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Yuan Wan steuerte zum Weinheimer Erfolg in Böblingen den wichtigen Sieg über Annett Kaufmann bei, zudem punktete sie im Doppel mit Sophia Klee (Bild: Dr. Stephan Roscher).
SV DJK Kolbermoor - ttc berlin eastside 5:5, SV Böblingen - TTC 1946 Weinheim 2:6

Halbfinal-Play-offs, Teil 1: Remis in Kolbermoor, Weinheim stark wie in der Punktrunde

Dr. Stephan Roscher 03.06.2023

Kolbermoor. Zwei hochklassige, spannende Partien erlebten die Fans am Freitag zum Auftakt der Play-off-Halbfinals. Das Remis im Klassiker zwischen Kolbermoor und Berlin war ohnehin vom Feinsten und bis zum Schluss war offen, ob die stark aufspielenden Gastgeberinnen die ROFA-Arena als Sieger verlassen würden. Doch auch die Partie in Böblingen war umkämpft und enger, als das nackte Ergebnis vermuten lässt. Mit einer glücklich zustande gekommenen 4:2-Führung im Rücken spielte der Punktrundengewinner jedoch seine ganze Klasse aus und ließ die SVB-Asse nicht mehr zum Luftholen kommen. Entschieden ist aber noch nichts, der Sonntag wird nochmals sehr interessant – und eventuell sehen wir ja noch eine dritte Partie am Montag, vielleicht sogar deren zwei.

 

SV DJK Kolbermoor – ttc berlin eastside 5:5

Was für eine Partie in der ROFA-Arena im oberbayrischen Kolbermoor! Es mag platt und abgedroschen klingen, doch wenn das keine Werbung für das Damen-Mannschafts-Tischtennis auf Spitzenniveau war, was sonst.

Rund 160 Fans erlebten eine Partie, die wahrlich nichts für schwache Nerven war. Sechsmal ging es in den Entscheidungssatz, dreimal angelte sich der SV DJK den Sieg, die anderen drei Matches verbuchte der Rekordchampion auf der Habenseite. Dies erklärt letztlich auch das Remis.

Vor dem letzten Spiel des Abends war, bei einer 5:4-Führung für Kolbermoor, offen, ob der Gastgeber im ersten Duell für einen Paukenschlag sorgen oder sich der Titelverteidiger mit einem Remis eine passable Ausgangsposition für das Rückspiel am Sonntag in der Hauptstadt sichern würde. Sabina Surjan behielt im Entscheidungssatz gegen Solomiya Brateyko die Nerven und sorgte am Ende für das Unentschieden.

Doch fangen wir ganz vorne an: In den Doppeln trennte man sich 1:1: Shan Xiaona/Nina Mittelham behaupteten sich in fünf spannenden Sätzen gegen Kristin Lang/Solomiya Brateyko, während die Defensivformation der Bayern aus Linda Bergström und Svetlana Ganina den überraschend ins Rennen geschickten Berlinerinnen Sabina Surjan/Josephina Neumann keine Chance ließ. Die 13-jährige Josi Neumann, die nur im Doppel zum Einsatz kam, ist somit auch die jüngste Spielerin aller Zeiten in den Play-offs.

Eine überzeugende Linda Bergström besiegte eine Nina Mittelham mit 3:2, bei der es an diesem Abend längst nicht so rund lief wie bei der WM in Durban. Allerdings war die Weltranglisten-14. auch gesundheitlich angeschlagen in die Partie gegangen. Shan Xiaona zeigte sich jedenfalls in guter Verfassung und überließ Kristin Lang nur den ersten Satz. Zwischenstand: 2:2.

Die erfahrene Defensivspielerin Svetlana Ganina setzte sich in einem lange völlig offenen Fünfsatz-Match gegen Sabina Surja durch, die im vierten Durchgang beim Stand von 11:10 einen Matchball nicht nutzen konnte. Doch eine bärenstarke Ding Yaping, die nahezu fehlerfrei spielte, ließ Solomiya Brateyko beim 11:3, 11:2, 11:7 keine Chance. Alles blieb weiterhin offen.

