Frankfurt/Main. Im Januar 1974 wurde auf der DTTB-Beiratssitzung in Bad Harzburg dem Antrag des Sportausschusses für eine einteilige Damen-Bundesliga zugestimmt. Am ersten September-Wochenende 1975, war es dann soweit: Jeweils fünf Mannschaften der vorherigen Nord- und Süd-Gruppen gingen an den Start, und den Auftakt machte die Partie Post SV Düsseldorf gegen SSV Hagen. Obwohl Diane Schöler vier Siege holte, gewannen die Gäste mit 9:7.
Erster Tabellenführer war der DSC Kaiserberg, der einen Doppel-Spieltag in Schwäbisch-Gmünd und Donauwörth erfolgreich gestaltete. Auch WRW Kleve war bei seinem Ausflug in den Norden beim Kieler TTK sowie VfW Oberalster zweimal siegreich. Mit 450 Zuschauer, davon allein 220 in Donauwörth, hielt sich das Interesse an der neuen Spielklasse in Grenzen.
57 Vereine in 40 Jahren
Ein Teil des Rückblicks auf die ersten 40 Jahre konnte mit einiger Mühe rekonstruiert werden, zuverlässige Statistiken, vor allem über die in dieser Zeit erfolgreichsten und am meisten eingesetzten Spielerinnen sind jedoch nicht vorhanden. Deshalb muss sich dieser besonders interessante Teil auf wenige Namen beschränken.
Alles, was im Folgenden zusammengetragen wurde, hat vorwiegend statistischen Charakter, zu dem bedauerlicherweise, trotz diesbezüglicher Bitten, nur wenige etwas beigesteuert haben, so dass ein Anspruch auf Vollständigkeit nicht erhoben werden kann. „Diesen Rückblick als ein „Kraut-und-Rüben“-Produkt zu bezeichnen, ist also keineswegs falsch“, gibt Autor Winfried Stöckmann den Leserinnen und Lesern zu bedenken. Abgesehen davon, dass der Rückblick bei nicht wenigen Erinnerungen wachruft, ist auch denkbar, auf diese Weise die Geschichte der höchsten Damen-Spielklasse wenigstens in einigen Bereichen für die „Nachwelt“ festgehalten zu haben.
In den 40 Jahren gehörten insgesamt 57 Vereine, einige unter verschiedenen Namen, der Bundesliga an. Mit Olympia Bonn, Oberalster VfW, Darmstadt 98, TSV Ahrensburg und TTC HS Schwarza gaben fünf Mannschaften nur ein einjähriges Gastspiel. Die längste Verweildauer (19 Jahre mit zwei Unterbrechungen) kann der TTC Langweid für sich in Anspruch nehmen. Jeweils achtzehn Spielzeiten in Folge waren der DSC Kaiserberg (1975 – 1993) und der aktuelle Meister ttc berlin eastside (1998 bis heute) erstklassig. Dicht dahinter folgen SV Böblingen (17 mit zwei Abstiegen) sowie der VSC Donauwörth (16).
Bundesliga-Rekordmeister: TTC Langweid mit acht Titelgewinnen
Bundesliga-Rekordmeister ist der TTC Langweid mit acht Titelgewinnen zwischen 1996 und 2007. Je sieben Meisterschaften sicherten sich DSC Kaiserberg und FSV Kroppach. Den Rest teilten sich die Spvg. Steinhagen (6), FTG Frankfurt, TSV Kronshagen, VfB Lübeck, ttc berlin eastside (je 2), WRW Kleve, TSG Dülmen, ATSV Saarbrücken und TV Busenbach (je 1).
Zu den wenig erfreulichen Kapiteln zählt, dass 20 Mannschaften ihren Rückzug erklärten, obwohl diese nicht absteigen mussten. Darunter befanden sich mit der Spvg. Steinhagen (1994), TSG Dülmen (1997), TTC Langweid (2007) und dem FSV Kroppach (2013) bemerkenswerter Weise auch vier Teams, die gerade erst den Titel geholt hatten. Von Langweid abgesehen trifft für alle die alte Boxsport-Weisheit „They never come back“ zu. Zurückziehungen und Verzichte hatten oft auch Einfluss auf die Sollstärke der Bundesliga. Diese wurde elfmal nicht erreicht und betrug zwischen 1995 und 1997 sogar zwölf Mannschaften.
