Frankfurt. Vor knapp zwei Jahren, bei den Olympischen Spielen in Peking, war an den aktuellen WM-Erfolg der deutschen Damen nicht zu denken. Das Team verabschiedete sich ohne einen Sieg aus dem olympischen Turnier. Elke Schall und Wu Jiaduo schieden jeweils in der ersten Runde des Einzel-Wettbewerbes aus. Im Juni 2010 scheinen diese Erinnerungen mindestens genauso weit entfernt zu sein wie Frankfurt von Moskau, dem Ort des größten WM-Triumphes seit 1997. Im Interview mit tischtennis.de spricht Damen-Bundestrainer Jörg Bitzigeio über die Entwicklung der Mannschaft, die Bedeutung der Bronzemedaille und Kamelreiten mit seiner Frau.
tischtennis.de: Jörg Bitzigeio, wo erwischen wir Sie gerade?
Jörg Bitzigeio: Am Frankfurter Flughafen. Meine Frau und ich fliegen heute Abend in den Urlaub nach Ägypten. Acht Tage Cluburlaub bei 38 Grad. Mal schauen, ob wir das aushalten. Meine Frau hat auch schon eine Runde Kamelreiten angekündigt. Ich bin gespannt.
Können Sie nach so einer ereignisreichen Woche eigentlich einfach so abschalten?
Im Urlaub werde ich hoffentlich anfangen, all das zu genießen. Die Ereignisse in Moskau mit der Bronzemedaille als krönenden Abschluss kommen mir immer noch ein bisschen surreal vor. Fassen kann ich all das noch nicht. Im Urlaub werde ich runterfahren und dann realisieren, was wir da sensationelles geschafft haben.
Gönnen Sie sich irgendetwas Besonderes als Belohnung für die Medaille?
Die Medaille ist Luxus genug. Wir wissen alle, wie viel Arbeit dahinter steckt. Von den Spielerinnen, dem Trainerteam, der medizinischen Abteilung, dem gesamten Umfeld. Das tut allen gut, so einen Erfolg zusammen zu genießen. Er bestätigt uns, den eingeschlagenen Weg auch in Zukunft weiterzugehen, auch wenn wir wissen, dass es auch immer wieder kleine oder größere Rückschläge geben wird. Unser Weg ist noch nicht zu Ende.
Das olympische Turnier in Peking 2008 verlief mit dem Ausscheiden in der Vorrunde eher enttäuschend. Was ist seitdem passiert?
In der Vergangenheit haben wir bei großen Turnieren leider oft Schwierigkeiten gehabt, unsere gezeigten Leistungen auch in Ergebnisse umzumünzen. Bei der WM 2008 in Guangzhou hat eine 6:2 Bilanz am Ende „nur“ zu Rang neun gereicht. Wir haben versucht, an verschiedenen Dingen zu arbeiten, kleine Bausteine zusammenzufügen, die dann zu Ergebnissen führen. Zum einen ist da sicherlich die Zusammenarbeit mit dem Sportpsychologen Dr. Torsten Weidig zu nennen, die von den Damen sehr gut angenommen wird.
Auch die Trainingsbedingungen im DTTZ konnten wir stetig verbessern, die Trainingsgruppe immer weiter auf- und ausbauen. Auch das zahlt sich aus. Wir verfügen mittlerweile über eine der besten Trainingsgruppen außerhalb Asiens. Das haben wir auch der guten Kooperationen mit den Bundesligisten zu verdanken. All diese Maßnahmen haben sicherlich ihre Zeit gebraucht. Umso schöner ist es dann, wenn die Arbeit durch Erfolge gekrönt wird. Auch bei der EM im vergangenen Jahr waren mit dem fünften Platz schon ganz nah dran an einer Medaille.
Die Mischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen im Team scheint zu stimmen. Wie wird das Gesicht der Mannschaft in den nächsten Jahren aussehen?
Das Ziel ist es natürlich eine Mannschaft zu stellen, die sich für die Olympischen Spiele 2012 in London qualifiziert und dabei auch schon an den Aufbau für 2016 zu denken. Mit Sabine Winter und Petrissa Solja kratzen zwei junge Spielerinnen an den Plätzen der Arrivierten. Auch Spielerinnen wie Rosalia Stähr oder Kathrin Mühlbach streben nach oben. Eine auch für den Trainer sehr angenehme Situation, wenn sich 6-9 Spielerinnen immer wieder im Training fordern und den Konkurrenzdruck hoch halten. Für das Team kann das nur vor Vorteil sein.
Welche Bedeutung hat so ein WM-Turnier für die Entwicklung von einer jungen Spielerin wie Sabine Winter?
Für Sabine ist ein Turnier in dieser Größenordnung und diesem Stellenwert natürlich eine unschätzbare Erfahrung. Allein die besten Spielerinnen der Welt täglich beim Training und der Wettkampfvorbereitung zu erleben ist schon eine sehr wertvolle Erfahrung. Wenn dann am Ende noch der eigene Traum von einer Medaille wahr wird, ist das natürlich der pure Wahnsinn. Wichtig ist, dass sich Sabine nicht von dem Erfolg blenden lässt, sondern weiter hart an sich arbeitet. Gegen Singapur wurden ihr Grenzen aufgezeigt. Sie hat gesehen, in welchen Bereichen sie noch zulegen muss. Aber ich weiß, dass Sabine diesen großen Erfolg richtig einordnen wird.
Wie sehen Ihre Pläne nach dem Urlaub aus?
Unmittelbar nach dem Urlaub muss ich mich einer Arthroskopie der Hüfte unterziehen. Ein Stück des Oberschenkelhalsknochens wird entfernt. Ich bin danach für eine Weile an die Wohnung gefesselt und habe so ein bisschen Zeit, ein paar Dinge aufzuarbeiten. Büroarbeiten sind zu erledigen und ich kann die WM in Ruhe auswerten und daraus Schlüsse für die kommenden Trainingsinhalte ziehen. Langweilig wird mir bestimmt nicht. Am 28. Juni steigen wir mit einem Athletikprogramm dann wieder ins Training ein. Die Konzentration und Vorbereitung gilt dann den Europameisterschaften im September in Ostrava.
Jörg Bitzigeio, wir danken für das Interview. Alles Gute.