Frankfurt/Düsseldorf. Der Countdown läuft für das Turnier-Highlight des Jahres in Deutschland. Beim WTT Champions Frankfurt in der Main-Metropole duellieren sich die weltbesten 32 Herren und 32 Damen um eine halbe Million Dollar Preisgeld und viele Weltranglistenpunkte Richtung Paris 2024.
Die Deutschen um Dimitrij Ovtcharov wollen ihren Heimvorteil nutzen. "Das Publikum in Deutschland beflügelt uns Spieler", sagt der Rekord-Olympia-Medaillengewinner im Interview. Mit Bundestrainer Jörg Roßkopf hat Ovtcharov Sonderschichten geschoben. "Rossi hat uns echt getriezt mit hohen Umfängen am Tisch, Bergläufen und Krafttraining."
Für die Einladung zum WTT Champions Frankfurt zählt die Weltrangliste vom 3. Oktober. Ist für dich ähnlich spannend wie für die Fans, wer den Sprung ins deutsche Highlight-Turnier 2023 schafft?
Dimitrij Ovtcharov: Klar, das ist bei uns in der Nationalmannschaft ein großes Thema. Wir haben einige Spieler, die auf der Kippe stehen wie Benne oder Ruwen (Erklärung: Benedikt Duda, Ruwen Filus). Timo (Timo Boll) hat die Wildcard bekommen und ist damit sicher dabei. Es ist toll, dass wir aus Deutschland so viele Spieler haben, die am Turnier teilnehmen können. Vom Niveau her ist das Turnier so stark besetzt wie eine WM.
Angenommen, du dürftest deine Auslosung bestimmen: Mit wem der Top 32 im Teilnehmerfeld von Frankfurt möchtest du dich unbedingt messen und warum?
Ovtcharov: Jeder Spieler, der am WTT Champions Frankfurt teilnimmt, ist extrem stark. Aktuell bin ich die Nummer neun der Welt. Wenn ich für Frankfurt den Sprung unter die Top acht bei der Setzung schaffe, hilft mir das für die Auslosung. Es ist von Vorteil, gegen Spieler wie Ma Long oder Fan Zhendong nicht gleich in der ersten Runde zu spielen. Ich würde mich aber freuen, später im Turnier auf Fan Zhendong zu treffen. Wenn ich dann gegen ihn spiele, wird das Turnier unabhängig vom Ausgang der Partie sehr gut für mich gelaufen sein.
Du hast die Champions-Premiere 2022 in Budapest und zwei Champions in Macao gespielt, 2022 und diesen April. Was macht für dich den Reiz gerade dieses WTT-Turniers aus?
Ovtcharov: Der Reiz des Champions ist, dass diese 32 Spieler wirklich ausschließlich Topspieler sind wie bei einer WM. 32 Herren und 32 Damen sind insgesamt wenige Starter, dadurch ist es ein sehr konzentriertes Turnier. Wenn man sich dort durchsetzt und ein tolles Ergebnis erzielt, gibt das auf jeden Fall viel Selbstvertrauen für die kommenden Turniere. Es ist ein Riesenunterschied, so ein Turnier zu Hause zu spielen, vor deutschem Publikum.
Bedauerst du als WM-Bronzemedaillengewinner im Doppel von Durban an der Seite von Patrick Franziska, dass das Champions ein reines Einzelturnier ist?
Ovtcharov: Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Es lief im Einzel in Durban wirklich enttäuschend für mich, und am Ende habe ich die WM voller Stolz als Medaillengewinner im Doppel verlassen. Das war wirklich unerwartet. Von 64 Doppeln waren wir auf Position 63 gesetzt. Patrick und ich haben das Potenzial, noch stärker zu spielen, als wir das in Durban getan haben, wenn wir uns noch besser aufeinander abstimmen. Beim WTT Contender in Oman Mitte Oktober spiele ich wieder mit „Franz“ Doppel und freue mich darauf. Unser Doppel gibt uns bei Turnieren wie Olympia mehr Tiefe in der Variation, so dass wir für unsere Gegner noch schwerer auszurechnen sind.
Patrick Franziska, Dang Qiu und du habt auf die Team-EM verzichtet, um in Düsseldorf intensiv zu trainieren. Kritiker der Entscheidung behaupten, ein Jahr vorher könne man sich wohl kaum auf Olympia 2024 vorbereiten. Was entgegnest du ihnen?
