Rotterdam. Als ARD-Reporter Roman Bonnaire Timo Boll in der Mixed Zone der Ahoy-Arena in Rotterdam - dem Bereich, in dem Spieler und Trainer auf die Medienvertreter treffen - die einzelnen Satzergebnisse Dimitrij Ovtcharovs gegen Seiya Kishikawa aufzählte, freute sich der Weltranglistenzweite: "Das ist ja schön. Dann ist er morgen der Favorit." Ungeliebt ist sie in der Regel, diese Favoritenrolle, aber für Boll ist sie die Normalität.
Noch weniger erwünscht als die Favoritenrolle ist das deutsche Duell an sich bei den 51. Weltmeisterschaften in den Niederlanden. "Dass die beiden schon im Achtelfinale aufeinander treffen, ist sehr schade", urteilt Bundestrainer Jörg Roßkopf. "Beide hätten in der Form, in der sie sich hier präsentieren, sicher noch eine Runde überstehen können." Bei Europameisterschaften ist der direkte Vergleich innerhalb des deutschen Teams für die stärkste Nation des Kontinents nichts Ungewöhnliches mehr. "Da macht das sogar Spaß, aber hier ist es zu früh", findet der Doppel-Weltmeister von 1989.
In neun Vergleichen zwei Siege für Ovtcharov
7:2 ist Timo Bolls Bilanz gegen Dimitrij Ovtcharov. Boll selbst ist kein großer Statistiker in seinem Sport, doch Ovtcharov kennt die Zahlen genau. Im Rückspiel des Champions-League-Finals in der vergangenen Saison gewann Dimitrij Ovtcharov, damals für den belgischen Spitzenklub Charleroi aktiv, mit 3:1 gegen den 13-fachen Europameister. "Da war Timo aber nicht fit", erinnert sich die Nummer 15 der Weltrangliste. Besser in Form war sein Kontrahent beim zweiten Sieg, bei den Korea Open vor drei Jahren. Dort gab es ein 4:3 im Viertelfinale.
"Wir sind gute Kumpels", beschreibt Timo Boll sein Verhältnis zu Dimitrij Ovtcharov. Vor den Olympischen Spielen 2008 fuhren sie gemeinsam in den Konditionsurlaub nach Ägypten. Seitdem trainieren sie sehr oft zusammen. Auch in der Woche vor der WM war Dimitrij Ovtcharov zu Gast bei Familie Boll in Höchst. "Er wohnt dann in unserem Gästezimmer, Miete nehmen wir von ihm aber noch nicht", flachst der Hausherr. Sie sei schon ein kleines Ritual, die gemeinsame Vorbereitung. "Wir trainieren und machen nebenbei ein kleines Wellnessprogramm. Meine Frau bekocht uns gut und abends gehen wir ab und zu in den Sauna." Das Duell im Achtelfinale wird daran auch für die Zukunft nichts ändern. "Wir tragen das nur am Tisch aus, nirgendwo anders", so Boll. Es könne sogar gut sein, dass sich die beiden morgen vor dem Match miteinander einspielen.
Boll: "Mich coacht keiner"
Am Tisch sind dann beide ganz auf sich gestellt. Nach guter Tradition wird ein deutsches Spiel nicht von den Trainern an der Box begleitet. "Das Coaching läuft so", erzählt Timo Boll lächelnd. "Dimas Papa coacht ihn heute Abend am Telefon, mich coacht keiner."
Von ihren jeweiligen Drittrundenpartien gibt es dagegen wenig zu berichten. "Absolut souverän" lautet die Zusammenfassung. Timo Boll ließ dem Schweden Robert Svensson keine Chance, Dimitrij Ovtcharov zeigte gegen Seiya Kishikawa ebenfalls in vier Sätzen eine sogar noch imponierendere Leistung. "Es lief ab dem ersten Punkt perfekt für mich", urteilte Ovtcharov. "Ich habe großen Druck gemacht und ihn völlig überrollt. Er hat bis zum Schluss kein Mittel gefunden und konnte mir dann nur noch zum Einzug ins Achtelfinale gratulieren."
Timo Boll fühlte sich gegen Svensson an sein Auftaktspiel erinnert. "Ein bisschen ähnlich wie Matsudaira geht er ziemlich viel Risiko und spielt sehr aggressiv", sagte er, "deshalb ist auch nicht so ein gutes Spiel zu Stande gekommen. Ich habe die wichtigen Punkte gemacht."
