London. Deutschlands Journalisten haben die Möglichkeit zum Interview mit Deutschlands Assen ausgiebig genutzt. Einen Tag vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London und zwei Tage vor Beginn der Tischtenniswettbewerbe lud der Deutsche Olympische Sportbund Vertreter der Teilmannschaft Tischtennis zur Pressekonferenz ins Deutsche Haus, das im Dockland Museum untergebracht ist. Die Gesprächspartner: Timo Boll, Kristin Silbereisen und Dirk Schimmelpfennig.
Die Statements in der Übersicht
Timo Boll:
Über den eigenen Erwartungsdruck
Ich habe mir schon hohe Ziele gesteckt und mache mir selbst gewissen Druck. Den braucht man auch bei Olympia, um ein gewisses Leistungsniveau erreichen zu können. Bei meinen vierten Spielen kann ich davon ausgehen, auch die Gefühlslage unter Kontrolle zu haben und dass die Anspannung stimmt. Es steht dem nichts im Wege, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die Vorbereitung stimmt, aber das ist bei den Gegnern genauso. Im Einzel ist es natürlich brandgefährlích, erst in der 3. Runde einzusteigen. Da muss man höllisch aufpassen.
Über sein Handicap im linken Schlagarm, weshalb er das Vorbereitungsturnier in Rotenburg zur Sicherheit nach dem Viertelfinale abgebrochen hat
Diese Verletzung hat sich als keine große herausgestellt. Ich habe seitdem jeden Tag trainieren können und keine Pause machen müssen. Das Turnier habe ich abgebrochen, um kein Risiko einzugehen. Am nächsten Tag hat es mich aber schon nicht mehr behindert. Beim schlechten Ergebnis wäre das also keine Ausrede. (Lacht)
Über das Olympische Dorf
Das Olympische Dorf macht Olympia für uns Athleten aus. Es ist von der Fläche zwar etwas kleiner als in Peking, aber die Wohnungen sind absolut in Ordnung. Wir Deutschen haben zwei Hochhäuser bezogen, wir Tischtennisspieler haben im 9. Stock sozusagen die Penthouse-Suite bekommen mit einem tollen Ausblick. Wir überblicken den ganzen Olympiapark. Da steht man anders auf als noch in PeKing. Denn hier haben wir direkt das Olympiafeeling bei diesem Ausblick.
Über die Tischtennis-Wohngemeinschaft im „Penthouse“
Im Männerbereich haben wir ein Sechser-Apartment für zwei Trainer und vier Spieler. Im selben Stockwerk haben die Damen eine eigene Wohnung. Das schweißt uns hoffentlich noch einmal richtig zusammen, das Familienleben unter Sportlern.
Über seinen Einstieg in der 3. Einzelrunde
Es ist tückisch, man muss höllisch aufpassen. Vielleicht wäre es ein Vorteil gewesen, eine Runde früher zu spielen, aber wir können es uns nicht aussuchen. Wenn man eine Medaille gewinnen will, muss man auch die ersten Runden überstehen können. Leider haben wir auch nicht viele Möglichkeiten, vorher in der Haupthalle zu trainieren. Aber ich weiß, was auf mich zukommt und bin gut vorbereitet. Ich hoffe, dass ich die gute Form auch an den Tisch bringe.
Über die mögliche Motivation aus der Silbermedaille von Peking
Peking war eine riesen Motivation, es war das emotionalste Turnier, das ich je gespielt habe. Eine solche Freude habe ich bisher nach keinem Sieg gespürt. Die Auslosung ist auf keinen Fall einfach: Gegen Schweden in der 1. Runde ist kein einfaches Los, aber da müssen wir durch. Schade ist natürlich, dass wir im Halbfinale auf China laufen, aber dahin müssen wir erst einmal kommen.
Über seine möglichen Prioritäten: Einzel- oder Teamwettbewerb
Ich glaube, dass ich die Kraft dazu habe, beide Events 100-prozentig durchstehen zu können. Ich habe stark an der Athletik gearbeitet und kann das Turnier auf höchstem Niveau durchstehen. Deshalb kann man nicht sagen, dass die Priorität auf Einzel oder Mannschaft liegt. Ich gebe in beiden Wettbewerben Vollgas.
Über seine Vorbereitungszeit auf London im Vergleich zu Peking
Ich habe vor Peking einige Verletzungen in der Vorbereitungszeit gehabt, die mich aus der Bahn geworfen haben. Diesmal konnte ich seit der WM durchgängig voll trainieren. Ich fühle mich einfach auf einem anderen spielerischen Level.
Über Vor- oder Nachteile von einer extra Motivation durch die Olympischen Spiele
Man muss die nötige Aggressivität finden, aber gleichzeitig die Balance halten, dass man nicht überpowert. Man muss aufpassen, dass man nicht immer fester, immer schneller spielen will. Man muss seine innere Ruhe finden. In den letzten Jahren ist mir das unter Stress immer besser gelungen. Das liegt an der Erfahrung, dass ich weiß, wann ich bremsen und wann ich pushen muss.
Über sein erstes Training in der ExCel-Arena am Mittwochabend
Die Haupthalle habe ich noch gar nicht gesehen. Wir haben auf dem Showcourt in der Trainingshalle trainieren können. Das hat sich gut angefühlt, ich hatte einen guten Touch, auch vom Ballabspurng war es ganz gut, auch wenn ich fast direkt aus dem Flieger dorthingekommen bin. Die Bedingungen sind ganz gut.
Kristin Silbereisen
Über ihre Gefühlslage seit der Ankunft am Mittwoch in London
„Wahnsinn“ wird hier wohl mein Wort des Monats. Ich bin alles zusammen: nervös, aufgeregt, und Vorfreude ist da auf meine ersten Olympischen Spiele. Mein erstes Training in der Arena lief gut. Meine Form ist gut, und ich bin mit der Auslosung zufrieden.
Die Eröffnungsfeier werde ich nun auch kurz besuchen, darauf freue ich mich riesig. Es gibt die Möglichkeit, früher auszusteigen beim Einmarsch – kurz bevor die Briten einmarschieren. Dann wäre ich um 23:15 wieder im Dorf, denn wir trainieren am nächsten Tag um 10 Uhr.
Über ihre Vorfreude auf die Wettbewerbe
Ich freue mich total auf den Wettkampf, auch wenn es im Einzel wahrscheinlich schon um neun Uhr morgens losgeht. Auch wenn es um acht Uhr wäre, hätte ich mich gefreut. Ich hoffe vor allem, dass ich die deutsche Fahne danach hochhalten kann.
Dirk Schimmelpfennig
Über die Ziele des deutschen Teams
Wir haben ehrgeizige Ziele Formuliert. Wir wollen aufs Treppchen. Nach dem komplexen Tag mit Anreise, fast dreistündiger Auslosung und dem ersten Training in der Halle sind wir gut bei den Olympischen Spielen angekommen. Um beim Treppchen-Bild zu bleiben: Beim Weg auf das Treppchen konzentrieren wir uns auf die erste Stufe, denn wie bei jeder Treppe ist das Risiko groß zu stolpern, wenn man schon auf die dritte oder vierte Stufe guckt.
Über den möglichen Druck, der sich aus den eigenen Erwartungen ergeben könnte
Wir sind der Ansicht, dass man Ziele nur erreichen kann, wenn man sie klar formuliert. Unsere Erwartungen sind realistisch formuliert, schließlich sind wir etwa bei den Herren an Position vier in der Mannschaft gesetzt.