Play-offs: 1992 eingeführt, 2005 abgeschafft
Der 1992 unternommene Versuch mit einer Play-off-Runde endete 2005. Gleich fünfmal wurde das Spielsystem geändert. In den Anfangsjahren (1975 bis 1987) wurde mit Vierer-Teams (ohne Doppel) „Jede gegen jede“ gespielt. Es folgte das „Werner-Scheffler-System (1988 – 1993), dann das Paarkreuz-System (1994-2007). Die viel diskutierte Umstellung auf Dreier-Mannschaften mit dem Olympia-System schaffte es nur auf drei Jahre (2008-2010), ehe wieder die Rückbesinnung auf vier Spielerinnen und dem Paarkreuz-System Oberhand behielt.
Im Laufe der vier Jahrzehnte wurde auch eine Zuschauerstatistik geführt, deren Aussagekraft jedoch mit Vorsicht zu genießen ist. Wunsch, Wirklichkeit, Hochrechnungen und geschönte Zahlen bilden hier eine Art Einheit, die ein Fragezeichen durchaus rechtfertigt. Laut Statistik haben 446.652 Zuschauer die rund 3.600 Spiele zwischen 1975 und 2015 besucht. Die meisten Fans wurden in den drei Spielzeiten mit Zwölfer- oder Elfer-Gruppen und einer Play-off-Runde gezählt. Den Rekord hält hier die Saison 1994/95 mit 21.130 Zuschauern, während mit 3.285 der geringste Besuch 1986/87 registriert wurde.
Nicole Struse: 26 Jahre für sieben Vereine in der Eliteklasse
Der TTC Langweid hatte nach der Saison 2013/14 eine „Ewige Tabelle der 1. Damen-Bundesliga“ öffentlich gemacht, deren Richtigkeit zwar ungeprüft ist, hier aber dennoch nicht unterschlagen werden soll. Danach hat Langweid selbst die meisten Spiele (348) ausgetragen und dabei ein Punktverhältnis von 452:244 erzielt. Relativ besser schnitt jedoch der DSC Kaiserberg mit 446:198 Punkten aus 322 Spielen ab. Den beiden Spitzenreitern sitzt der ttc berlin eastside aber „dicht auf der Pelle“, wenn auch 389:173 Zähler aus 290 Partien nach der Saison 2013/14 rein rechnerisch nicht ganz stimmen können.
Wie schon zu Beginn bedauert ist es nicht möglich, eine Erfolgsstatistik der Spielerinnen zu präsentieren. Dennoch sind einige Namen mit der Bundesliga-Geschichte untrennbar verbunden.
Weil eindeutig am längsten, dazu auch sehr erfolgreich, hat Nicole Struse die nachhaltigsten Spuren hinterlassen. Ab 1985 spielte die neunmalige Deutsche Meisterin insgesamt 26 Jahre für sieben verschiedene Vereine in der Eliteklasse. Dass sie in dieser Zeit auch maßgeblich zu zehn Titelgewinnen beitrug, macht ihre Ausnahmestellung besonders deutlich. Selbst wenn man die durch drei Bänderrisse bedingten Fehlzeiten berücksichtigt, so kommt man bei der Rekordnationalspielerin und fünffachen Europameisterin auf mehr als 400 Bundesliga-Einsätze.
Grande Dame der Bundesliga: Agnes Simon
Auf ein rundes Vierteljahrhundert kommt Elke Schall-Süß. Bevor sie nach der Saison 2013/14 ihre
aktive Laufbahn beendete und in den Trainerbereich wechselte, spielte sie in acht verschiedenen Vereinen, aber nur mit dem TV Busenbach gelang ein Titelgewinn. In der „Zweckgemeinschaft“ mit Nicole Struse gewann die 187-fache Nationalspielerin bei der EM 1996 und 1998 jeweils Gold mit dem DTTB-Team und im Damen-Doppel.
