Dortmund. „Die Jungs haben das Finale auf jeden Fall verdient. Es wird sicher ein großes werden, egal wie es ausgeht“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf. An dem Ort, an dem er und Steffen Fetzner 1989 sensationell WM-Gold im Doppel gewannen, sollen nun seine Schützlinge Geschichte schreiben. Dass dies ungleich schwerer wird, ist Roßkopf und dem Team bewusst. „Bisher war der Druck für uns sehr groß, jetzt geht es nur noch darum, eine vielleicht kleine Chance gegen die Chinesen zu nutzen. Allerdings müsste die komplette Mannschaft über sich hinauswachsen, um sie zu schlagen“, sagt „Rossi“. Das Rezept: Man dürfe auf keinen Fall Angst haben. „Die Chinesen müssen beeindruckt sein. Timo und Dimi haben sie schon geschlagen.“
Zumindest hohen Respekt vor dem deutschen Team hat Chinas Chefcoach Liu Guoliang: „Die heutige deutsche Mannschaft ist wie die ehemalige schwedische. Sie sind auch durch Ovtcharov auf einem höheren Niveau als die anderen. Und sie haben den Heimvorteil.“
Dimitrij Ovtcharov gibt das Kompliment zurück: „Die Chinesen sind alle Ausnahmespieler. Jeder von ihnen ist irgendwie der Beste. Sie sind sehr gut vorbereitet und extrem fokussiert auch wegen Olympia. Deshalb will sich keiner eine Blöße geben. Aber gut vorbereitet sind wir ja auch, und vielleicht bekommen wir eine kleine Chance. Die müssen wir dann nutzen. Eine Kulisse wie heute erzeugt beim Einmarsch schon eine Gänsehaut, und es ist ein einmaliges Gefühl, wenn sie alle hinter uns stehen. Das spüren wir, klar, und es motiviert uns natürlich auch“, sagte er nach dem Halbfinale gegen Japan.
„Deutschland mit einem nicht zu unterschätzenden vierten Spieler“
„Wir werden es China so schwer wie möglich machen und haben dabei einen nicht zu unterschätzenden vierten Spieler in unseren Reihen, nämlich das tolle Dortmunder Publikum“, sagte DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. Mehr als 11.000 Zuschauer werden am Sonntag in die Halle strömen, und 11.000 Zuschauer hatten am Samstag bereits den 3:1-Halbfinalerfolg der deutschen Mannschaft über Japan gefeiert. Wieder einmal war es Dimitrij Ovtcharov, der das DTTB-Team mit dem Break gegen den gegnerischen Spitzenspieler auf Kurs brachte. Der Europe-Top-12-Sieger brannte gegen den Weltranglistenachten Jun Mizutani ein wahres Feuerwerk ab, spielte derart druckvoll und wie aus einem Guss, dass der Japaner schon fast froh sein musste, zweimal überhaupt in die Verlängerung eines Satzes gekommen zu sein. Auch jene beiden Durchgänge hatte „Dima“ nämlich dominiert. Dieser Verlauf war vor dem Match nicht unbedingt zu erwarten gewesen. In acht internationalen Duellen gegen Mizutani zuvor hatte Ovtcharov achtmal verloren.