Bis dahin war es mit Siegen von Bergström, Ganina und Ding der Tag der Abwehr-Asse gewesen, doch Shan Xiaona wendete das Geschehen mit einem 3:2 über Linda Bergström, die mit 2:0 Sätzen vorne gelegen hatte. Kristin Lang, die selten zwei Einzel verliert, sorgte indes gegen Nina Mittelham für den Ausgleich – auch hier ging es über die volle Distanz. Der zweite Durchgang verlief mit 13:11 für Lang besonders eng, wobei Mittelham eine 10:8-Führung nicht ins Ziel bringen konnte.

4:4, es ging in die entscheidende Phase. Svetlana Ganina gewann die Defensiv-Schlacht gegen Ding Yaping mit 14:12, 11:7 und 12:10, doch dann stieg eben Sabina Surjan in den Ring und brachte den für Berlin so wichtigen Punkt gegen Solomiya Brateyko über die Ziellinie. Nach knapp vier Stunden war das letztlich leistungsgerechte Unentschieden perfekt.

Für die Berlinerinnen ist damit der erneute Einzug in die Endspiel-Serie (9./11. Juni) möglich, doch auch Kolbermoor könnte es schaffen. Der ttc eastside hat bekanntlich seit 2014 acht Meisterschaften gewonnen, lediglich 2018 waren die Bayern erfolgreich. Man darf gespannt sein, ob Bergström und Co. diese starke Leistung auch am Sonntag “in der Höhle des Löwen” wiederholen können. Eine dritte Partie am Montag gibt es nur, wenn beide erneut mit einem 5:5 auseinandergehen.

Kolbermoors Trainer Michael Fuchs war sehr zufrieden mit dem Auftritt seines Teams. “Ein super Spiel von unserer gesamten Mannschaft. 5:5 ist ein top Ergebnis für uns, wobei ich sogar denke, dass wir heute dem Sieg einen Tick näher waren als Berlin und ein Sieg für uns auch nicht unverdient gewesen wäre”, sagte Fuchs nach der packenden Partie. “Letztendlich haben wir genau das geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Wir haben den Favoriten geärgert und haben vor einer tollen Kulisse unseren Fans ein tolles und außerordentlich spannendes Spiel geliefert. Es war große Werbung für unsere Mannschaft und generell für den Tischtennissport.“ Fuchs sieht dem Rückspiel durchaus optimistisch entgegen: „Wir gehen sehr positiv in das Spiel am Sonntag, denn wir haben mit dem Unentschieden noch alle Chancen auf den Finaleinzug und haben heute auch gezeigt, dass wir dem Favoriten gefährlich werden können, wenn wir einen guten Tag erwischen. Trotzdem werden wir uns keinen großen Druck machen und wollen einfach ein gutes Spiel abliefern - wie am Ende das Ergebnis sein wird, werden wir dann sehen.“

"Das war ein Thriller, den beide Teams den Zuschauenden in Kolbermoor geboten haben. Beide Mannschaften hatten ihre Chance, das Spiel für sich zu entscheiden. So gesehen geht das Ergebnis in Ordnung", urteilte Berlins Präsident Alexander Teichmann. "Am Freitag früh ist Nina mit einer starken Erkältung aufgewacht. Erst kurz vor Spielbeginn haben wir uns entschieden, sie einzusetzen. Im Doppel hat uns das wenigstens einen Punkt gebracht. Zumindest im Spiel gegen Kristin hatte Nina gute Chancen, das Match zu gewinnen. Einmal mehr war Nana eine Bank. Ihr haben wir zu verdanken, dass wir mit einem blauen Auge davon gekommen sind und die Chance haben, ins Finale einzuziehen." Am Sonntag in Berlin sei alles möglich: "Das Rückspiel ist total offen. Wir hoffen, dass sich Nina bis Sonntag erholt und ihre Form von der WM wiederfindet."

 

SV Böblingen – TTC 1946 Weinheim 2:6

Ein letztlich klares Ergebnis zu Gunsten der Gäste aus Weinheim, die auch in der Punktrunde beide Male recht deutlich gewonnen hatten. Bei etwas mehr Glück auf Seiten des Gastgebers hätte es vor knapp 170 Fans in der BBG-Arena aber auch viel knapper ausgehen können. Natürlich zählen Konjunktive im Sport letztlich nicht, sondern nur Fakten, dennoch gab es zwei Situationen, bei denen das Duell auch eine andere Richtung hätte nehmen können.