Ovtcharov: Ich bin schon lange dabei und habe gelernt, dass es schwierig ist, es allen recht zu machen. Die EM liegt mir eigentlich sehr am Herzen. In der Mannschaft habe ich sie zehn Mal gespielt und acht Mal gewonnen. Ich habe aber auch vier Mal Olympia gespielt und glaube zu wissen, dass man die Vorbereitung auf Olympische Spiele nicht unmittelbar in den Wochen oder ein, zwei Monate vorher legt, sondern weit davor. Wenn ich mir meine Ergebnisse der letzten sechs Monate anschaue, gab es einige sehr gute Turniere mit zwei Finalteilnahmen bei WTT Contendern, es gab aber auch einige schlechte Spiele. Insgesamt war die Konstanz nicht so, wie ich sie mir vorstelle. Das Niveau reicht nach meinen persönlichen Ansprüchen nicht aus, um sich bei Olympia in eine Position zu bringen, von der aus man sowohl im Einzel als auch in der Mannschaft um Medaillen kämpft. Meine Performance reicht im Moment nicht. Da muss ich mich einfach steigern.
Durch meine lange Verletzungspause habe ich fast ein Jahr lang Turniere verpasst. Danach bin ich von Turnier zu Turnier geflogen, um in der Weltrangliste nicht komplett abzurutschen. Dabei haben mir solche intensiven Trainingsphasen wie jetzt gefehlt. Gerade die brauche ich, um auf einem Niveau spielen zu können, auf dem ich jedem in der Welt gefährlich werden kann.
War der EM-Verzicht auch rückblickend die richtige Entscheidung?
Ovtcharov: „Franz“, Dang und ich haben vor zwei Monaten die European Games gespielt und souverän gewonnen. Auch ohne uns war die EM wirklich toll anzusehen. Timo war vorher lange verletzt und konnte ein Malmö Spielpraxis sammeln. „Benne“ hatte wieder die Chance, bei einem großen Turnier im Vordergrund zu stehen, und ein junger Spieler wie Kay Stumper konnte bei einer EM das Halbfinale und Finale spielen. Wenn bei uns immer dieselben zum Einsatz kommen, wird sich ein junger Spieler wie Kay nie entwickeln können. Langfristig ist eine solche Abwechslung keine schlechte Idee, um die Jüngeren aufzubauen und den anderen die Möglichkeit zu geben, sich intensiv auf andere Turniere vorzubereiten. Wir hatten in diesem Jahr eine WM, danach die European Games und die EM. Jetzt sind es nur noch fünf Monate bis zur nächsten WM. Bis Olympia sind es nur noch zehn Monate. Für uns war es die richtige Entscheidung, dass „Franz“, Dang und ich auf die EM verzichtet haben. Ich kann aber nachvollziehen, dass es Leute gibt, die unser Fehlen kritisch sehen.
Inwiefern spürst du, dass die harte Trainingsarbeit bereits Früchte trägt?
Ovtcharov: Rossi (Erklärung, Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf) hat uns die letzten drei Wochen echt getriezt. Täglich fünf bis sechs Stunden Tischtennis, dazu zweimal pro Woche Bergläufe und weitere zwei Male Krafttraining. In sieben Tagen haben wir zwölf Tischtennis- und vier Konditionseinheiten absolviert. Das ist schon ein Brett, aber ich merke wirklich, wie ich konditionell und technisch zugelegt habe. Ich fühle mich gut. Wenn ich zwei-, dreimal im Jahr solche Blöcke fahren kann, werde ich auf jeden Fall besser spielen. Ich kann dann so spielen, wie ich es mir wünsche, und nicht, wie es in den letzten Monaten war.
Was nimmst du dir für das erste Weltklasse-Turnier in Deutschland seit deinem letzten „Wohnzimmer-Event“, den German Open 2020 in Magdeburg, vor?
Ovtcharov: Die German Open waren mit Abstand mein Lieblingsturnier und das mit Abstand erfolgreichste meiner Karriere. Es gibt viele Turniere, die ich jedes Jahr gespielt habe, aber keines so erfolgreich wie die German Open. Sie habe ich dreimal gewonnen und war zweimal Zweiter. Allein Fan Zhendong habe ich zweimal geschlagen und insgesamt viele große Matches gegen die besten Spieler der Welt gemacht. Das liegt daran, dass das Publikum uns in Deutschland so unglaublich unterstützt, wir die Hallen immer vollkriegen und wir Tischtennis auf einem hohen Niveau präsentieren. Das beflügelt uns Spieler. Das hat mir in der Vergangenheit viel Spaß gemacht. Deswegen freue ich mich sehr auf Frankfurt und hoffe, an meine damaligen Leistungen bei den German Open auch hier beim WTT Champions anknüpfen zu können.
Event-Steckbrief WTT Champions Frankfurt
*2. September 1988
Weltrangliste: 9 (Stand: 26.9.2023)
Spielsystem: Rechtshänder, Shakehand, Angriff
Verein: TTC Neu-Ulm
Erfolge