Billerbeck. Sieben Nachwuchs-Teams von der B-Schülerinnen-Kreisklasse bis Jungen-Bezirksliga und fünf Erwachsenenmannschaften, dabei eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Mädchen und Damen. Das ist der DJK-VfL Billerbeck heute. „Seit 2016 haben wir diese Quantität der Mannschaften auf diesem Niveau“, sagt Abteilungsleiter Hermann Schulze Brock. Zuvor hatte sich auch bei den Münsterländern ein bei leider vielen Vereinen übliches Bild geboten: Der Nachwuchs blieb aus, Mädchen-Mannschaften gab es nicht, die Herren-Mannschaften drohten zu überaltern, jüngere Spieler verlassen den Verein in der bäuerlich geprägten Region regelmäßig nach ihrem Schulabschluss und wandern für Ausbildung oder Studium bzw. Jobsuche in größere Städte ab.
Dabei war Schulze Brocks Verein nicht untätig gewesen. Einzelne Veranstaltungen hatten er und sein Team zuvor schon häufiger durchgeführt, Schaukämpfe, Kreismeisterschaften, Westdeutsche Jugend-Meisterschaften – „dadurch konnten wir aber keine Mitglieder an uns binden“, so der 61-Jährige. Es habe die Strategie fehlt. Die hat der Verein inzwischen, und der Plan geht jedes Jahr auf.
Schnuppermobil, Schnuppertraining, mini-Meisterschaften
Seit 2014 betreiben die Billerbecker gezielt regelmäßig Nachwuchsgewinnung. Außerdem gilt, so erklärt Schulze Brock: „Wir setzen auf die Mädchen, dann kommen die Jungen von ganz alleine.“ Folgender Ablauf hat sich inzwischen eingespielt:
Im Oktober besuchen zunächst Vereinsvertreter zusammen mit dem DTTB-Schnuppermobil die vierten Klassen der örtlichen Grundschule. „Das Schnuppermobil ist der Türöffner. Dann beginnt unser Sportjahr von Neuem“, sagt der Abteilungsleiter. Die vierten Klassen haben sich die Billerbecker gezielt ausgesucht. Für jüngere Kinder sei die Sportart oft noch zu kompliziert. Die Schülerinnen und Schüler seien zu Beginn eher frustriert als begeistert. Ältere Kinder, in den fünften und sechsten Klassen, hätten sich häufig schon an andere Sportarten gebunden und dauerhaft keine Zeit für weitere Sporttermine.
Nach dem Besuch des Schnuppermobils gibt es für alle interessierten Kinder ein Anschlussangebot. „An den Samstagen bieten wir Schnuppertraining für Mädchen und Jungen getrennt voneinander an“, erzählt Schulze Brock. Von zehn bis elf Uhr sind die Jungen dran, von elf bis zwölf die Mädchen. Der Tag ist bewusst gewählt. In der Woche sind die Kinder in der Regel verplant durch Schule, Schularbeiten und diverse Freizeitaktivitäten. Am Samstag wiederum kann der Verein die Eltern etwas entlasten, was diese dankbar annehmen. Die Kinder sind in der Trainingsstunde gut aufgehoben, die Eltern können in der Halle bleiben oder zum Beispiel den Wochenendeinkauf erledigen. Das Schnuppertraining ist attraktiv gestaltet. Alle Billerbecker Vereinsmitglieder, Erwachsene und Kinder, sind eingeplant, müssen mindestens zweimal im Jahr als Einspielpartner zur Verfügung stehen.
Wichtig: „Kein Kind darf vor verschlossener Halle stehen“
Deren Unterstützung für die Trainer ist absolut notwendig „Viele Kinder brauchen am Anfang eine Einzelbetreuung. Einer alleine kann nicht 20 Kinder betreuen, die vorher noch nie einen Schläger in der Hand hatten“, erklärt der Abteilungsleiter. „Wer am Ball bleibt, kann im Januar am Ortsentscheid der mini-Meisterschaften teilnehmen und dann entscheiden, ob er bereit ist für den Mannschaftsspielbetrieb.“ Mit ein bisschen Training gibt es beim Ortsentscheid für viele gleich einen kleinen Erfolg; Urkunden und Medaillen. Das motiviert für weitere Trainingsbesuche.
