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Zum dritten Mal Einzel-Gold: Jochen Wollmert von der BS Solingen (Foto: privat)

Gold und die Zuschauerherzen für Wollmert, Bronze für Debütant Schmidberger

DBS / ITTF / FL 03.09.2012

London. Er hat es wieder mal allen gezeigt. Jochen Wollmert (BS Solingen) gewann in der Wettkampfklasse 7 zum dritten Mal nach Sidney 2000 und Peking 2008 Paralympics-Gold im Einzel. Vor einer tollen Kulisse in der Excel-Arena bezwang der 47-Jährige den Londoner Lokalmatadoren William Bayley mit kühlem Kopf und beeindruckender Vorstellung. Doch statt als Spielverderber verpönt zu werden, jubelten die Zuschauer Wollmert zu, nachdem er sich rührend um seinen in Tränen aufgelösten Konkurrenten gekümmert und in den Arm genommen hatte.

Nach dem 3:1-Finalerfolg (11:8, 4:11, 11:5, 11:4) in einer packenden und hochklassigen Partie mit spektakulären Ballwechseln bejubelte der 47-Jährige ausgelassen seine zehnte Medaille bei seinen sechsten Paralympics – und rannte mit der Deutschland-Fahne quer durch die Halle, nachdem er seinen am Boden zerstörten Kontrahenten aufgebaut hatte. „Das war eine tolle Geste. Eine, die man für den Fair-Play-Preis vorschlagen sollte“, sagte Karl Quade, der deutsche Chef de Mission, gegenüber dem SID. Karl Quade lobte zugleich die Leistung Wollmerts: „Es ist faszinierend, wie er es immer wieder schafft, sich zu den Paralympics in Topform zu bringen.“

Fair Play hatte Wollmert bereits während des Finals demonstriert. Im zweiten Satz wurde ihm fälschlicherweise einen Punkt zum 5:5 zugesprochen. Der Schiedsrichter hatte übersehen, dass ein Ball Wollmerts seitlich an die Tischkante gesprungen war. Prompt stellte der Deutsche das Zählgerät zu Gunsten seines britischen Kontrahenten auf 6:4 um.

„Die Halle brannte förmlich, ich liebe diese Atmosphäre. Es war mein Traum in England gegen einen Engländer das Finale bestreiten zu dürfen. Dass ich es dann im zarten Alter von 47 auch noch gewinne, hatte ich vorher nicht unbedingt erwartet“, sagte Wollmert, der bereits vor vier Jahren mit seinem Sieg im Finale über Ye Chaoqun einem Lokalmatador den Heim-Erfolg verdorben hatte.

Jetzt muss der Zopf des Trainers dran glauben

Wollmerts Trainer Hannes Doesseler schüttelte ungläubig den Kopf – auch, weil nach dem Sieg sein Zopf dran glauben muss: „Jochen ist ein sensationeller Turnierspieler. Es ist unfassbar, dass er es wieder geschafft hat, auf den Punkt so gut in Form zu sein – zumal er in den vergangenen Jahren gegen viele Spieler, die er hier geschlagen hat, keine gute Bilanz hatte.“

Mit seiner großen Erfahrung zeigte Wollmert gegen den 23 Jahre jüngeren Briten eine konzentrierte Leistung, entschied viele wichtige Punkte für sich und machte wenige Fehler. „Ich hatte während des Endspiels wie im gesamten Turnier ein gutes Gefühl und habe gespürt, dass William vor dieser Kulisse nervös war, aber natürlich um jeden Punkt gekämpft hat. Nach dem Sieg hatte ich Tränen in den Augen. Diese Momente machen Lust auf mehr“, betonte der Stuttgarter. Überglücklich war auch Bundestrainer Wieland Speer über die zweite Medaille des Tages, nachdem Thomas Schmidberger am Vormittag bereits Bronze geholt hatte. „Das war eine fantastische Leistung. Jochen hat auf einem sehr hohen Niveau gespielt und verdient Gold gewonnen.“

Thomas Schmidberger jubelt über Bronze abgezockt und nervenstark

Bei seinen ersten Paralympics gleich Bronze: Thomas SchmidbergerAbgezockt, nervenstark und ein enormer Wille: Thomas Schmidberger (TSV/RSG Platting) hatte zuvor die erste Medaille für die deutschen Tischtennisspieler gewonnen. In einer hochklassigen Partie holte der 20-Jährige aus Viechtach (Bayern) in der Wettkampfklasse 3 gegen den Franzosen Florian Merrien bei seinen ersten Paralympics direkt Bronze. Die Enttäuschung über das Halbfinal-Aus gegen Zlatko Kesler (Serbien) war nach dem umkämpften 3:1-Sieg (7:11, 11:7, 12:10, 14:12) verflogen. „Die Bronze-Medaille fühlt sich wie Gold an. Ich bin wahnsinnig glücklich“, erklärte der talentierte Rollstuhl-Tischtennisspieler. Nachdem Schmidberger in der Londoner Excel-Arena im vierten Satz der entscheidende Punkt gelungen war, wich die Anspannung ausgelassenem Jubel. „Es war die pure Erleichterung. Mehrere Steine sind von mir abgefallen“, berichtete der 20-Jährige, der freudig feststellte: „Besser geht’s einfach nicht. Die Arbeit hat gefruchtet und die Strapazen haben sich gelohnt.“

Schließlich hatte Schmidberger, der seit einem Autounfall im Alter von vier Jahren querschnittsgelähmt ist, für seinen Traum von der Paralympics-Medaille sogar sein Studium unterbrochen. „Ich habe ein Jahr lang intensiv im Tischtennis-Leistungszentrum in Düsseldorf trainiert“ – 600 Kilometer von der Heimat entfernt. Das große Engagement hat sich ausgezahlt, mit der Bronze-Medaille hat sich das Tischtennis-Ass selbst belohnt. Auch, als es gegen den sieben Jahre älteren Franzosen eng wurde, behielt Schmidberger die Nerven. „Ich war mental gut drauf, das Halbfinal-Aus habe ich gut weggesteckt.“ Trainer Michele Comparato war begeistert von der Leistung seines Schützlings: „Er hatte einen sensationellen Willen. Dieser Erfolg ist so wichtig für Tom.“ Der Gold- oder Silbermedaille, die an den Chinesen Panfeng Feng und Zlatko Kesler gingen, trauert Schmidberger nicht hinterher. „Ich bin super zufrieden. Die Spiele vor dieser Kulisse sind tolle Erlebnisse. Das ist sehr motivierend für die Paralympics in Rio in vier Jahren.“

Doch zunächst stehen in London die Team-Wettbewerbe an. Dabei möchten Schmidberger und Co. ebenfalls um eine Medaille spielen. Am heutigen Montag können Stephanie Grebe (WK 6) um 11 Uhr und Holger Nikelis (WK 1) um 11.45 Uhr die Bilanz der deutschen Tischtennisspieler im Einzel noch mit Bronze bzw. Gold krönen.

 

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