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Letzte Liebesgrüße aus Moskau: Die Limo wartet auf die deutschen Damen (Foto: MS)

Abschied von der WM: Die letzte Nacht in Moskau ist eine deutsche

SH 31.05.2010

Moskau. Der Abschlussabend des deutschen Teams bei der WM in Moskau hatte alles, was zu einem solchen Anlass gehört: Kulinarisches, kabarettistische Einlagen, besinnliche Augenblicke, Partylaune - und mondäne Momente. Denn Jörg Bitzigeio stand zu seinem Versprechen an sein Damen-Team, zum Medaillengewinn die rosafarbene Stretch-Limousine zu mieten. Ein Abend "so cool, cool, cool".

Zum gemeinsamen Abendessen geht es ins chinesische Restaurant des Spielerhotels „Kosmos“. Ein asiatisches Büffet gibt es für den kleinen Kreis von Spielern, Trainern, medizinischer Abteilung, den beiden deutschen Schiedsrichtern und den verbliebenen DTTB-Offiziellen. Wie ein eingespieltes Kabarett-Duo lassen DTTB-Präsident Thomas Weikert und Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig nach dem Essen die WM Revue passieren und gratulieren noch einmal zum Gewinn von Silber- und Bronzemedaille

Das Ende dieser 50. Mannschaftsweltmeisterschaften bedeutet nicht nur den Abschied von Moskau. Es ist auch der Abschied von zwei Leistungsträgern im deutschen Betreuerteam. Dr. Thorsten Weidig, der Sportpsychologe, der dem DTTB seit der EM 2007 zur Seite gestanden hatte, wechselt zum Fußball und wird ab Sommer für den Hamburger Sportverein tätig sein. Neben ihm verlässt einer der besten Trainer der Welt die zweitbeste Herrenmanschaft dieser WM. Richard Prause scheidet Ende Juli nach zwölf Jahren auf eigenen Wunsch aus dem Trainerteam des DTTB aus und wird Chefcoach der Werner-Schlager-Academy in Österreich.

Seine Verabschiedung ist der Moment der feuchten Augen an diesem Abend. Für ihn selbst, seine Trainerkollegen und seine Herrenmannschaft. „Ich erinnere mich noch genau an unser erstes gemeinsames Turnier“, erzählt Dirk Schimmelpfennig. „Du hast vor Spielbeginn gleich dreimal kontrolliert, ob die Kamera auch wirklich eingeschaltet ist.“ „Dann hat sich ja bis heute nichts geändert“, ruft Bastian Steger. Die offizielle Verabschiedung Prauses wird beim Men’s World Cup in Magdeburg Ende Oktober folgen. Seine Spieler und die medizinische Abteilung schenken dem ehemaligen Nationalspieler jetzt schon mal ein Wochenende im „Bayerischen Hof“ in München für sich und seine Frau Susanne mit Abendessen in einem Sterne-Restaurant. „Seine Jungs“ kennen ihn gut, wissen, was ihren langjährigen Chef mit München und dem Luxushotel verbindet: die eigene Hochzeit. Der Trainerfuchs und akribische Arbeiter geht. Alle hoffen, dass es, wie besungen, niemals so ganz ist.

Herren singen Karaoke, Damen lassen sich chauffieren

Um Mitternacht trennen sich die Wege von Damen und Herren. Denn da wartet die versprochene Fahrt in der Stretch-Limousine. Kaum zu glauben, aber Damen-Bundestrainer Jörg Bitzigeio hatte Glück, dass er das rosafarbene Modell mit dem Auspuff in Herzform überhaupt noch vor der Abreise am Montagmorgen bekommen konnte. Bis zum Abend war es am Sonntag komplett ausgebucht. Ab zwölf Uhr gab es noch zwei freie Stunden für ihn und Trainerkollegin Eva Jeler, das Spielerinnen-Quartett und Physiotherapeutin Annette Zischka.

Diese beiden Stunden hätten alle Beteiligten auch ausschließlich mit dem Foto-Shooting verbringen können. Vor der Limo, daneben und vor allem im Innenraum. „Damit jeden Tag zum Aldi, das wär' doch was.“ „Das ist Wahnsinn“, sagt Mädchen-Bundestrainerin und Nachwuchskoordinatorin Eva Jeler nicht nur einmal. Und: „Meine Tochter darf das hier niemals erfahren. Sie ist sehr ökologisch eingestellt und kritisiert zu Recht solche Benzinschleudern. Aber einmal im Leben muss man so etwas mal gemacht haben.“

„Einfach nur Porno“

„Einfach nur Porno“, befindet Kristin Silbereisen. Und entsprechend der „Porno-Limo“, wie sie alle nennen, nimmt der einzige Mann im Wagen, Jörg Bitzigeio, auf dem Sitz direkt hinter dem Fahrer Platz. „Die Position von Porno-Kalle“, nennt er das. Alle Damen immer gut im Blick und nah beim Fahrer, um Anweisungen zu geben. Wenn der Chauffeur nur nicht ausschließlich Russisch spräche.