Für die Entscheidung über die Teilnahme am Mannschaftsspielbetrieb lassen Trainer und Vorstand den Kindern und deren Eltern Zeit. „Früher haben wir zu früh Mannschaften angemeldet. Inzwischen forcieren wir das nicht mehr“, beschreibt Vereinschef Schulze Brock. „Die Verbindlichkeit im Mannschaftssport muss da sein auch trotz Opas Geburtstag. Das müssen auch die Eltern der Kinder mittragen.“ Die Eltern müssen von Anfang an vom Verein mit umworben werden und ein gutes Gefühl haben. Das Wichtigste überhaupt: „Kein Kind darf vor verschlossener Halle stehen, wenn Training angesetzt ist! Für die Eltern ist wichtig, dass sich jemand zuverlässig um die Kinder kümmert.“ Fällt ein Trainer kurzfristig aus, springt ein anderes Vereinsmitglied ein. Die Kommunikation muss stimmen.
Pubertät: Der Null-Bock-Phase richtig begegnen
Der nächsten Herausforderung, der der Verein begegnen muss, ist die Pubertät. Die Null-Bock-Phase beginnt, und die Gefahr ist groß, dass die Heranwachsenden den Schläger dann an den Nagel hängen. Was die Münsterländer dagegen tun? Die Kinder müssen zu diesem Zeitpunkt ein gutes Leistungsniveau haben. „Wenn sie nichts können und noch nie irgendeine Art von Erfolg hatten, ist die Schwelle aufzuhören niedrig“, weiß das Team um Schulze Brock.
Training bietet der Verein dienstags, donnerstags, freitags und eben an den Samstagen ab. Besonderer Anreiz ist das Leistungstraining, das ein Oberligaspieler donnerstags gibt. Die Teilnahme an diesem Training müsse man sich verdienen. Es sei eine Belohnung, auf diesem Niveau trainieren zu dürfen. Etwas schwierig sei manchmal, den Besten den Leistungsgedanken zu vermitteln und dabei die weniger Guten nicht auszugrenzen oder zu überfordern. Auch im Trainerteam seien die Ansichten über die Inhalte leistungsbezogenen Sports auf der einen und eher breitensportlichen Ansprüchen auf der anderen Seite teilweise unterschiedlich. „Wir wollen auch leistungsbezogenes Training anbieten, aber unser Ziel ist es nicht, Nationalspieler herauszubringen“, stellt Hermann Schulze Brock klar. Das eigentliche Ziel: ein stabiler Verein sein, der für alle Kinder attraktiv ist. Seit 2016 funktioniert das gut.
Klubraum für Aktivitäten jenseits des Tischtennissports
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der gesellschaftliche Teil des Vereinslebens in Billerbeck. Mit Hilfe der Stadt hat die Tischtennis-Abteilung einen Klub-Raum mit kleiner Cafeteria gefunden, der auch der örtlichen Freilichtbühne zur Verfügung steht. Dorthin kann man die Eltern zu Kaffee und Kuchen einladen, Spiele- oder gemeinsame Fernsehabende veranstalten, Versammlungen abhalten.
Ehrenamtliche: „Jeder braucht mal eine Auszeit“
Schulze Brock spricht aber auch offen darüber, dass nicht alles rund läuft. Gerade in der heutigen Zeit, in der viele Ehrenamtler auch beruflich stark eingespannt sind, brauche jeder mal eine Auszeit, sagt der Vorsitzende. Der Verein wiederum muss die Augen und Ohren offen halten. „Man muss mit allen Leuten regelmäßig sprechen. Ihnen sagen, wenn es nötig ist: ‚Nimm dich mal raus, mach vier Wochen Pause!‘“ Außerdem dürfe man das Loben nicht vergessen. Auf diese Weise, sagt Schulze Brock, habe sein Verein noch keinen Engagierten verloren, auch wenn jemand mal „ein Break gebraucht“ habe.
„Viele wollen eine Kleinigkeit tun, haben aber Angst, dass es zu viel werden könnte“, erklärt er. „Es ist und bleibt ein Ehrenamt. Wenn jemand es eine Zeitlang ausgefüllt hat, muss der Verein dafür dankbar sein. Man darf niemals beleidigt sein und muss immer freundlich bleiben.“ Hermann Schulze Brock ist der Abteilungsleiter, die Verantwortung ist aber auf sieben Schultern verteilt.
