Weinheim. Zum zehnten Mal seit 2014 stand berlin eastside im Finale um die Deutsche Meisterschaft, zum neunten Mal durfte man den Meisterpokal triumphierend in die Höhe recken. Nach dem 6:1-Erfolg am Freitagabend in eigener Halle benötigte der Titelverteidiger im Rückspiel bei Senkrechtstarter TTC 46 Weinheim am bisher heißesten Tag des Jahres noch ein Unentschieden, um den Titel abermals zu gewinnen und ein drittes Spiel zu vermeiden. Gegen nahezu gleichwertige Weinheimerinnen gelang dies in einer spannenden Partie auf höchstem Niveau, die die 330 Zuschauer begeisterte, auch wenn dem heimischen Team der ganz große Wurf versagt blieb. Am Ende durfte sich der Hauptstadtklub über das “Double” aus Meisterschaft und Pokal freuen, den man bereits im Januar gewonnen hatte.
Prominente Zuschauer beim Duell der Giganten
Unter den Augen von DTTB-Sportdirektor Richard Prause sowie der Weltklassespieler Hugo Calderano und Anton Källberg, die ihre Partnerinnen Bruna Takahashi und Yuan Wan unterstützen wollten, entwickelte sich trotz der sommerlichen Temperaturen, auch in der Halle war es alles andere als kühl, vom ersten Ball an ein munteres, kampfbetontes Spiel, in dem beide Seiten deutliche Signale setzten, dass es für sie nur ein Ziel gab, nämlich den Sieg.
Die Weinheimerinnen wussten, dass es an einem guten Tag nicht unmöglich sein würde, den Rekordmeister mit dem Heimvorteil im Rücken zu schlagen, schließlich war ihnen das schon einmal, nämlich im Bundesliga-Punktspiel am 27. Januar, mit 6:4 gelungen – wohlgemerkt gegen Berlin in Topbesetzung. Doch damals war der Schlüssel zum Sieg, dass Bruna Takahashi Berlins Spitzenspielerin Shan Xiaona schlagen konnte, ob das nochmals gelingen würde? Wobei stets zu berücksichtigen ist, dass der Hauptstadtklub in Finalsituationen aufgrund seiner gigantischen Erfahrung im Kampf um Titel meist ungleich stärker spielt als im normalen Ligabetrieb. Doch wenn es einer in einem Finale schaffen kann, dann der TTC 46 Weinheim. Mit dieser Überzeugung im Rücken legten die Gastgeberinnen um 14 Uhr los.
1:1 in den Doppeln: Shan/MIttelham erneut eine Klasse für sich
Im Doppel eine Macht und fast unbesiegbar sind Berlins Spitzenkräfte Shan Xiaona/Nina Mittelham, die in Liga und Play-offs ungeschlagen in das Duell mit Bruna Takahashi und Mateja Jeger gingen, die noch etwas gutmachen wollten, da sie am Freitag unerwartet gegen Sabina Surjan/Josi Neumann verloren hatten. Die beiden Weinheimerinnen spielten heute wirklich gut und äußerst engagiert, doch es fehlte ein wenig Fortune in den entscheidenden Situationen, weniger beim 8:11 im ersten Satz, wohl aber beim 10:12 im zweiten und noch mehr beim 11:13 im dritten Durchgang, wo sie zwei Satzbälle ungenutzt ließen.
Am anderen Tisch war man mächtig gespannt, ob Sabina Surjan/Josi Neumann erneut zuschlagen und auch Yuan Wan/Sophia Klee das Fürchten lehren würden. Doch die Weinheimerinnen waren gewarnt und spielten hoch konzentriert, hinzu kam, dass Klee, die diesmal nur im Doppel zum Einsatz kam, eine besonders starke Leistung abrufen konnte. Surjan/Neumann spielten auch diesmal nicht schlecht und waren in allen Sätzen nah dran, mussten am Ende aber ein 1:3 (11:9, 8:11, 11:13, 9:11) quittieren. Kurios: Im dritten Durchgang konnten die Berlinerinnen eine zwischenzeitliche 9:3-Führung und kurz darauf drei Satzbälle nicht ins Ziel bringen.
