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Kontrolliert und wohl dosiert: Defensivkünstlerin Han Ying (Foto: ms)

Han Ying: Junge Mutter mit Top-Ten-Potenzial

Gert Adolphi 20.03.2014

Magdeburg/Düsseldorf. Den ersten Anlauf zum internationalen Durchbruch musste die Defensivspezialistin abbrechen. In ihrem Geburtsland China war die Konkurrenz zu stark. „Als ich 18 Jahre war, habe ich gemerkt, dass es zu viele Abwehrspielerinnen in der chinesischen Mannschaft gab“, erzählt sie. „Ich hatte in der Jugend-Nationalmannschaft gut gespielt und viele Lehrgänge absolviert. Aber in China gibt es so viele gute Tischtennisspieler. In der Nationalmannschaft reichen den Trainern drei Abwehrspielerinnen. Ich habe eingesehen, dass ich da keine Chance haben würde. Deswegen wollte ich ins Ausland gehen.“


Studienplatz und Uni-Team in Japan waren schon organisiert


Dass sie in Deutschland landen würde und in ihrer neuen Heimat einen zweiten Versuch starten würde, sich international zu behaupten, hatte Han Ying zunächst gar nicht im Sinn. „Eigentlich wollte ich zum Studium nach Japan gehen und dort in einer Uni-Mannschaft spielen“, sagt diesjährige DM-Finalistin im Einzel. „Alles war geplant und organisiert. Da kam die Anfrage meiner alten Trainerin Zhu Xiangjun, ob ich Interesse hätte, nach Deutschland zu gehen und in der Bundesliga zu spielen. Ich habe mit meinen Eltern gesprochen. Ihnen gefällt Deutschland sehr gut. In Japan war ich außerdem schon einmal gewesen.“ Han Ying nahm das Angebot des TV Busenbach an. Für ein Jahr wollte sie mal ausprobieren, wie es in dem für sie noch unbekannten Land laufen würde.


„Am Anfang war es in Deutschland sehr schwer“, räumt Han Ying ein. „Ich konnte kaum Englisch und kein Deutsch. Zum Glück waren andere Chinesinnen dabei.“ Aber auch das neue Umfeld war für die junge Frau, die in Liaoning geboren wurde, gewöhnungsbedürftig. „Ich hatte in einer Großstadt gewohnt mit ein paar Millionen Einwohnern“, sagt sie. „In Busenbach war dagegen wenig los.“ In der Volkshochschule lernte Han Ying Deutsch. Als das eine Jahr vorüber war, hatte sie sich soweit eingelebt, dass sie ihr Engagement verlängerte.


Durchbruch bei den Qatar Open 2012


Han Ying lernte Lei Yang kennen. Der heute 36-jährige Spielertrainer des Zweitligisten ASV Grünwettersbach warf 2008 bei den Deutschen Meisterschaften Jörg Roßkopf und Timo Boll aus dem Wettbewerb. „Als wir geheiratet haben, beschlossen wir, in Deutschland zu bleiben“, sagt Han Ying. „Da das einfacher ist, wenn man die Staatsbürgerschaft besitzt, wurden wir Deutsche.“ Im Hinterkopf keimte bei ihr dabei aber auch der Gedanke, auf diesem Weg einen zweiten Anlauf zur internationalen Karriere zu starten. „Ein bisschen habe ich schon daran gedacht“, bestätigt Han, die im Liga-Spielbetrieb für den polnischen Champions-League-Vertreter Tarnobrzek antritt. „Ich habe es mir gewünscht.“


Die Abwehrspielerin wollte erst Taten sprechen lassen. Im Dezember 2011 gewann sie in Seligenstadt das Bundesranglistenfinale, das zweitwichtigste nationale Turnier nach den Deutschen Meisterschaften. Die Belohnung war ein Start auf der World Tour bei einem Turnier außerhalb Europas. „Ich habe mir die Qatar Open ausgesucht“, so Han. „Dort habe ich ziemlich gut gespielt.“ Sie stieß bis ins Viertelfinale vor, hatte zuvor in Runde eins die topgesetzte Singapurerin und dreifache Olympia-Medaillengewinnerin Feng Tianwei geschlagen. Jetzt konnte sie ihren Traum offensiver angehen. „Ich habe mit Jie Schöpp gesprochen“, erzählt Han Ying. „Sie hat mir gesagt: ‚Wenn du für Deutschland spielen willst, kannst du es probieren.‘“


Han legte die Grundlage für Team-Gold bei der EM


Erneut trat eine Verzögerung ein. Han Ying wurde schwanger. Doch sie verlor ihr Ziel nicht aus den Augen. Nach der Geburt ihrer Tochter wurde die junge Mutter erneut beim DTTB vorstellig. Der machte einen Start in der Nationalmannschaft davon abhängig, dass Han Ying am Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf trainieren würde. „Es war keine einfache Entscheidung, nach Düsseldorf umzuziehen“, sagt Han Ying. „Aber die ganze Familie stand hinter mir und unterstützt mich, damit ich professioneller spielen kann.“ Die Defensivspezialistin intensivierte noch einmal das Training und hatte schnell wieder ihren Leistungsstand erreicht. „Das hätte nicht jede Frau als Mutter gemacht“, zollt Jie Schöpp ihrer Spielerin Respekt.


2013 feierte Han Ying ihre bislang größten Erfolge. Bei den German Open und bei den Europameisterschaften im österreichischen Schwechat belegte sie im Einzel Platz drei, mit der Mannschaft gewann sie bei der EM den Titel. Dabei wurde sie in jeder Begegnung eingesetzt, meist auf Position eins, und blieb ungeschlagen. „Sie ist wichtig für die Mannschaft“, sagt Jie Schöpp. „Sie hat auf jeden Fall noch Steigerungspotenzial. Da ist viel Spielraum in Technik, Taktik und Erfahrung. Wenn sie sich weiterentwickelt, wäre das ein Vorteil. Sie kann in der Weltrangliste unter die Top Ten kommen.“ Mit der Qualifikation für Rio allein wäre der Ehrgeiz von Han Ying noch nicht gestillt. „Ich will nicht nur dabei sein, sondern mit der Mannschaft eine Medaille holen“, sagt die Spielerin. „Ich kämpfe noch einmal ganz hart für meinen Traum.“

Steckbrief: Han Ying, Deutschland

*29. April 1983

Weltrangliste: 17

Verein: KTS Zamek Tarnobrzeg (Polen)

Größte Erfolge

World Tour: 3. Platz German Open Einzel 2013, 3. Platz Kuwait Open Doppel 2014

EM: Gewinnerin Mannschaft und 3. Platz Einzel 2013

DM: 2. Platz Einzel 2014, Gewinnerin Doppel 2011

 

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