Ein Alleinstellungsmerkmal kann Agnes Simon für sich beanspruchen. Die heute 80-jährige „Grande Dame“ war bis zum Abstieg der Duisburger „Mücken“ nach der Saison 1992/93 beim DSC Kaiserberg und in der Damen-Bundesliga ohne Unterbrechung in achtzehn Spielzeiten eine feste Größe. Dieser Rekord dürfte kaum jemals übertroffen werden. Hinzu kommt noch, dass „Aggi“ in dieser Zeit an sieben Meisterschaften beteiligt war, die übrigens auch Csilla Batorfi und Kriztina Toth vorweisen können.
Auch eine „Ewige“: Qianhong Gotsch
Ein weiteres „Bundesliga-Gesicht“ ist Qianhong Gotsch, die ihre bisherigen ebenfalls achtzehn Jahre (15 Jahre SV Böblingen, drei Jahre TSV Betzingen) in der Damen-BL sogar noch weiter aufstocken kann. Für die Einzel-Europameisterin 2000 kann Böblingen auch eine Einzelbilanz für die gesamte Zeit im Verein präsentieren: Beeindruckende 507:105-Siege ohne Play-offs und Platzierungsspiele!
Ein Jahr nach „Hongi“ kam mit Ding Yaping eine weitere prominente Chinesin nach Deutschland, die im Doppel sogar schon zweimal WM-Bronze gewonnen hatte. In Dülmen, Coesfeld, Betzingen, Langweid, Hannover und ab 2009 in Bingen kommen insgesamt 20 Bundesliga-Jahre zusammen, in denen sie jedes Mal zu den Spielerinnen mit den besten Einzel-Bilanzen gehörte. Es ist deswegen auch ohne einen konkreten Nachweis nicht allzu gewagt, Ding Yaping als die Spielerin mit den meisten Siegen zu bezeichnen.
Csilla-Batorfi-Weg in Langweid nach Gewinn des Europapokals
Zehn Jahre nach dem ersten weiblichen „China-Import“ von Yang Ying (Kaiserberg) gelang RW Klettham-Erding 1990 mit der international wenig bekannten Yunli Qiao ein ausgesprochener Glücksgriff. Durch die Heirat mit dem Ex-Bundesligaspieler Ralf Schreiner erhielt sie recht schnell einen deutschen Pass und war nach ihrem Wechsel maßgeblich an den vielen Erfolgen des TTC Langweid beteiligt. Als Talente treten Sohn Florian und Tochter Franziska in die sportlichen Fußstapfen der Eltern.
Ebenso wie Agnes Simon ist auch ihre Landsfrau Csilla Batorfi einem Verein treu geblieben. Als Spielertrainerin kam sie 1992 zum TTC Langweid, bei dem sie auch über das Ende ihrer aktiven Laufbahn im Jahr 2007 hinaus eine Art Kultstatus erlangte. Die Gemeinde Langweid, in der sie weiterhin wohnt, benannte 1997 nach dem Gewinn des Europapokals sogar eine Straße, den „Csilla-Batorfi-Weg“, nach ihr. Eine Würdigung, die zumindest im deutschen Tischtennissport einmalig ist.
Sieht man sich die Aufstellungen im Premierenjahr ab, so fällt auf, dass mit Agnes Simon, Marta Hejma, Diane Schöler und Jana Veckova lediglich vier nicht in Deutschland geborene Spielerinnen aufgeführt sind. Das blieb nicht lange so, denn spätestens nachdem 1979 bei FTG Frankfurt mit der Koreanerin Lee Ailesa eine Spielerin aus Fernost ihr Debüt gab, der ein Jahr später beim DSC Kaiserberg mit Yang Ying die erste Chinesin folgte, setzte auch bei den Damen ein zuerst schleichender, später jedoch ausgeprägter Professionalisierungsprozess ein. Bis heute gaben unzählige Spielerinnen aus vielen Nationen ein Gastspiel in der Bundesliga und die Annahme, dass nur wenige der 57 Vereine ganz darauf verzichtet haben, ist sicherlich nicht falsch.
