Frankfurt/Danzig. Diese Woche wird nicht gerade günstig für Irene Ivancan, dafür aber lukrativ für das eine oder andere Restaurant. Ivancan lädt in diesen Tagen mehrere Freunde zum Essen ein. „Jeder, der etwas gewonnen hat oder erfolgreich war, muss einen ausgeben“, erzählt Ivancan von den Gepflogenheiten im Freundeskreis. Ihr überraschendes EM-Silber kostet also bares Geld. Die 28-Jährige wird es verschmerzen. Sie hat gerade das Turnier ihres Lebens gespielt und kehrte mit der Einzel-Silbermedaille von den Europameisterschaften aus Danzig heim. „Es ruhig angehen zu lassen“, lautet Ivancans Devise in der Woche nach dem größten Erfolg ihrer Karriere.
Wer will es ihr verdenken nach neun Tagen enormer Belastung, körperlicher und vor allem mentaler Natur? Ivancan schwang sich nicht nur zu einer der besten Spielerinnen Europas auf, sondern avancierte bei ihrer zweiten EM nach 2005 (lediglich ein Einsatz im DTTB-Dress im Teamwettbewerb) zu einer festen Größe in der Mannschaft. Platz fünf sprang dort am Ende heraus.
Schon im Teamwettbewerb deutete sich an, dass Ivancan nicht nur Verantwortung übernehmen kann, sondern auch zu Großem fähig ist. Im Gruppenspiel gegen Rumänien (2:3) schlug sie Daniela Dodean und verlor gegen Elizabeta Samara nur in fünf engen Sätzen. Ganz stark auch ihr Auftritt beim 2:3-Viertelfinal-Aus gegen Ungarn. Ivancan besiegte Krisztina Toth und Georgina Pota, und dennoch reichte es für die DTTB-Damen nicht zum Einzug in das Halbfinale. Im Einzel-Wettbewerb knüpfte die Bundesligaspielerin vom ttc berlin eastside nahtlos an die zuvor gezeigten Leistungen an und spielte sich bis ins Finale, obwohl ihre Auslosung alles andere als einfach war.
Medaillen-Fauxpas bei der Dopingkontrolle
Im Endspiel bot sie der zehn Jahre älteren Niederländerin Li Jiao einen großen Kampf, an dessen Ende aber die gebürtige Chinesin jubelte. Ivancan, die Abwehrspielerin moderner Prägung mit dem für die Zuschauer so spektakulären Spielstil, nahm es gelassen. „Ich bin überhaupt nicht unglücklich, sondern sehr stolz auf mich. Die Frau war einfach dicht. Ich habe es nicht mehr geschafft, eine Lücke zu finden. Aber man sieht sich immer zweimal im Leben“, sagte sie nach der 3:4-Final-Niederlage. Groß reflektiert habe Ivancan das Endspiel noch nicht. „Kristin Silbereisen hat mir aber gesagt, dass ich unglaublich gut gespielt habe. Das freut mich natürlich. Ich werde mir das Finale noch mal auf Video anschauen.“
Bevor Irene Ivancan wieder an Training denkt, noch mal gedanklich die EM Revue passieren lässt, inne halten und das Geschehene verarbeiten kann, wird sie sich anderen Dingen widmen. Die Anfragen von Journalisten haben zugenommen, manchen Personen wird sie noch antworten („Ich habe total viele Nachrichten bekommen“), und ihre Freunde verlangen nach dem Abendessen.
Und vielleicht springt für Nationalmannschaftskollege Patrick Baum sogar eine kleine Überraschung heraus. Der war gleich mit zwei Silbermedaillen nach Deutschland zurückgekehrt. Neben seiner eigenen hatte er auch die von Ivancan im Gepäck und wird sie seiner Nationalmannschaftskollegin ins DTTZ nach Düsseldorf mitbringen. Ivancan hatte am Sonntag in der Hektik ihr Edelmetall bei der Dopingkontrolle vergessen, weil sie schnell zum Flughafen musste. „Das war wirklich auf die letzte Minute", betont sie.