Ostrava. Deutschland ist zum vierten Mal in Serie Tischtennis-Europameister. In der CEZ Arena zu Ostrava besiegte das deutsche Team am Abend im Endspiel der LIEBHERR Europameisterschaften Weißrussland mit 3:0. Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf krönt damit seine EM-Premiere als Herren-Bundestrainer gleich mit dem Titel. Timo Boll zog mit Titel Nummer elf in der ewigen EM-Bestenliste mit Schwedens Tischtennis-Legende Jan-Ove Waldner gleich.
Dabei hatte der Finaltag denkbar schlecht für das deutsche Team begonnen. Die im Halbfinale gestern erlittene Verletzung von Dimitrij Ovtcharov stellte sich nach der Kernspintomographie am Morgen als ein Anriss der Peronealsehne im linken Fußgelenk heraus. Das EM-Aus für den 22-Jährigen. So kam Patrick Baum nach dem ersten Gruppenspiel gegen Polen am Samstag heute zu seinem zweiten EM-Einsatz in Ostrava. „Ich habe fünf Spieler im Team, die ich bedenkenlos in so einem Finale aufstellen würde. Wir werden auf jeden Fall eine schlagkräftige Mannschaft in die Box schicken“, bekräftigte Roßkopf. Er sollte Recht behalten.
Süß kippt Samsonov
Im ersten Einzel der Begegnung traf Christian Süß auf World Cup Gewinner Vladimir Samsonov. Eine undankbare Aufgabe für den Deutschen Meister. Doch Süß, der in Ostrava bislang noch nicht zu seiner Topform finden konnte, bot dem Welranglisten-7. eine packende Partie auf Augenhöhe und belohnte seine beste Leistung im Turnier mit dem 11:8 im fünften Satz.
Die 2:0 Führung besorgte im Anschluss Timo Boll. Defensivspezialist Evgueni Chtchetinine fand gegen den 29-Jährigen zu keinem Zeitpunkt der Partie ein siegbringendes Mittel. Einzig im dritten Durchgang hielt der Abwehrriegel des Weißrussen Europas Nummer eins kurzzeitig stand. Eine Momentaufnahme.
Den EM-Titel tütete im dritten und letzten Einzel dann Patrick Baum gegen Pavel Platonov ein. Der verwandelte Matchball des Jugend-Weltmeisters von 2005 ging im Jubelschrei der deutschen Bank unter.
Stimmen zum EM-Titel
Timo Boll
Wir haben uns hier gut präsentiert, auch wenn wir im Laufe des Turniers sicher unsere Problemchen hatten. Gegen uns sind natürlich alle immer hoch motiviert, da alle den Favoriten schlagen wollen. Spielerisch haben wir nicht immer glänzen können, aber mental waren wir dagegen sehr stark.
Chtchetinine hat sich hier bislang in guter Form gezeigt. Daher bin ich froh, dass ich ihn heute so sicher beherrscht habe. Meine Taktik gegen ihn ist voll aufgegangen. Ich bin zufrieden. Die Feier werden wir aber wohl verschieben müssen. Morgen geht es schon wieder mit Einzel und Doppel weiter. Auch wenn in den ersten Runden vermeintlich kleine Gegner warten, muss man trotzdem vom ersten Ball an konzentriert sein. Wie oft hat man Favoriten schon früh ausscheiden sehen. Das Turnier geht nicht erst im Viertelfinale los.
Dimitrij Ovtcharov
Ich bin in guter Form. Umso ärgerlicher, dass das Turnier für mich gelaufen ist. Morgen fahre ich nach Hause zu meinen Eltern, um mich dort ein paar Tage zu erholen. Unter Belastung tut das Sprunggelenk noch sehr weh. Es hätte sicher keinen Sinn gehabt, mit 50% Leistungsfähigkeit ins Spiel zu gehen.
Christian Süß
Meine Punkt gegen Vladi hatten wir vorher eigentlich nicht eingeplant. Ich habe meine Chancen genutzt und kaum einfache Fehler gemacht. Eigentlich beharken wir uns immer mit den gleichen Waffen, nur das er für gewöhnlich eine Klasse besser ist als ich. Das kurz-kurz-Spiel über dem Tisch hat heute richtig gut geklappt.
Patrick Baum
Die Siege von Christian und Timo haben mir schon so ein wenig den Druck genommen. Es war mein erstes Finale und ich war schon nervös vorher. Jetzt bin ich natürlich umso glücklicher, dass ich einen Punkt beisteuern konnte und wir den Titel geholt haben.
Patrick Franziska
Es ist ein schönes Gefühl, Teil dieser Mannschaft zu sein. Es hat Spaß gemacht. Ich wusste vorher, dass ich vermutlich nicht oft zum Einsatz kommen werde. Deshalb bin ich auch nicht darüber enttäuscht, sondern freue mich über den Titel.
Jörg Roßkopf, Herren-Bundestrainer
Wir sind mit viel Selbstvertrauen in das Turnier gegangen, nachdem wir zuvor eine gute und intensive Vorbereitung absolviert hatten. Der Druck ist natürlich groß, da alle von uns den Titel erwarten. Meine Spieler sind da aber gut damit umgegangen und haben sich hier vor allem mental sehr stark präsentiert. Alle fünf haben sich den Titel verdient.
Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes
„Vier Europameistertitel in Serie. Das ist schon überragend. Zumal die Konstellation vor dem Finale mit der Verletzung von Dimitrij alles andere als gut war. Christian hat mit seinem Sieg gegen Vladimir Samsonov den Grundstein für den Sieg gelegt. Patrick hat seine Aufgabe im dritten Einzel sehr gut gelöst. Überhaupt hat das ganze Team in Ostrava hervorragend gearbeitet. Der EM-Titel ist der verdiente Lohn für ein tolles Turnier.“
Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes
„Mit dem Break von Christian gegen Samsonov sind wir natürlich optimal ins Spiel gestartet. Bedenkt man, dass mit Bastian Steger und Dimitrij Ovtcharov gleich zwei Spieler verletzungsbedingt gefehlt haben, ist der Erfolg noch höher zu bewerten. Das Team ist zu Recht die beste Mannschaft Europas. Timo hatte Chtchetinine sehr gut im Griff und Patrick hat seine Aufgabe siegbringend erfüllt.“
Dr. Sabine Arentz, scheidende Mannschaftsärztin des DTTB
„Ich genieße mein letztes Turnier mit der Mannschaft. Trotz des Ausfalls von Dimitrij ist es für die Herren sportlich super gelaufen. Natürlich schade, dass ich bei meinem letzten Turnier noch einen Verletzten beklagen muss.“
Alexander Petkevic, Trainer Weißrussland
Mit der Silbermedaille bin ich zufrieden. Wir wussten vorher, dass wir wohl nur dann eine reelle Siegchance haben würden, wenn Vladimir zwei Punkte macht.
Vladimir Samsonov, Spitzenspieler Weißrussland
Das Spiel gegen Christian war sicher richtungsweisend für die ganze Begegnung. Eigentlich spiele ich immer sehr gut gegen ihn, aber heute war er sehr stark, aggressiv und hat wenig Fehler gemacht. Gratulation. Morgen ist ein neuer Tag und ein neues Turnier. Wir werden sehen.
Ergebnisse
Herren-Mannschaft, Finale
Deutschland - Weißrussland 3:0
Christian Süß - Vladimir Samsonov 3:2 (-7, 8, -8, 8, 8)
Timo Boll - Evgueni Chtchetinine 3:1 (4, 3, -6, 4)
Patrick Baum - Pavel Platonov 3:2 (1, 5, -5, -5, 5)