Hoffen auf den besten Ovtcharov aller Zeiten
Mit seinem Auftritt riss der 23-Jährige das Publikum in der Westfalenhalle regelrecht mit. „Dima, Dima“-Rufe erschallten. „Ich habe zwar 3:0 gewonnen, aber so klar war das nicht. Ich bin sehr froh, zum ersten Mal seit langem gegen Jun gewonnen zu haben. Ich bin seit langer Zeit wirklich gut drauf. Hoffen wir, dass wir morgen den Besten Dimitrij Ovtcharov aller Zeiten sehen. Wenn wir alle über uns hinaus wachsen, haben wir die größte Chance aller Zeiten“, betonte „Dima“. Jörg Roßkopf sagte: „Dimi hat seine Topform, die er seit Wochen halten kann, heute erneut bestätigt und spielt mit unheimlich viel Power und Dynamik.“
„Der Kadaver kommt doch noch von rechts nach links“
In ihrem ersten Aufeinandertreffen überhaupt lieferten sich Timo Boll und Koki Niwa sehenswerte Topspin-Duelle, letztendlich war der amtierende Jugendweltmeister aber gegen die deutsche Nummer eins chancenlos. „Normalerweise schaue ich mir keine Videos an, ihn habe ich mir aber vorher genau angesehen“, sagte Boll. „Er ist ein kleiner Wirbelwind und ein großes Talent. Heute habe ich noch gewonnen, aber er hat noch viel vor sich“, zollte er seinem 17-jährigen Gegner Respekt. Seine eigene Leistung bewertete der Rekord-Europameister so: „Ich fühle mich frisch, konzentriert und habe gute Ideen. Ich profitiere von meiner großen Erfahrung. Ich kann mich in so einem Turnier steigern. Am Anfang reicht vielleicht eine solide Leistung. Die letzten Tage war ich noch nicht so glücklich, aber heute bin ich auch mal richtig ins Laufen gekommen. Der Kadaver kommt doch noch von rechts nach links.“
Im dritten Einzel musste sich Patrick Baum dem Herner Bundesligaprofi Seiya Kishikawa in vier engen Sätzen geschlagen geben. „Dimitrij hat uns die Sache mit seinem Auftaktsieg enorm erleichtert. In meinem Spiel stand es im ersten Satz 9:9, der zweite war in der Verlängerung. Wenn ich einen davon gewinne, sieht es ganz anders aus. Es war ein offenes Spiel“, erklärte der 24-Jährige Vize-Europameister.
Timo Boll machte mit einem weiteren überzeugenden 3:0 über Mizutani den Einzug in das Finale perfekt, spielte druckvoll und war sehr beweglich. Ein erneutes Lob gab es für das Publikum: „Die Stimmung beim 4:4 zwischen Dortmund und Stuttgart war gestern angeblich sensationell. Aber was heute hier abgegangen ist, steht dem wohl kaum nach. Und das brauchen wir auch morgen im Finale. Wichtig hier wird sein, dass wir keine Angst haben. Ich denke, wir haben uns heute auch Respekt verschafft“, betonte Boll.
Weitere bittere Niederlage für die deutschen Damen
Nach dem Viertelfinal-Krimi gegen Singapur (2:3) und dem bitteren WM-Aus mussten die deutschen Damen heute in der Platzierungsrunde um die Plätze 5-8 gegen Japan ran. Wie schon gestern gegen den Weltranglistenzweiten Singapur zeigte das Team von Bundestrainerin Jie Schöpp auch gegen den favorisierten Weltranglistendritten Japan eine gute Leistung. Dennoch stand am Ende eine 0:3-Niederlage. Kristin Silbereisen und Wu Jiaduo unterlagen 10:12 im Entscheidungssatz und vergaben jeweils einen Matchball. Auch für Sabine Winter war gegen Hirano mehr drin.
Wu und Silbereisen hatten Matchbälle
In der Platzierungsrunde kam es zu einer Neuauflage des Gruppenspiels gegen Japan. Bundestrainerin Jie Schöpp schickte Kristin Silbereisen, Wu Jiaduo und Sabine Winter (für Irene Ivancan) an den Tisch. „Mit unserer veränderten Aufstellung lief es besser als in der Vorrunde“, erklärte Schöpp. „Kristin und Dudu sind mit ihren heutigen Gegnerinnen besser klargekommen und hatten den Sieg in der Hand. Am Ende hatte Japan leider die Nase vorn.“ Parallelen gab es zur Viertelfinal-Niederlage gegen Singapur. Die DTTB-Damen zeigten gegen den Favoriten Japan erneut eine sehr achtbare Leistung, am Ende aber ohne zählbaren Erfolg und waren entsprechend geknickt.
