Lissabon. Die deutschen Herren haben den siebten EM-Titel in Folge verpasst. Im Finale am Sonntagabend in Lissabon gegen Portugal unterlagen Timo Boll, Steffen Mengel und Dimitrij Ovtcharov mit 1:3. Vor eigener Kulisse spielten sich die Hausherren in einen Rausch. Für Portugal ist es der erste Europameistertitel überhaupt. Das DTTB-Team muss sich mit Silber begnügen, nachdem es zwischen 2007 und 2013 sechs Titel in Folge gewonnen hatte. In der MEO Arena riss eine weitere Serie. Neun Jahre war Deutschland bei einer EM unbesiegt gewesen, gewann 37 Partien in Folge. Die letzte Niederlage hatte es 2005 bei der EM in Aarhus gegeben.
„Gratulation an Portugal. Sie haben verdient gewonnen"
„Gratulation an Portugal. Sie haben verdient gewonnen. Alle drei Spieler haben fantastisch gespielt. Wir hatten nicht die beste Vorbereitung. Klar sind wir enttäuscht, aber für uns ist vor allem wichtig, einen Schritt weiter zu gehen und ein nächstes Level zu erreichen, um irgendwann China anzugreifen“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf.
"Es tut schon weh und ist ärgerlich, am Ende hat es halt nicht gereicht. Wir werden wieder angreifen“
„Wir haben in der Vergangenheit so viel gewonnen, diesmal hat es halt nicht gereicht. Ich finde, wir haben trotzdem ein ordentliches Turnier gespielt“, sagte Ovtcharov und spielte damit die Umstände im Vorfeld an. Patrick Baum (Trauerfall in der Familie) musste die EM zwei Tage vor Beginn absagen, Patrick Franziska zog sich im Gruppenspiel gegen Portugal (3:1) eine Zerrung des Syndesmosebandes zu. Ovtcharov selbst hatte sich wenige Tage vor der EM einer Weisheitszahn-OP unterziehen müssen. „Patti musste absagen, Franz verletzt sich, ich hätte nach meine OP eigentlich nicht gespielt. Ich kann aber auch nicht zuhause rumsitzen, wenn die deutsche Mannschaft bei der Europameisterschaft nur zu zweit dasteht“, betonte der 26-Jährige.
"Wir greifen wieder an"
„Das Gefühl, Zweiter zu sein, kennen wir ja von der Weltebene. Für Europa ist das jetzt ein neues Gefühl. Es tut schon weh und ist ärgerlich, am Ende hat es halt nicht gereicht. Wir werden wieder angreifen“, sagte Timo Boll. Steffen Mengel, der bei seiner EM-Premiere immerhin Silber gewann, ergänzte: „Ich bin sehr enttäuscht und auch traurig. Wir wollten unbedingt gewinnen und haben jetzt nur Silber. Das ist ein bisschen wie für China in der Welt: Am Ende zählt nur der Titel“, so der Bergneustädter.
Freitas bezwingt Boll in vier Sätzen
Vor gut 2000 frenetisch feiernden Zuschauern hatte Marcos Freitas einen maßgeblichen Anteil am ersten EM-Titel für Portugal. Der Weltranglisten-Zwölfte schlug zunächst Steffen Mengel in drei engen Sätzen und im entscheidenden Match Timo Boll in vier Durchgängen. Rekord-Europameister Timo Boll hatte bis dato kein Spiel verloren, in der Vorrunde gegen Freitas gewonnen und spielte auch am Sonntagabend stark auf. Mitentscheidend war der erste Satz, den der Düsseldorfer nach 10:8-Führung verlor. „Er hat bis zum Ende gekämpft, nie aufgegeben. Ich hatte ein paar Konzentrationslöcher, habe mich durch ein paar Dinge rausbringen lassen und manchmal falsche Entscheidungen bei der Platzierung getroffen. Ich war sehr oft unter Druck, auch bei eigenem Aufschlag. Ich habe mein Bestes probiert, aber am Ende war er besser“, zeigte sich Boll als fairer Verlierer.
