Rotterdam. Drei Spiele, 16 Sätze in neun Stunden. Das alles auf dem Niveau von Weltmeisterschaften. Nicht eingerechnet sind die Vorbereitungs- und Einspielzeiten. „Ich weiß schon, warum ich hier kein Doppel spiele“, ist der Kommentar von Timo Boll. Er sagt das zwar nicht zu Bastian Steger, denn der steht da gerade mal wieder am Tisch in der Haupthalle des Sportpalasts Ahoy Rotterdam, aber über ihn.
Steger ist der Marathonmann dieses Tages. Seine Anstrengungen wurden allerdings auch mit drei Siegen gelohnt. Dadurch tun die Beine erst spät am Abend im Hotel so richtig weh, wenn Physiotherapeutin Birgit Schmidt vom Olympiastützpunkt Hessen in Frankfurt ihn auf der Massageliege in Zimmer 416 des deutschen Mannschaftshotels versucht, wieder halbwegs fit zu bekommen für den nächsten Tag. Könnte man denken. Aber Bastian Steger ist topfit und kann glaubhaft nach zwei schweren Einzeln und einem Doppel versichern: "Ich merke zwar, dass es ein harter Tag war und ich ein paar Spiele gemacht habe, bin aber nicht völlig zerschlagen. Ich fühle mich noch fit und könnte jetzt weiter spielen."
Diese Fitness will er auch in den Donnerstag retten: Für das WM-Achtelfinale gegen Olympiasieger Ma Lin und für die Runde der letzten Acht im Doppel, wo er an der Seite von Patrick Baum gegen die an Position eins gesetzten Chinesen Ma Long/Xu Xin antreten muss. Nach seinem aufreibenden Einzel gegen den Hongkong-Chinesen Leung Chu Yan musste der 30-jährige gebürtige Bayer nach kurzer Pause bereits wieder zum Doppel antreten. Im Vergleich zur Partie davor war das 4:0 über Kenta Matsudaira und Koki Niwa dann aber ein Kinderspiel. "Wir waren ziemlich überrascht, weil wir dachten, dass es schwieriger ist gegen sie", verriet Patrick Baum. "Wir haben taktisch gut gespielt und hatten das Spiel im Griff." Das eingespielte japanische Teenager-Duo war übrigens an Position sechs gesetzt bei dieser WM. Wer so spielt, wie Baum/Steger heute, braucht auch vor Ma Long/Xu Xin keine Angst zu haben. "Das heute war schon optimal. Ich hoffe, dass wir morgen alles rausholen können", sagt Steger.
Höhenflug und Tiefschläge im Einzel
Zur Vorgeschichte des Doppelsiegs hier eine Momentaufnahme aus seinem Einzel: In Bastian Stegers Jubelschrei lag jede Menge Frust. Er ballte die Faust, streckte den linken Arm nach oben, als der vierte Satz in seinem Drittrundenspiel in der Ahoy-Arena mit 11:9 an ihn ging. Das Spiel war damit noch nicht beendet, aber was war passiert? Schon zu Beginn des Durchgangs, beim Stand von 3:2, hatte ihm der Schiedsrichter einen Aufschlag weggezählt, Punkt für seinen Gegner, für Leung Chu Yan aus Hongkong zum 3:3. Das war überraschend, denn Steger ist nicht gerade für unkorrekte Aufschläge bekannt, aber noch relativ leicht zu verschmerzen. Viel schlimmer war es, als sich die Geschichte bei 9:8 für Steger wiederholte. Minutenlang diskutierte der zweifache Deutsche Meister von Bamberg mit dem herbeigeeilten Oberschiedsrichter aus Österreich, Werner Thury. "Ich soll den Ball beim Aufschlag über dem Tisch getroffen haben", erzählt der Gerügte auch eine gute Stunde nach dem Spiel immer noch ungläubig. "Das würde ich gar nicht hinkriegen. Die Bewegungsabläufe sind doch so automatisiert, dass ich nichts falsch machen könnte, selbst wenn ich wollte." Es half nichts, bei unverändertem Stand von 9:9 ging Steger zurück an den Tisch – und machte die nächsten beiden Punkte.
Diesen Schwung konnte er nicht direkt mitnehmen in Satz fünf. Nach einem zwischenzeitlichen 2:5 musste er beim Stand von 7:10 drei Satzbälle abwehren und gewann noch mit 12:10. Nachdem er im sechsten Satz leichte Führungen nicht nutzen konnte, musste der siebte Durchgang die Entscheidung bringen. Steger wich kaum mehr vom Tisch, machte Druck mit jedem Ball. Als er bei 9:0 doch mal in die Ballonabwehr ging, sicherte er sich auch diesen Punkt. Plüderhausens Nummer eins stand kurz vor der Höchststrafe im Tischtennis, als Steger ein Rückhand-Topspin misslang. "Den Ball beim 10:0 wollte ich nicht wegspielen, auch wenn es so aussah. In diesem Moment durfte ich einfach nicht in der Konzentration nachlassen", erklärt Steger. Zwei leichte Punkte ließ die Nummer 23 der Weltrangliste noch liegen, obendrauf noch ein Netzball von Leung. Nach dem Time-out durch Bundestrainer Jörg Roßkopf machte Steger dann aber alles klar.
Am Donnerstag folgt die Kür für Bastian Steger. Um 19 Uhr geht des gegen Olympiasieger Ma Lin aus China. "Einmal Achtelfinale, einmal Viertelfinale - bisher lief's perfekt, und die WM ist ja noch nicht zu Ende", ist er optimistisch. "Da warten morgen zwar noch zwei richtig schwere Brocken, aber auch ein Ma Lin muss mir gegenüber erst einmal seine Weltranglistenposition rechtfertigen."
3. Runde (32)
Steger - Leung Chu Yan HKG 4:3 (4,-5,-9,9,10,-9,4)
Fejer-Konnerth - Jun Mizutani JPN, Donnerstag, 13 Uhr
Baum - Joo Se Hyuk KOR, 13 Uhr
Ovtcharov - Seiya Kishikawa JPN, 13.45
Boll - Robert Svensson SWE, 13.45 Uhr
Achtelfinale
Steger - Ma Lin CHN, Donnerstag, 19 Uhr
Herren-Doppel, Achtelfinale
Patrick Baum/Bastian Steger - Kenta Matsudaira/Koki Niwa JPN 4:0 (6,6,9,6)
Viertelfinale am Donnerstag
Baum/Steger - Ma Long/Xu Xin, 15.15 Uhr