Nach den Doppeln stand es 0:2, doch eines der beiden Duelle hätte gut und gerne auch für die SVB enden können. So ging es zwischen Annett Kaufmann und Leonie Hartbrich, die sehr gut harmonieren, und Bruna Takahashi/Mateja Jeger überaus eng zu. Am Ende gewannen die Weinheimerinnen mit 11:9 im fünften Satz, nachdem die Böblingerinnen noch zwei Matchbälle abgewehrt hatten. Am anderen Tisch zeigten Yuan Wan/Sophia Klee eine herausragende Leistung gegen Qianhong Gotsch/Mitsuki Yoshida und siegten mit 11:8, 11:5 und 12:10.

Die Böblingerinnen zeigten sich zunächst einmal völlig unbeeindruckt und ließen die Gäste im Spitzenpaarkreuz ziemlich alt aussehen, deren Topstar Bruna Takahashi in ihrem ersten Einzel so wirkte, als wäre sie gedanklich noch in Südafrika. Man muss aber einräumen, dass “Hongi” Gotsch und vor allem Annett Kaufmann einfach richtig gut spielten. Sehr zur Freude der Zuschauer, die die Halle zum Beben brachten, als Gotsch Wan mit 11:4, 11:8, 11:8 und Kaufmann Takahashi mit dreimal 11:9 vom Tisch schickte – 6:0 Sätze gegen die beiden besten Weinheimerinnen, sollte da tatsächlich etwas gehen?

Es roch formlich danach, aber eben nur kurze Zeit, da Leonie Hartbrich die große Chance zum erneuten Ausgleich gegen Giorgia Piccolin beim Stand von 3:2 für die Gäste - Mitsuki Yoshida hatte zwischenzeitlich klar gegen eine Sophia Klee in Galaform verloren - nicht nutzen konnte. Hartbrich hatte in dem Thriller, in dem vier von fünf Durchgängen mit jeweils zwei Punkten Unterschied endeten, drei davon in der Verlängerung, zweimal nach Sätzen vorne gelegen. Und im vierten Durchgang hatte die Ungarn-Deutsche drei Matchbälle, doch eine nervenstarke Piccolin stellte den Zähler von 7:10 noch auf 12:10, sodass es in den Entscheidungssatz ging, der nicht minder spannend verlief. 2:0 für Hartbrich, 2:3, 4:3 Hartbrich, 4:7, 8:7 Hartbrich, 8:10, 10:10 und schließlich 10:12, weil die Italienerin jenen winzigen aber entscheidenden Tick nervenstärker war.

2:4 statt 3:3 und von da an übernahm der TTC 46 Weinheim das Regiment. Bruna Takahashi spielte gegen Qianhong Gotsch, als hätte es das erste Match mit der Schlappe gegen Senkrechtstarterin Annett Kaufmann nie gegeben. Beim 11:4, 11:4, 11:9 machte die Brasilianerin nicht viel Federlesens mit der Böblinger Defensiv-Ikone und zeigte nicht den geringsten Respekt vor der 54-Jährigen Wahl-Schwäbin, die schon so viele Bundesliga-Asse zur schieren Verzweiflung gebracht hatte. Da verspürte schließlich auch Yuan Wan keine Lust mehr, sich an ihr erstes Einzel zu erinnern. Zwar war das Spiel gegen die abermals starke Annett Kaufmann durchaus eng und umkämpft, doch am Ende durfte Wan im Duell der DTTB-Nationalspielerinnen ein 3:1 (6:11, 11:8, 12:10, 11:9) bejubeln – die Messe war somit gelesen und Böblingen ein wenig unter Wert geschlagen.

„Weinheim war der erwartet schwere Gegner. Wir wussten, dass alles perfekt laufen muss, wenn wir hier was reißen wollen. Trotzdem wäre mehr drin gewesen”, so das knappe aber treffende Fazit von SVB-Coach Sönke Geil.

Gäste-Manager Christian Säger war dagegen begeistert: “Für uns der nächste Schritt. Absoluter Wahnsinn! Das Spiel war zweimal sehr knapp: Doppel 11:9 und Piccolin 12:10 im Fünften. Wir sind überglücklich und freuen uns auf Sonntag. Das könnte historisch werden. Aber der entscheidende Schritt muss noch gemacht werden. Die Halle wird beben.“

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Am Sonntag spielen: ttc berlin eastside – SV DJK Kolbermoor (13 Uhr), TTC 1946 Weinheim – SV Böblingen (14 Uhr).

 

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