Aus für Fejer-Konnerth und Baum in Runde drei
Die übrigen beiden Drittrundenspiele gingen verloren. Zoltan Fejer-Konnerth gelang es erst zu spät - im dritten Durchgang bei 1:5 - die Aufschläge Jun Mizutanis zu lesen. Mit einem 0:3-Satzrückstand ist eine erfolgreiche Aufholjagd gegen einen Weltranglistensiebten kaum schaffbar. Der zukünftige Grenzauer schlug sich danach aber gut, gewann noch zwei Sätze. "Ich habe zuerst überhaupt keinen Aufschlag von ihm gesehen und habe den Rückschlag entweder hoch gelegt oder gleich ins Netz geschupft", erklärte der 32-jährige Europameister im Doppel von 2002. "Sobald wir im offenen Spiel waren, ging es dann." Als es endlich so weit kam, wirkte die Partie zwischenzeitlich wie ein Match zwischen Mizutani und Mizutani: lange Rallyes über den ganzen Tisch, die den Athleten technisch und läuferisch alles abverlangten. "Ich fahre mit einem guten Gefühl nach Hause", ist das Fazit Fejer-Konnerths. "In den ersten beiden Runden habe ich für mich schwere Gegner geschlagen, und auch ab dem dritten Satz gegen Mizutani habe ich ordentlich gespielt."
Auch Patrick Baum hatte es schwer. Der EM-Zweite des vergangenen Jahres bekam es mit dem besten Abwehrspieler der Welt zu tun, Joo Se Hyuk aus Südkorea. Der 23-jährige Düsseldorfer hatte seine Möglichkeiten gegen den Abwehrcrack mit den genialen Angriffschlägen. Satz eins ging in der Verlängerung verloren, nach 0:2 kämpfte sich Baum heran und schaffte den Satzausgleich. Das Endergebnis lautete 2:4. "Ich hatte meine Chancen und hätte bei einem 3:3 wohl mehr machen können", so Baum. "Gespielt habe ich nämlich eigentlich ganz gut."
Duo Baum/Steger im Viertelfinale chancenlos, Steger am Abend gegen Ma Lin
Kurze Zeit nach der Einzel-Niederlage war dann auch im Doppel Endstation. Die an Position eins gesetzten Chinesen Ma Long/Xu Xin spielten gegen Deutschlands bestes Doppel bei dieser WM im Viertelfinale in einer anderen Liga. Beim 0:4 waren Baum/Steger im Viertelfinale chancenlos. Das war nach dem gestrigen fulminanten Vier-Satz-Sieg über die eingespielte japanische Youngster-Kombination Kenta Matsudaira/Koki Niwa die Negativüberraschung des Tages. "Mit dem Doppel waren wir nicht zufrieden", kommentierte Baum. "So klar zu verlieren, ist schon enttäuschend, vor allem weil wir zuvor im Turnier sehr gut zusammen gespielt haben."
Favorit Ma Lin schlägt Deutschen Meister
Am Abend unterlag Bastian Steger dann auch im Einzel. Im Achtelfinale war Olympiasieger Ma Lin eine Nummer zu groß für den amtierenden zweifachen Deutschen Meister von Bamberg.
Mehr im Text "Bastian Steger und die hohe Qualität des Ma Lin"
Die Ergebnisse der Deutschen am Donnerstag
Herren-Einzel, 3. Runde (32)
Steger - Leung Chu Yan HKG 4:3 (4,-5,-9,9,10,-9,4) - am Mittwochabend
Zoltan Fejer-Konnerth - Jun Mizutani JPN 2:4 (-5,-4,-8,6,10,-7)
Patrick Baum - Joo Se Hyuk KOR 2:4 (-10,-1,5,8,-9,-5)
Dimitrij Ovtcharov - Seiya Kishikawa JPN 4:0 (3,5,3,5)
Timo Boll - Robert Svensson SWE 4:0 (9,8,8,6)
Herren-Einzel, 3. Runde (32)
Steger - Leung Chu Yan HKG 4:3 (4,-5,-9,9,10,-9,4) - am Mittwochabend
Zoltan Fejer-Konnerth - Jun Mizutani JPN 2:4 (-5,-4,-8,6,10,-7)
Patrick Baum - Joo Se Hyuk KOR 2:4 (-10,-1,5,8,-9,-5)
Dimitrij Ovtcharov - Seiya Kishikawa JPN 4:0 (3,5,3,5)
Timo Boll - Robert Svensson SWE 4:0 (9,8,8,6)
Achtelfinale am Donnerstag
Steger - Ma Lin CHN 0:4 (-7,-7,-7,-3)
Achtelfinale am Freitag
Boll - Ovtcharov, 17.15 Uhr
Herren-Doppel, Viertelfinale
Baum/Steger - Ma Long/Xu Xin 0:4 (-3,-4,-6,-5)
Damen-Einzel, Achtelfinale
Wu Jiaduo - Guo Yue CHN 0:4 (-8,-4,-8,-8)
Auszug der Spiele am Samstag
Herren-Einzel, Viertelfinale
Wang Hao CHN - Jun Mizutani JPN, 13 Uhr
Ma Lin CHN - Ma Long CHN, 13.45 Uhr
Zhang Jike CHN oder Joo Se Hyuk KOR - Wang Liqin CHN oder Xu Xin CHN, 14.30 Uhr
Timo Boll GER oder Dimitrij Ovtcharov GER - Vladimir Samsonov BLR oder Chen Qi CHN, 15.15 Uhr