Im Jugendausschuss ans Ehrenamt heranführen
Um niemanden zu überfordern und um gleichzeitig den Spielbetrieb zu sichern, hat der Verein für alle Nachwuchs-Teams je einen Paten eingesetzt. Er kümmert sich um seine Mannschaft, um die Aufstellung, Ersatzfindung, um das Einteilen des Fahrdiensts zu Auswärtspartien. Der Pate ist keineswegs der alleinige Macher. Er ist eher der Chef-Organisator. „So ist der Aufwand für den Paten überschaubar. Wenn eine Mannschaft gut funktioniert, ist das auch für jemanden leistbar, der eigentlich nicht so viel Zeit hat“, so Schulze Brock. „Seit wir das Paten-Modell haben, hat sich bei uns eine Menge entspannt. Früher waren die Absagen viel häufiger. Jetzt sind die Spiele besser organisiert, und viele Kinder kommen gar nicht mehr auf die Idee, kurzfristig oder gar nicht abzusagen. Sie wollen ihren Team-Paten nicht enttäuschen.“
Auch die Jüngsten engagieren sich bereits im Verein, wachsen quasi ins Ehrenamt hinein. Ein Mädchen und ein Junge werden in den Jugendausschuss gewählt. Die beiden können dem Vorstand Probleme auf dem kleinen Dienstweg mitteilen, den Co-Trainer mitorganisieren, die Trikot-Auswahl für die Jugendmannschaften übernehmen. „Wenn man den Jugendlichen kleine Aufgaben überträgt, machen sie das mit einem super Verantwortungsgefühl. Es sind nur Kleinigkeiten, aber sie spüren, dass sie gehört werden, Verantwortung haben und etwas bewegen können. Es ist einfach positiv, wenn man kleine Erfolge bei Dingen hat, die man selbst angeleiert hat“, erzählt der Vorsitzende.
Engagierte, bezahlbare Trainer sind rar
Die ältesten Mädchen und Jungen absolvieren jetzt STARTTER-Lehrgänge in ihrem Landesverband, dem WTTV, das ist der Einstieg ins Trainer-Dasein. „Wir müssen unsere Übungsleiter selbst generieren“, weiß Schulze Brock, der auch einige Eltern motivieren konnte, Trainingsgruppen zu übernommen. Der Klub liegt eine halbe Autostunde von Münster, der größten Stadt und Zentrum der Region, entfernt. Engagierte Trainer, die die Anfahrt von dort auf sich nehmen wollen und bezahlbar sind, sind rar. Dafür reicht der Vereinsbeitrag auf Dauer nicht aus, zumal auch teure Fahrten für landesweite Ranglistenturniere und Meisterschaften inklusive qualifizierter Betreuung durch den Verein finanziert werden. „Unsere Kinder wären die einzigen, die ohne Trainer da sein würden. Wir sind es den Kinder schuldig, sie dort gut zu betreuen. Schließlich haben sie sich das erarbeitet.“
Das Geld ist auch in Billerbeck knapp. Im 11.000-Einwohner-Ort ist die Konkurrenz bei den Sponsoren durch andere Abteilungen groß, vor allem aus dem Fußball. Der Gesamtverein hat einen Pool von Sponsoren, für alle Abteilungen reicht das auf diese Weise gewonnene Geld aber nicht aus. Die Tischtennis-Leute reagieren auf knappe Kassen mit offensiver Pressearbeit. Jeder im Ort weiß: Beim Tischtennis wird immer etwas Gutes gemacht! Und so kam es auch, dass die örtliche Sparkassen-Stiftung die Abteilung vor zwei Jahren mit 1.000 Euro unterstützt hat.
„Alles hängt am seidenen Faden“
Auch wenn für den Leser nun nahezu alles rosarot beim DJK-VfL Billerbeck klingt: Hermann Schule Brock weiß, „dass alles am seidenen Faden hängt. Es ist alles zerbrechlich.“ Seit zwölf Jahren ist er Abteilungsleiter, hat erlebt, dass der Verein am Boden gelegen hat und nun wieder prosperiert. „Uns fehlen zwei Generationen von Spielerinnen und Spielern. Wir haben einen riesen Nachholbedarf.“ Die Mitglieder wissen, dass viele Jugendliche in andere Städte abwandern, wenn sie den Schulabschluss in der Tasche haben und auf Jobsuche gehen. „So brauchen wir jedes Jahr rund fünf bis sechs Kinder, die nachkommen und dem Verein treu bleiben.“
Das schönste Kompliment für die Billerbecker: Der Spitzenspieler der ersten Herren-Mannschaft hat in Köln studiert. Einen Verein hätte er dort locker gefunden, ist aber trotzdem dem DJK-VfL Billerbeck treu geblieben und am Wochenende gependelt. „Das ist ein stilles Dankeschön. Das ist das Lob, das man als Engagierter zurückbekommt“, sagt Hermann Schulze Brock.
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Gruppenfoto, Besetzung: