Berlin. Das Traum-Halbfinale bei den German Open ist perfekt. Am Sonntag spielen Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov um den Einzug ins Endspiel. Der Rekord-Europameister Boll gewann sein Viertelfinale mit 4:1 gegen den Engländer Liam Pitchford.
"In der Bundesliga hatte ich neulich ein knappes Spiel gegen ihn. Der letzte Satz war vielleicht klar, der Rest aber sehr umkämpft. Er liegt mir nicht so. Gegen ihn habe ich immer schwer zu kämpfen. Das spricht für ihn, aber andererseits spricht es auch für mich, dass ich mich durchgebissen und gewonnen habe. Spielerisch bin ich noch nicht ganz auf dem Niveau, auf dem ich sein möchte, aber kämpferisch ist das schon in Ordnung", kommentierte Boll den Erfolg. Am Sonntag geht es gegen Dimitrij Ovtcharov um den Einzug in das Endspiel. "Ich habe mich gefreut, dass Dima sein Viertelfinale gewonnen hat. Ich bin für die Deutschen und meinen Kumpel. Ich freue mich auch auf das Revanche-Match, das hoffentlich auf einem anderen Niveau ist. Beim World Cup war ich ziemlich platt.“
Zur Niederlage Zhang Jikes äußerte sich der Rekord-Europameister wie folgt: „Man sie schon, dass die Chinesen hier am Limit spielen. Sie haben bis gerade ihr Super League gespielt, hatten in diesem Jahr neben der WM noch Asienmeisterschaften und die China Games. Es ist eine lange Saison für sie gewesen. Aber das soll mich nicht kümmern. Ich habe im Halbfinale eine andere Aufgabe vor mir."
Ovtcharov: "Das war der härteste Spiel meines Lebens"
Nach dem 4:3-Krimi im Achtelfinale gegen Abwehrmann Shiono (Japan) sparte Dimitrij Ovtcharov gegen Jun Mizutani Kräfte. Der 25-Jährige setzte sich im Viertelfinale mit 4.0 durch. "Dima" diktierte von Anfang an das Spiel und ließ sich zu keinem Zeitpunkt von seinem Kontrahenten unter Druck setzen. Eine Schrecksekunde gab es nach dem dritten Satz, als der Weltranglisten-Fünfte sich ein paar Minuten von Physiotherapeutin Annette Zischka am Rücken behandeln ließ. Nach der Auszeit knüpfte Ovtcharov nahtlos an die vorige Leistung an und fuhr den Sieg nach Hause. „Beim letzten Ballwechsel im dritten Satz habe ich einen stechenden Schmerz im Rücken gespürt und musste mich behandeln lassen. Dann hat mein Körper zum Glück wieder mitgespielt.“ Auf die Frage, ob die Schmerzen auch eine Nachwirkung des Marathon-Spiels gegen Shiono seien, sagte er: „Das weiß man nicht, aber ich weiß, dass der Kampf gegen Shiono das härteste Spiel meines Lebens war, das hat extrem an mir gezehrt und ich hoffe, dass ich morgen wieder fit genug bin. Das Spiel hat gefühlt ewig gedauert. Ich sollte wohl jetzt mal ein paar Tennisspieler befragen, wie sie am Tag nach einem Marathon-Match überhaupt wieder laufen können.“
Mit Blick auf das Halbfinale gegen Kumpel Timo Boll sagte Ovtcharov: "Ich denke, dass Timo relativ locker in das Match gehen wird. Er hat seine Verletzungen überstanden und ist im Aufwind. Ich hoffe, dass die Zuschauer am Sonntag ein großes Spiel sehen werden."
Egal wie das Halbfinale auch ausgeht – der World-Cup-Dritte Ovtcharov freut sich auf den Urlaub mit seiner Verlobten Jenny Mellström, der Flug ist für Sonntagabend gebucht und die acht Tage in Dubai hat er sich dann sicherlich verdient.
Samsonov studiert Youtube-videos
Ausgeschieden ist der topgesetzte Zhang Jike aus China. Der Weltmeister verlor gegen Landsmann und Jung-Star Fan Zhendong in sechs Sätzen. Fan und Vladimir Samsonov bestreiten das zweite Halbfinale. Die andere Partie bestreiten der 16-jährige Fan Zhendong und Vladimir Samsonov. Der Weißrusse hielt den Portugiesen Marcos Freitas nach einem 0:2-Satzrückstand mit 4:3. Routinier Samsonov zog alle Register und ließ sich nicht unterkriegen. „Selbst beim Stand von 0:2 dachte ich, dass es noch immer möglich ist, ihn zu schlagen. Ich kämpfte um jeden Ball. Beim Stand von 2:2 wusste ich, dass alles möglich ist. Freitas machte auch seine Fehler. Man muss aber immer sehr aufpassen.“ Über seinen jungen chinesischen Halbfinalgegner sagte "Vladi" mit entspanntem Lächeln: „Ich werde heute Nacht wohl ein paar Youtube-Videos schauen müssen."
