Berlin. Vor wenigen Tagen hat offiziell die Saison 2022/23 begonnen. Eine spannende Spielzeit steht den Klubs und den Fans in der 1. Bundesliga Damen bevor. Die stärkste Liga Europas hat personell nochmals aufgerüstet und einige interessante Zugänge zu verzeichnen. Das Niveau in der Beletage des deutschen Damentischtennis dürfte folglich nochmals einen Tick nach oben gehen. Wir stellen die acht Teams in drei Folgen vor und beginnen mit Titelverteidiger ttc berlin eastside und Vizemeister TSV Langstadt, ohne dass dies eine Wertung oder Prognose bedeutet – im Profisport ist bekanntlich alles möglich.
Man kann nur hoffen, dass die Saison ohne Einschränkungen über die Bühne gehen kann, denn alle Beteiligten, am allermeisten die Spielerinnen selbst, freuen sich auf volle Hallen mit Hexenkessel-Atmosphäre. In circa sieben Wochen, die mit WTT-Turnieren und den Europameisterschaften in München gut gefüllt sind und wie im Flug vergehen werden, fällt der Startschuss für genau jene acht Bundesligisten, die wir bereits aus der letzten Saison kennen. Alle haben zumindest Ambitionen auf die Play-offs, einige wollen mehr. Andererseits könnte es auch einen spannenden Abstiegskampf geben, denn schwache Mannschaften wird man vergeblich suchen.
Angeführt wird das Feld vom Champion ttc berlin eastside, der nicht nur die Titelverteidigung im Visier hat, sondern auch das fünfte Triple der an Erfolgen so reiche Vereinsgeschichte. Ein interessanter Kader mit zwei international sehr erfolgreichen neuen Spielerinnen, eine davon erst 19, wurde zusammengestellt. Dahinter lauern hungrige Rivalen darauf, den Hauptstädterinnen ein Bein stellen zu können, allen voran Vizemeister TSV Langstadt mit prominenter Verstärkung aus Hongkong. Aber auch Pokalsieger SV DJK Kolbermoor ist heiß auf weitere Titel und Erfolge und hat das Team gezielt verstärkt.
Doch eigentlich kann man gar nicht allzu viel vorhersagen. So könnte ohne Weiteres auch ein Verein in das obere Drittel vorstoßen, der bisher noch nicht zur Spitzengruppe zählte. Als möglichen Kandidaten haben manche da den TTC Weinheim im Auge, der als Aufsteiger ein Jahr der Akklimatisierung in der nationalen Eliteliga hinter sich hat und nun mit namhaften Neuzugängen höhere Ziele ansteuern möchte.
Mit dem ESV Weil und dem TSV Schwabhausen gehen nur zwei Vereine – frei nach der Devise „never change a winning team“ – ohne neues spielendes Personal in die Saison 2022/23.
So oder so: Eine spannende Saison mit Damentischtennis auf Topniveau deutet sich schon Wochen vorher an. Genießen wir die Vorfreude mit einem Blick auf die einzelnen Mannschaften des Oberhauses.
ttc berlin eastside
Der Serienmeister ist im deutschen Damentischtennis nach wie vor das Maß der Dinge und will es auch bleiben. Auch in der kommenden Saison wird das Team von Cheftrainerin Irina Palina mit einem Topkader auf drei Hochzeiten tanzen und die Chancen stehen nicht schlecht, nach dem hauchdünnen, unglücklichen Scheitern in Europas Königsklasse sowie im nationalen Pokalwettbewerb – zweite oder dritte Plätze zählen für einen Klub mit dieser Erfolgsgeschichte nicht – diesmal wieder richtig zuzuschlagen. Das fünfte Triple der Klubhistorie liegt durchaus im Bereich des Machbaren, auch wenn Manager Andreas Hain dies nicht explizit als Saisonziel deklariert: „Wir wollen selbstverständlich so viele Titel wie möglich gewinnen. Ob und wie viele es sein werden, wird man sehen...“.
Der Kader wird sich ein wenig verändern. Britt Eerland wechselt – wie schon lange bekannt – nach Spanien sowie die beiden deutschen Top-Nationalspielerinnen Nina Mittelham, die vor Kurzem beim WTT Lima Contender in Peru ihren ersten Titel auf Weltebene einfuhr, und Shan Xiaona nach Japan. Viele rechnen jedoch damit, dass beide zur Rückrunde in die Hauptstadt zurückkehren werden, um gemeinsam mit dem ttc eastside die großen Saisonziele in Angriff zu nehmen, auch wenn Hain („das wird man sehen ….“) dies zurzeit noch nicht bestätigen möchte.
Lee Ho Ching kommt aus Hongkong und dürfte eine echte Verstärkung werden. Die 29-jährige Angriffsspielerin ist aktuell als 53. in der Weltrangliste verzeichnet, was nicht ihr tatsächliches Leistungsvermögen widerspiegelt. Im Januar 2018 wurde sie noch an Position zwölf gelistet – eine potenzielle Top 20-Spielerin ist sie allemal. Zudem gilt sie als Doppel-Spezialistin. Lee wird sicher nicht immer zum Einsatz kommen. „Sie wird dann spielen, wenn wir sie brauchen“, erklärt Hain.
Aus Russland schloss sich die 19-jährige Elizabet Abraamian, eine der weltbesten Juniorenspielerinnen, dem ttc eastside an. Die neue Nummer zwei des Hauptstadtklubs war im ITTF-Ranking vor einigen Wochen bereits an Position 25 angekommen, im Moment ist sie die Nummer 36. Eine schon jetzt sehr erfolgreiche Spielerin mit großer Zukunft. In Berlin ist man von ihrer Qualität überzeugt. „Sie wird Eerland mehr als gleichwertig ersetzen“, ist Hain überzeugt.