Das dritte Einzel hatte Dimitrij Ovtcharov gegen den Saarbrücker Bundesligamann Tiago Apolonia mit 1:3 verloren. „Tiago hat sehr gut gespielt. Ich war körperlich am Limit, nachdem ich eine Woche starke Medizin nehmen musste. Da fehlte in allen Bereichen etwas, Beweglichkeit, Konzentration, Schnelligkeit, Platzierung. Das soll aber Tiagos Leistung nicht schmälern. Gratulation an Portugal“, sagte der Weltranglisten-Fünfte.
Deutschland - Portugal 1:3
Steffen Mengel - Marcos Freitas 0:3 (-8,-8,-8)
Timo Boll - Joao Monteiro 3:0 (7,1,8)
Dimitrij Ovtcharov - Tiago Apolonia 1:3 (-7,-2,11,-9)
Boll - Freitas 1:3 (-10,5,-6,-9)
Team Portugal
Marcos Freitas, Europarangliste: 4, Weltrangliste: 12
Tiago Apolonia, ER: 7, WR: 20
Joao Monteiro, ER: 19, WR: 51
Final-Schiedsrichter
Michel deVries (Holland)
Andrea Abascia (Italien)
Statistik von Portugal bei dieser Team-EM
Halbfinale: 3:1 Schweden (Freitas 2:0, Monteiro 1:0, Apolonia 0:1)
Viertelfinale: 3:1 Russland (Freitas 2:0, Monteiro 1:0, Apolonia 0:1)
Gruppe A, Endstand: 1. Deutschland, 2. Portugal, 3. Österreich, 4. Ungarn
3:0 Ungarn (Freitas 1:0, Apolonia 1:0, Monteiro 1:0)
1:3 Deutschland (Freitas 1:1, Apolonia 0:1, Monteiro 0:1)
1:3 Österreich (Freitas 0:1, Apolonia 0:1, Monteiro 1:0, Geraldo 0:1)
Letzter Vergleich: Deutschland - Portugal 3:1 (Timo Boll, Patrick Franziska, Steffen Mengel), Team-EM 2014, 25.09.2014
Timo Boll - Tiago Apolonia 3:0 (6,8,3)
Steffen Mengel - Marcos Freitas 2:3 (10,-10,9,-2,-4)
Patrick Franziska - Joao Monteiro 3:2 (6,7,-6,-12,9)
Boll - Freitas 3:2 (10,-6,6,-11,6)
Die EM-Delegation des DTTB
Herren
Dimitrij Ovtcharov (Fakel Gazproma Orenburg/Russland, Weltrangliste: 5)
Timo Boll (Verein: Borussia Düsseldorf, Weltrangliste: 9)
Steffen Mengel (TTC Schwalbe Bergneustadt, Weltrangliste: 36)
Patrick Franziska (Borussia Düsseldorf, Weltrangliste: 40)
Damen
Han Ying (KTS Zamek Tarnobrzeg/Polen, Weltrangliste: 9)
Shan Xiaona (ttc berlin eastside, Weltrangliste: 24)
Petrissa Solja (ttc berlin eastside, Weltrangliste: 38)
Irene Ivancan (Fenerbahce Istanbul, Weltrangliste: 44)
Sabine Winter (SV DJK Kolbermoor, Weltrangliste: 52)
Trainer, Betreuer und Schiedsrichter
Sportliche Leitung
Dirk Schimmelpfennig (DTTB-Sportdirektor)
Trainerteam
Jörg Roßkopf (Herren-Bundestrainer)
Zhu Xiaoyong (Assistenztrainer Herren)
Jie Schöpp (Damen-Bundestrainerin)
Wan Guohui (Assistenztrainer Damen)
Medizinische Betreuung
Dr. Antonius Kass (Mannschaftsarzt, Düsseldorf)
Birgit Schmidt (Physiotherapeutin, Olympiastützpunkt Hessen)
Lisa Stark (Physiotherapeutin, Köln)
Organisationsleitung
Christian Back (DTTB-Referat Leistungssport)
Schiedsrichter
Gerhard Schnabel (Karlsfeld, Deputy Referee), Rainer Hoffmann (Vlotho), Nico Keiser (München), Dr. Hubertus Reiner (Bad Hersfeld), Jürgen Schödel (Engen), Dr. Holger Schwarze (Bremerhaven), Gert Selig (Hannover), Hans-Peter Wörner (Steinheim)