer damaligen Entscheidung, nicht sofort auch bundesweit auf Plastik umzusteigen, zwei wichtige Faktoren berücksichtigt:
Ursprünglicher Plan vor dem Bundestag: Plastikball bundesweit ab Juli 2017
Im Rahmen des LIEBHERR Men’s World Cup in Saarbrücken hat es ein Gespräch zur aktuellen Lage zwischen DTTB und Vertretern der großen Tischtennisfirmen gegeben. Der DTTB wurde darauf hingewiesen, dass die Versorgung mit Zelluloidbällen in Deutschland durch die Firmen mittelfristig nicht mehr gewährleistet werden könne, da in der weltweiten Produktion der Plastikball vorherrsche. Um seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Vereinen bundesweit nachzukommen, hat das DTTB-Präsidium den Antrag an den Bundestag gestellt, den Plastikball in allen Spielklassen verbindlich ab Beginn der Saison 2017/18 vorzuschreiben.
Ein halbes Jahr, selbst anderthalb Jahre zu kurz für die Umstellung
Wie die Diskussion vor dem Bundestag und während der Vollversammlung gezeigt hat, haben die 20 Landesverbände in ihrer Mehrheit zu große Härten für ihre Vereine befürchtet, wenn die komplette Umstellung innerhalb eines halben Jahres hätte vollzogen werden müssen. Ein weiterer Aspekt ist, dass es die Ballfarbe matt-orange selbst jetzt noch nur bei den Zelluloidprodukten gibt und noch nicht in der Plastikballvariante.
„Unseren Antrag mit der Frist zur Saison 2017/18 hatten wir als DTTB-Präsidium aus Überzeugung eingereicht. Die Signale darauf von der Basis und den Verbänden waren aber sehr unterschiedlich“, sagt DTTB-Präsident Michael Geiger und erklärt die Diskussionslage während des Bundestags. „Es stand auch die Frage im Raum, ob man – nachdem der 1. Juli 2017 von der breiten Mehrheit kategorisch abgelehnt wurde – zum 1. Juli 2018 verpflichtend umstellt. Hier wäre die für die Änderung erforderliche Mindestzahl von acht zustimmenden Landesverbänden nicht erreicht worden.“ Es sei den Verbänden um den Bestandsschutz gegangen, damit die bei Vereinen noch vorhandenen Bälle auch komplett aufgebraucht werden können.
Regional- und Oberligen ab 1. Juli 2017 nur noch mit dem Plastikball
Immerhin: In den Regional- und Oberligen – und damit dann in allen Klassen unter DTTB-Hoheit – ist Plastik ab dem 1. Juli 2017 Pflicht. Für die 1. bis 3. Bundesligen der Damen und Herren hatte dies zuvor bereits gegolten.
Den Vereinen in den tieferen Klassen gibt Präsident Geiger zu bedenken: „Auch wenn der Plastikball erst Mitte 2019 Pflicht ist, sind die Tischtennisfirmen nicht gezwungen, bis dahin Zelluloidbälle anzubieten. Es kann also sein, dass es schon vor der Saison 2019/20 keine Zelluloidbälle mehr in den Shops gibt.“ So hat etwa DTTB-Textilausrüster Butterfly schon jetzt nur noch Plastikbälle im Angebot.
Weiterhin Skepsis nach Qualitätsmängeln zu Beginn / Ende der leidigen Materialfrage in Sicht
Der Zeitpunkt Juli 2019 war der Kompromiss, auf den sich der Bundestag verständigt hat. So sollte allen Vereinen mehr als genug Zeit bleiben, bestehende Zelluloidberge abzubauen und sich mit dem neuen Material anzufreunden. Nach ersten Fehlversuchen zu Beginn der Plastik-„Ära“ mit Plastikbällen geringerer Qualität und Haltbarkeit ist die Skepsis bei einigen Spielerinnen und Spielern an der Basis weiterhin vorhanden. „Sie werden sich im Laufe der kommenden Spielzeiten mit Sicherheit noch von der neuen Qualität des Plastikballs überzeugen können“, ist Michael Geiger sicher. „Bald erübrigt sich endlich die leidige Frage vor jedem Punktspiel, ob als nächstes mit Plastik oder Zelluloid gespielt wird.“