Aus Kolbermoor kommt die 39-jährige Defensivkünstlerin Ran Li-Kath, die schon früher viele Jahre in der Hauptstadt aufgeschlagen hat. Sie ist keineswegs nur als Backup gedacht und „wird regelmäßig in der Bundesliga spielen“, so der Manager. Vom TSV Langstadt wurde mit der erst zwölf Jahre alten Josephina „Josi“ Neumann Europas größte Nachwuchshoffnung verpflichtet. Auch sie wird im Oberhaus als dann jüngste Bundesligaspielerin aller Zeiten an den Tisch gehen: „Sie wird einige Einsätze haben und auch Spiele gewinnen!“, lässt Hain keinen Zweifel aufkommen.
Geblieben sind die ambitionierte Linkshänderin Sabina Surjan und die routinierte Abwehrspielerin Ding Yaping. Weiterhin gemeldet sind die Aserbaidschanerin Jing Ning und die Singapur-Chinesin Lin Ye – letztere blieb in der Vorsaison bei ihren Einsätzen im eastside-Dress ohne Niederlage. An Bord bleibt auch Kathrin Mühlbach, während die frühere deutsche Nationalspielerin Jessica Göbel ihre überaus erfolgreiche aktive Karriere beendet hat. „Jessica wird dem ttc eastside aber als Trainerin erhalten bleiben“, erklärt der Manager. „Der Kader für die Champions League kann erst nach dem Meldeschluss der ETTU benannt werden“, fügt Hain hinzu.
TSV 1909 Langstadt
Wai Yam Minnie Soo – auch der Vizemeister und Vizepokalsieger hat nun sein Ass aus Hongkong. Die 24-jährige internationale Topspielerin konnte man auf den letzten Drücker als Neuverpflichtung für das Bundesligateam präsentieren. Manchem deutschen Tischtennis-Fan dürfte die Asiatin noch in leidvoller Erinnerung sein. Denn Minnie Soo war es, die bei den Olympischen Spielen in Tokio im Spiel um Platz 3 gegen die deutsche Nationalmannschaft gleich zwei Einzelsiege für ihr Nationalteam verbuchte. Gegen die DTTB-Asse Han Ying und Shan Xiaona gewann sie in jeweils vier Sätzen und hatte damit wesentlichen Anteil am 3:1-Erfolg von Hongkong und der damit verbundenen Bronzemedaille.
Dass Minnie Soo derzeit lediglich auf Platz 154 der Weltrangliste geführt wird, kann man getrost vernachlässigen. Das internationale Ranking wurde nämlich nach einer Neuberechnung nach einem neuen System Anfang Mai vollkommen durcheinander gewirbelt. „Wenn man ein paar Turniere nicht spielt, geht‘s rapide nach unten“, wie Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer erläutert.
Die modebewusste Hongkong-Chinesin Minnie Soo, die auch schon mit pinkrosafarbenem Haarstyle Aufsehen auf internationalen Turnieren erregte, war zum Beispiel im Februar 2018 als Nummer 25 der Welt notiert worden und stand sehr lange unter den TOP 40 des internationalen Damen-Tischtennis. Sie ist World-Tour-erprobt und gilt zudem als exzellente Doppelspielerin.
Kämmerer zerstreut Spekulationen, dass hier lediglich eine namhafte Spielerin als Backup für besondere Situationen verpflichtet worden sein könnte. „Natürlich will und soll Minnie auch spielen“, sagt der Sportliche Leiter des TSV. „Wie oft, das wird man sehen. Das hängt natürlich auch von den internationalen Turnieren ab, die sie spielen wird.“ In Südhessen freut man sich auf den Neuzugang: „Mit Minnie Soo verstärkt uns eine Topspielerin, die uns viele Variationsmöglichkeiten bei der Aufstellung gibt“, so Kämmerer. „Wir hatten in der letzten Saison ausgerechnet im Finale gegen Berlin mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. In der Saison hatten wir letztlich auch viel Glück, dass wir ohne Verletzungs- bzw. Corona-Probleme durchgekommen sind. Dieses Risiko wollten wir in der neuen Saison nicht mehr eingehen.“ Kämmerer fügt hinzu: „Die Fans dürfen sich auf Minnie mit ihrer offensiven und attraktiven Spielweise bereits jetzt freuen. Dazu ist sie ein total cooler Typ und passt hervorragend in unser Team.“
Das erfolgreiche deutsche Quartett Petrissa Solja, weiterhin auf der Spitzenposition gemeldet, Chantal Mantz, Franziska Schreiner und Tanja Krämer bleibt komplett an Bord, wobei Schreiner und Krämer im in die 2. Bundesliga aufgestiegenen B-Team gemeldet sind und auch dort von Fall zu Fall einige Spiele bestreiten können. Schließlich soll die junge Mannschaft im Unterhaus gehalten werden.
In Langstadt ist man stolz darauf, nun in folgenden Spielklassen vertreten zu sein: 1. Bundesliga, 2. Bundesliga, Regionalliga, Hessenliga – dementsprechend wurden junge Toptalente aus Hessen verpflichtet, um den Unterbau zu stärken und mit frischen Perspektiven zu versehen. Der bekannteste Neuzugang der jugendlichen Kategorie ist die 13-jährige amtierende deutsche Schüler-Meisterin Lorena Morsch, die in der 2. Mannschaft in der 2. Liga zum Einsatz kommen wird.
Der TSV gibt kein konkretes Saisonziel aus und verlangt von seinen Spielerinnen keine Titel. Dass man mit diesem Kader jedoch wieder ganz oben mitspielen dürfte und sollte, ist natürlich jedem beim hessischen Vorzeigeklub klar.
Fortsetzung folgt …….