Erster Durchgang: Takahashi und Shan vorne erfolgreich
Nun ging es in die Einzel. Bruna Takahashi, mit Abstand beste Südamerikanerin im Welttischtennis, ging gegen die Weltranglisten-14. Nina Mittelham an den Tisch, bei der es im ersten Finalspiel eher bescheiden gelaufen war. Nun, auch diesmal gab es eine 1:3-Niederlage gegen die Brasilianerin, doch Mittelham war kämpferisch besser und wesentlich näher dran als am Freitag, wie die einzelnen Sätze dokumentieren: 11:6, 10:12, 9:11, 10:12.
Parallel dazu spielte allerdings die Weltranglisten-27. Shan Xiaona, mit 40 in der Form ihres Lebens und gewissermaßen auch die Lebensversicherung des ttc eastside in den Play-offs. Da konnte auch Yuan Wan nichts ausrichten, die nur im zweiten Durchgang ein wenig an einem Satzgewinn schnuppern durfte, ansonsten aber chancenlos blieb. 2:2, bis dahin konnte sich kein Team absetzen.
Piccolin verliert umkämpftes Schlüsselmatch, doch Jeger in Topform
Im hinteren Paarkreuz erlebten die Fans ein Schlüsselspiel zwischen Giorgia Piccolin – die Italienerin wird den Verein verlassen, dafür kehrt Daria Trigolos zurück – und Sabina Surjan. Der wichtigste Satz in diesem ausgeglichenen Duell war der dritte, der mit 15:13 an Berlins Linkshänderin aus Serbien ging. Piccolin konnte zwar noch nach Sätzen ausgleichen, doch im Entscheidungsdurchgang hatte Surjan die Nase vorn.
3:2 für eastside, nur noch zwei Punkte fehlten, doch hinten kam kein weiterer Zähler, denn Mateja Jeger spielte trotz des auf ihren Schultern lastenden Drucks sehr stark gegen Ding Yaping, deren Defensivspiel der Weinheimer Kurznoppenspielerin liegt. Zwar verlor Jeger den ersten Satz haushoch, doch danach war sie voll im Flow, wobei sie allerdings beim 12:10 im dritten Durchgang drei Matchbälle ihrer erfahrenen Gegnerin abwehren musste. Am Ende hieß es 3:1 für die Kroatin in Diensten des TTC 46 Weinheim und 3:3 in der Gesamtabrechnung.
Berlin zurrt im zweiten Durchgang mit zwei Siegen oben den Titelgewinn fest
Die Begegnung trat in ihre entscheidende Phase ein, wer würde sich die Blöße geben, beide Matches in einem Paarkreuz zu verlieren? Würde das den Weinheimerinnen passieren, wäre es das gewesen. Und genau so kam es. Lange war im Duell der Spitzenspielerinnen Bruna Takahashi und Shan Xiaona nicht abzusehen, wer den Tisch als Siegerin verlasen würde. Shan gewann die ersten beiden Durchgänge relativ klar, Takahashi die beiden folgenden. Die Brasilianerin spielte richtig gut, besser als im Hinspiel, doch Shan hat zurzeit einfach einen Lauf und so gewann sie auch den Entscheidungssatz, in dem ihre Gegnerin beim Stand von 6:10 noch zwei Satzbälle abwehren konnte - der dritte aber saß.
Da nahezu zeitgleich eine diesmal überzeugende Nina Mittelham den Sack gegen die in den Play-offs glücklose Yuan Wan zumachen konnte und mit 3:1 gewann, war die Entscheidung exakt um 17.29 Uhr nach 209 äußerst intensiven Minuten gefallen. Ding Yaping und Sabina Surjan schenkten ihre noch ausstehenden Matches ab und verlegten sich mit ihren Teamkolleginnen sowie dem gesamten Berliner Tross aufs Feiern.
Begeisterte Fans auch ohne Happyend, Lob vom Sportdirektor des DTTB
Die meisten Weinheimer Zuschauer hatten es als ein sensationelles Spiel empfunden und zollten ihren Idolen trotz des Scheiterns noch lange Applaus. Manche waren richtig ergriffen. Was auch selten ist: Trotz der immensen Hitze blieben die Besucher fast alle in der Sporthalle des Werner-Heisenberg-Gymnasiums und warteten andächtig die Siegerehrung ab. Vorher den Ort des Geschehens zu verlassen, das ging einfach nicht und hätte nicht zu diesem denkwürdigen Spiel gepasst. Einem Spiel, in dem zwei Ausnahmemannschaften alles gegeben hatten und der ttc berlin eastside den entscheidenden Tick besser war, der sich somit den neunten nationalen Meistertitel der Vereinsgeschichte ohne Frage verdient gesichert hatte. Doch eben auch das Team aus Weinheim hatte sich etwas verdient, nämlich den Respekt sämtlicher Zuschauer.
Und Richard Prause lobte in einer kleinen Ansprache das Niveau des Damen-Finales und den TTC 46 Weinheim, der der Liga gutgetan habe: “Zunächst einmal ist unser Sport selbst der Sieger, das war ein heißes Match mit Werbewirkung. Dann der TTC Weinheim: Ihr tut mit Euren Fans der Bundesliga gut! Mit ein bisschen Abstand habt Ihr das Finale nicht verloren, sondern den Deutschen Vizetitel gewonnen. Ein großer Dank auch an Christian Säger, der das hier möglich macht. Berlin aber ist weiter das Maß der Dinge und hat die Attacke erfolgreich abgewehrt.”
“Ein ganz tolles Jahr”: Weinheimer Stimmen zum Spiel und zur Saison
Sophia Klee, die sich mutig zeigte und noch vor Prause das Mikrophon ergriff, sagte: “Auch wenn wir jetzt etwas traurig sind, weil es heute trotz unseres guten Spiels nicht gereicht hat, finde ich, dass es ein ganz tolles Jahr für uns war. Die Unterstützung der Fans war fantastisch und das Team hat super zusammengehalten, wir hatten gemeinsam viel Spaß, auch außerhalb der Spiele.”
Weinheims “Macher” und Manager Christian Säger kommentierte das Geschehen und würdigte auch die Leistungen des Gegners: “Das Spiel war sensationell und die Stimmung war phänomenal. Über 300 Zuschauer und klasse Tischtennis mit einem würdigen Meister. Wir sind sehr stolz und Berlin hat uns ein dickes Lob gemacht. Unsere Spielerinnen haben alles rausgehauen und die Halle stand Kopf. Ein knapper Sieg wäre möglich gewesen, aber Berlin war halt den Tick besser.“
Auch Weinheims Trainer Andreas Dörner äußerte sich zum Meisterschafts-Finale: „Tolles Spiel, wir haben uns aus meiner Sicht heute sehr gut verkauft. Mit etwas mehr Glück wäre heute tatsächlich mehr drin gewesen. Alles lief eigentlich nach Plan, im hinteren Paarkreuz habe ich auf zwei Punkte gehofft, Giorgia hatte auch die Chance auf einen Sieg. Leider hat das nicht geklappt. Auch Yuan hatte ihre Chancen gegen Nina, aber die Erfahrung hat uns noch etwas gefehlt. Glückwunsch an Berlin, die sehr fokussiert waren.“ Dörner beschloss sein Statement mit einem Blick in die nähere und fernere Zukunft: „Wir werden uns in ein bis zwei Tagen über die Vizemeisterschaft freuen und nächste Saison neu angreifen.“
Mateja Jeger sagte: “Wir müssen nicht traurig sein. Wir haben eine unglaubliche Saison geliefert. Dass wir gute Freunde und wirklich ein echtes Team sind, macht diesen Erfolg noch einmal wertvoller.”
Giorgia Piccolin, die angesichts ihres Abschieds – sie wird wegen der Vorbereitung auf Olympia 2024 kommende Saison wieder in ihrer italienischen Heimat spielen – nach dem Finale in Tränen ausbrach, unterstrich: “Für mich war wichtig, dass ich in meinem vorerst letzten Spiel für den TTC 46 noch einmal 100 Prozent geben konnte. Das ist jetzt echt hart, sich von den Mädels verabschieden zu müssen. Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Und ich würde gerne wieder zurückkommen. Weinheim ist etwas ganz Besonderes.”
"Als es darauf ankam, haben wir dem Druck standgehalten": Stimmen vom ttc berlin eastside
„Insgesamt eine verdiente Meisterschaft, denn als es darauf ankam, haben wir dem Druck standgehalten und mit guten Leistungen überzeugt“, so Jessica Göbel vom Trainerteam des ttc eastside. „Hervorzuheben ist mit Sicherheit Nana! Sie ist in den Play-offs unbezwungen und hat den Bärenanteil am 9. Titelgewinn.“ Göbel fuhr fort mit ihrer Analyse der Partie in Weinheim: „Das Spiel war für uns keine Überraschung. Wir wussten, dass Weinheim im unteren Paarkreuz tauschen würde und wir erneut eine konzentrierte Leistung benötigen, um dem Druck der Weinheimerinnen standzuhalten. Knackpunkt des Spiels war dann der knappe Sieg von Sabina Surjan gegen Piccolin. Danach war im Spiel der Gegner ein Knick zu spüren, den wir eiskalt ausgenutzt haben.“ Am Ende gab es noch ein Lob für den Gegner: „Gratulation an Weinheim, die mit einer konstanten Saisonleistung die Vizemeisterschaft mehr als verdient haben.“
“Weinheim hat uns einen Riesenfight geliefert, hatte durch das unfassbar gute Publikum einen echten Heimvorteil und hätte einen Sieg heute genau so verdient gehabt”, so Nina Mittelham. “Ich bin heilfroh, dass wir am Montag nicht noch einmal ranmüssen. Wichtig war, dass wir heute nicht verlieren, das war gegen die taktisch umgestellten Weinheimerinnen alles andere als einfach.”
Wir konnten auch mit Berlins jüngster Spielerin sprechen. Josi Neumann, einmal mehr begleitet von einem Kamerateam des Hessischen Rundfunks, sagte: „Die Finalspiele um die Deutsche Meisterschaft waren eine sehr schöne und gute Erfahrung für mich. Und dass wir Meister geworden sind und ich mit 13 sagen kann, dass ich dabei gewesen bin, ist schon megacool. Ich bin sehr froh, dass ich der Mannschaft mit dem einen Punkt im Doppel am Freitag und durch mein Anfeuern helfen konnte. Es war auch sehr cool, vor so vielen Zuschauern zu spielen, auch wenn heute die allermeisten nicht für uns waren, aber Spaß gemacht hat es auf jeden Fall.“
TTC Weinheim - ttc berlin eastside 5:5
Bruna Takahashi/Mateja Jeger - Xiaona Shan/Nina Mittelham 0:3 (-8,-10,-11)
Yuan Wan/Sophia Klee - Sabina Surjan/Josephina Neumann 3:1 (-9,8,11,9)
Bruna Takahashi - Nina Mittelham 3:1 (-6,10,9,10)
Yuan Wan - Xiaona Shan 0:3 (-4,-10,-4)
Giorgia Piccolin - Sabina Surjan 2:3 (-7,3,-13,6,-6)
Mateja Jeger - Yaping Ding 3:1 (-2,7,10,6)
Bruna Takahashi - Xiaona Shan 2:3 (-8,-6,5,8,-8)
Yuan Wan - Nina Mittelham 1:3 (9,-5,-9,-5)
Giorgia Piccolin - Yaping Ding 3:0 (0,0,0)
Mateja Jeger - Sabina Surjan 3:0 (0,0,0)
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