Während die deutschen Männer ihre Silbermedaille mit Karaoke feiern, geht es für die Bronze-Ladies mit Tempo 40 durch die Moskauer Nacht. Mehr ist nicht drin, wenn der XXL-Wagen heil bleiben soll. Die Richtung: Roter Platz. Nach sieben Minuten ist der Knopf mit der Aufschrift „Moon“ ausprobiert. Schon hält die erste Dame den Kopf aus der Limousine. Dem Chauffeur ist das während der Fahrt zu gewagt, jedes Mal bremst er ab, versucht das Dach wieder zu schließen. Offenbar ist er eher liegende Fahrgäste gewöhnt.

Was fehlt: Minibar und ein Besuch im Bolschoi

„Dawei, dawei, dawei“, ruft Elke Schall einer Gruppe von Männern am Straßenrand zu. „Gib, gib, gib, heißt das wörtlich“, übersetzt Eva Jeler. Die Männer lachen, winken freundlich zurück. Bis auf Elke können sie niemanden sehen. Die Scheiben sind blickdicht abgetönt. „Hier drin gibt es doch bestimmt eine Minibar. Nur raffen wir’s nicht“, glaubt Elke. Wo genug Platz für so viele Frauen und deren Beine ist, muss es doch noch ein bisschen mehr geben. Aber bis zum Ende der Fahrt bleiben Getränke in diesem Auto verborgen.

„Schade, dass der Fahrer kein Englisch kann“, sagen die Damen, „sonst hätte er uns ein bisschen was über die Stadt erzählen können.“ „Das war ja mal gar nix, Bitzi“, ergänzt der Bundestrainer an sich selbst gerichtet. Es geht aber auch so ganz gut. Eva Jeler übernimmt die Funktion der Reiseleiterin. Sie erklärt, wie Normalverdiener in einer der teuersten Städte der Welt überleben können, warum Russen kyrillische Schriftzeichen verwenden und man unbedingt ins Bolschoi-Theater gehen muss, wenn man schon einmal in Moskau ist.

Band „Basta“ gratuliert: so cool, cool, cool

Daneben geht es in der Stretch-Limousine noch ein bisschen um Tischtennis. Ein wenig um die vergangenen Spiele und um die Taktik gegen einzelne Kontrahentinnen. Und darum, wo die anderen Nationen im Ranking gelandet sind. Wo die gelandet sind, die nicht auf dem Podium neben Deutschlands Damen standen.

Es ist aber auch ein Rückblick auf die bisherigen „Liebe(s)grüße aus Moskau“. „Das Schaf war definitiv ein guter Glücksbringer“, sagt Sabine Winter über das Maskottchen, das ihr Bruder Ben mitgegeben hatte. „Und den Traffic-Rush-Vergleich habe ich ganz locker gewonnen.“ Das zweithäufigste Spiel nach Tischtennis der Wohngemeinschaft Silbereisen/Winter entschied die 17-Jährige mit 972 zu 450 Punkten für sich.

Kristin Silbereisen berichtet von der Rückmeldung der Prominenz. „Basta“ haben über das DTTB-Quartett auf ihrer Website geschrieben, die deutsche A-Cappella-Band, deren Song „Cool“ die Damen während der WM fast ständig im Ohr hatten und nach ihrem Viertelfinalsieg gegen Hongkong in die Kameras sangen. "Sie haben uns Glück gewünscht fürs Halbfinale und zur Medaille gratuliert." Und die Band kündigt an: "Für die nächste Weltmeisterschaft schreiben wir dann extra ein WM-Lied. Idee: Die Jugendarbeit fördern am Beispiel des jungen Talents Dennis. Der Refrain geht dann so:

Mach dich frisch, Dennis

Und spiel Tischtennis"

An diesem Abend aber ist nichts cooler als die Bronzemedaille – außer vielleicht der Fahrt der Gewinnerinnen in der rosafarbenen Stretch-Limousine.

Eine Stretch-Limo in Moskau und sechs Frauen - Bundestrainer, was willst du mehr... (Fotos: MS)

 

Liebe(s)Grüße aus Moskau: Die WM-Kolumne des deutschen Damen-Teams

Das DTTB-Quartett gewährt den Fans bis zum Schlusstag Blicke hinter die Kulissen der 50. Mannschaftsweltmeisterschaften in Moskau. Im Wechsel erzählen Elke Schall, Kristin Silbereisen, Sabine Winter und Wu Jiaduo von ihren Erlebnissen beim sportlichen Jahreshöhepunkt in Russlands Hauptstadt.

Wer sich über den Titel wundert - immerhin ist er von 1963: "Liebesgrüße aus Moskau" ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ian Fleming, der zweite Film der James-Bond-Reihe.

 

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