Kurios: Drei Play-off-Finals mit dem gleichen Ergebnis 1992/93
Von vielen Kuriositäten in den 40 Jahren ist die Geschichte aus der Saison 1992/93 sicher erwähnenswert. An der Tabellenspitze gab es einen Zweikampf zwischen der Spvg. Steinhagen und TSG Dülmen. In der Normalrunde gewannen die Ostwestfalen zweimal 8:6, setzten im Rückspiel jedoch entgegen einer Absprache mit dem DTTB gerade erst eingebürgerte und kurz zuvor als Deutsche Meisterin gekürte Jie Schöpp ein. Der Dülmener Ärger über diese Missachtung durch den selbstherrlichen Steinhagener Managers Rüdiger Lamm war darum verständlich, aber eine Entscheidung über den Titelträger stand ja noch in der erstmals eingeführten Play-off-Runde aus. Erwartungsgemäß qualifizierten sich hier auch beide Teams für die zwei Finalspiele. Vor jeweils mehr als eintausend Zuschauern endeten beide Begegnungen 7:7, so dass nach der gültigen Play-off-Regelung ein drittes Spiel notwendig wurde.
Um die Spannung auf die Spitze zu treiben, endete auch dieses vor 1.200 Besuchern in Steinhagen unentschieden. Damit trat in Kraft, was zwar dem Reglement entsprechend korrekt war, jedoch erhebliche Kritik herausforderte: Steinhagen holte sich mit Geng Ljuan, Nicole Struse, Cornelia Faltermaier, Jie Schöpp und Kinga Lohr (kam in den Endspielen nicht zum Einsatz) wegen der besseren Platzierung in der Normalrunde zum fünften Mal in Folge den Titel als deutscher Mannschaftsmeister. Der Wortbruch von Rüdiger Lamm, Jie Schöpp eingesetzt zu haben, hatte noch einen deutlichen Nachhall, störte den zwar erfolgreichen, in seinen Verhaltensformen jedoch sehr umstrittenen Manager aber herzlich wenig.
Zwei weitere Erinnerungen
Spielerin Monika Kneip: „Unvergessen ist die Rückkehr vom letzten Spiel nach Kleve, als wir am Ende der Saison 1979/80 völlig überraschend Deutscher Mannschaftsmeister geworden waren. Wir wurden in zwei weißen Pferdekutschen abgeholt und durch ein Spalier rot-weißer Fähnchen zum Vereinslokal gefahren.“ In der Besetzung Wiebke Hendriksen, Monika Kneip, Roswitha Schmitz und Jutta Trapp ging der Titel damals letztmalig an ein Team mit ausschließlich deutschen Spielerinnen.
Dirk Schimmelpfennig, ehemaliger Bundesligatrainer, später Bundestrainer und DTTB-Sportdirektor: „Meine erste Trainerstation war in der Saison 1988/89 die gerade aufgestiegene TSG Dülmen. Um mit dem jungen, unerfahrenen Team nicht gleich wieder abzusteigen, leistete sich der Verein den Luxus, mit Tong Ling die Weltmeisterin von 1981 zu verpflichten. Weil die Kosten in Grenzen bleiben mussten, wohnte die Chinesin in der Familie eines Mitgliedes. In Dülmen fiel sie beim Radfahren durch ihre extrem langsame Fahrweise auf, die zwar ihrer ruhigen Art als Abwehrspielerin durchaus entsprach, aber auch besorgte Blicke auf sich zog, ob sie nicht vom Rad fallen würde. In ihrer Gastfamilie saß sie eines Abends im Wohnzimmer und wollte ihren Schläger neu belegen. Zum Entsetzen der Gastgeber schüttete sie in aller Ruhe den Kleber auf die Glasplatte des Wohnzimmertisches und machte sich an die Arbeit. Es bedurfte einiger Mühe, zum einen Tong Ling klar zu machen, dass es so nicht geht – und anschließend die ‚Sauerei‘ wieder zu beseitigen.“
Auto: Winfried Stöckmann