Kristin Silbereisen spielte – anders als in der Gruppenphase – gegen Japan-Star Ai Fukuhara und ging durch eine tolle kämpferische Leistung mit 2:0 in Führung. Dann musste die 27-Jährige allerdings den Satzausgleich hinnehmen. Im entscheidenden fünften Durchgang lag Silbereisen mit 10:9 in Front. Doch den Matchball vergab die Kroppacherin und verlor 10:12.
Ein ebenfalls enges Spiel bot Wu Jiaduo – heute gegen die Weltranglistensechste Kasumi Ishikawa. Nach dem 1:2-Satzrückstand gelang ihr der Ausgleich. Doch auch die Deutsche Meisterin vergab ihren Matchball im fünften Satz und unterlag mit 10:12.
Jetzt geht es gegen Polen um Platz 7
Eine Chance gegen Japan erhielt Sabine Winter. Mit Hirano Sayaka hatte sie schwer zu kämpfen und lag 0:2 hinten, bevor sie den dritten Satz nach Rückstand noch gewann. Im vierten Satz erlebten die Zuschauer ein Déjà-vu: Winter hatte zwei Satzbälle, doch was folgte, war ein weiteres 10:12 aus deutscher Sicht. „Heute waren es wieder enge Spiele, und es hätte auch anders ausgehen können“, resümierte die 19-jährige Winter nach dem Spiel. „Wenn wir in zwei Jahren erneut aufeinandertreffen, gewinnen wir hoffentlich“, fügte sie mit einem kleinen Lächeln noch hinzu.
Am Sonntag um 9.30 Uhr in der Haupthalle wird es nun beim Spiel um den Platz 7 eine weitere Neuauflage aus der Gruppenphase geben. Dann trifft Deutschland auf Polen. „In der Gruppe haben wir klar gewonnen und für morgen wünschen wir uns ein ähnliches Ergebnis“, sagte Schöpp.
Ergebnisse LIEBHERR Team-WM
Halbfinale
Herren
Deutschland - Japan 3:1
Dimitrij Ovtcharov - Jun Mizutani 3:0 (7, 13, 11)
Timo Boll - Koki Niwa 3:0 (5, 7, 9)
Patrick Baum - Seiya Kishikawa 1:3 (-9, -6, 5, -11)
Timo Boll - Jun Mizutani 3:0 (6, 8, 11)
China – Südkorea 3:0
Ma Long - Oh Sang Eun 3:0 (2, 7, 10)
Wang Hao - Ryu Seung Min 3:1 (-4, 5, 3, 8)
Zhang Jike - Kim Min Seok 3:1 (-8, 10, 5, 2)
Damen
Singapur – Südkorea
Feng Tianwei - Kim Kyung Ah 2:3 (-10, 13, 9, -1, -7)
Wang Yuegu - Seok Ha Jung 3:2 (7, -9, -9, 10, 6)
Li Jiawei - Dang Ye Seo 0:3 (-11, -5, -6)
Feng Tianwei - Seok Ha Jung 3:1 (5, 3, -9, 8)
Wang Yuegu - Kim Kyung Ah 3:2 (7, -10, -7, 6, 9)
China – Hongkong 3:1
Ding Ning - Jiang Huajun 3:0 (9, 4, 4)
Li Xiaoxia - Tie Yana 1:3 (-10, -9, 7, -12)
Guo Yan - Yu Kwok See 3:0 (4, 8, 3)
Li Xiaoxia - Jiang Huajun 3:0 (5, 1, 4)
Finale
Herren
Deutschland - China (Sonntag, 13.30 Uhr, live im WDR-Fernsehen)
Damen
China - Singapur (Sonntag, 16 Uhr)
Platzierungsspiele 5-8
Damen
Deutschland - Japan 0:3
Kristin Silbereisen - Ai Fukuhara 2:3 (10, 6, -6, -6, -10)
Wu Jiaduo - Kasumi Ishikawa 2:3 (9, -8, -8, 9, -10)
Sabine Winter - Sayaka Hirano 1:3 (-4, -8, 8, -10)
Polen - Niederlande 1:3
Spiel um Platz 7
Damen
Deutschland - Polen (Sonntag, 9.30 Uhr)