Herren-Einzel
Achtelfinale (Auszug)
Boll - Steger 4:2 (6,-9,4,4,-9,7)
Ovtcharov - Shiono JPN 4:3 (-8,6,4,-5,8,-7,9)
Viertelfinale (Auszug)
Boll - Pitchford ENG 4:1 (7,5,-7,9,2)
Ovtcharov - Mizutani JPN 4:0 (5,6,5,8)
Zhang Jike CHN - Fan Zhendong CHN 2:4 (-9,-7,-6,8,10,-6)
Samsonov BLR - Freitas POR 4:3 (-9,-9,8,8,9-11,6)
Halbfinale
Boll - Ovtcharov So. 12.15
Fan Zhendong - Samsonov So. 11.30
Boll gewinnt Achtelfinale gegen Steger
Die Vorjahresfinalisten Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll haben bei den German Open das Viertelfinale erreicht. Ovtcharov bog gegen den japanischen Abwehrer Shiono im siebten Satz unter großem Jubel der 5100 Zuschauer zweimal einen Rückstand um. Timo Boll besiegte im deutschen Duell Bastian Steger mit 4:2.
"Ich hatte mir heute schon was ausgerechnet. Vielleicht habe ich aber zu passiv gespielt und hätte mehr riskieren müssen. Gestern hatte ich jedoch schwere Spiele und habe gut gespielt. Deshalb bin ich mit dem Turnier auch zufrieden", sagte Bastian Steger nach der 2:4-Niederlage gegen Nationalmannschaftskollege Timo Boll. "Auf der Tour habe ich die Spiele gegen Basti immer gewonnen, aber ansonsten in der Liga auch schon mal verloren. Die langen Ballwechsel konnte ich oft für mich entscheiden. Bei mir wird es immer besser. Die nächsten Spiele hängen auch davon ab, wie ich die Belastung Einzel/Doppel körperlich verkrafte", sagte Boll, der nun auf den Überraschungsmann Liam Pitchford trifft.
Ovtcharov: "Ich hab noch nie gegen einen gespielt, der so dicht war"
Der Japaner Shiono (überraschender Gewinner der Japan und Czech Open in diesem Jahr) war der erwartet schwere Gegner für Dimitri Ovtcharov, und es war ein erwartet spielerischer Höhepunkt auch für die Zuschauer in der mit 5100 Zuschauern gefüllten Max-Schmeling-Halle. Weltklasseballwechsel rissen die Zuschauer schon in den ersten vier Sätzen immer wieder zu Beifallsovationen hin, aber nach dem zwischenzeitlichen Spielstand von 2:2 nahm die Dramatik immer mehr zu. Die 3:2-Satzführung von "Dima" hatte Shiono wenig beeindruckt, und nachdem er ganze Angriffsserien entschärft hatte, gewann er den sechsten Durchgang mit 11:7.
Würde dem Deutschen die Kraft in Satz sieben noch reichen, um das japanische Abwehrbollwerk zu durchbrechen? Beim Seitenwechsel stand es 5:2 für den Japaner, dann 9:6 - alles vorbei? Nein. Ein Endspurt zum 11:9 brachte Ovtvharov doch noch den Sieg.
„Ich hab noch nie gegen einen gespielt, der so dicht war – das war unglaublich. Egal ob Mitte, Rückhand, Vorhand – er hat sie alle gehabt. Auch seine Siegesserie bei vorangegangenen Turnieren, u.a. gegen Chinesen, überrascht mich jetzt nicht mehr. Keiner außer ihm spielt so eine klassische Abwehr. Er hätte den Sieg sicher auch verdient gehabt, und ich kann nur sagen: Hochachtung vor seiner Leistung. Meine Schlussfolgerung: ich muß noch härter gegen Abwehr trainieren. Jetzt aber bin ich ziemlich platt, so anstrengend war es schon lange nicht mehr", sagte Ovtcharov.
Shiono war am Vortag durch einen 4:3-Erfolg nach 0:3-Rückstand und Abwehr zweier Matchbälle gegen Ricardo Walther (Düsseldorf) in das Achtelfinale eingezogen.