Düsseldorf. Dimitrij Ovtcharov ist so etwas wie der Mr. Olympia im deutschen Tischtennisteam. An drei Spielen hat er teilgenommen und insgesamt vier Medaillen gewonnen. So viel wie kein deutscher Tischtennisspieler vor ihm. Im Podcast "Ping, Pong & Prause" hat er kürzlich erzählt, was die Spiele für ihn bedeuten, warum jede Teilnahme speziell war und was in und vor Tokio alles anders ist.
Es sind nur noch 56 Tage bis zum Beginn der Olympischen Spiele in Tokio. Die Anspannung steigt, auch bei Deutschlands Nummer Eins Dimitrij Ovtcharov. „Der Blutdruck war schon mal erhöht vor einem Jahr – dann ginge er wieder runter, aber jetzt ist er wieder hoch.“ „Dima“, kürzlich zu Gast bei "Ping, Pong & Prause", ist ein Olympia-Routinier. Dreimal war er dabei und gewann dabei zweimal Bronze im Team (2012, 2016), einmal Bronze im Einzel (2012) und einmal Silber im Team (2008). So hoch wie bei seinem Debüt ist der Blutdruck heute aber nicht mehr. „Bei meinen ersten Olympischen Spielen 2008 war ich gefühlt schon sechs Monate davor in Peking“, so Ovtcharov. „Mittlerweile probiere ich mich so vorzubereiten, als wäre es ein ganz normaler, wichtiger Wettkampf.“ Zu viel Aufmerksamkeit würde am Ende vielleicht eher schaden, als sich mit den normalen Routinen vorzubereiten, weiß der Weltranglistenzehnte.
Die Vorbereitung ist sowieso eine gänzlich andere als bei allen Sommerspielen zuvor. Seit dem Ausbruch der Pandemie im letzten Frühjahr gab es kaum Turniere: Den World Cup und die Grand Finals im letzten Herbst, zwei Turniere in Katar im März und die bevorstehenden Europameisterschaften Ende Juni in Polen. „Wir können uns dieses Mal zumindest nicht über zu viele Reisen und zu wenig Training beklagen“, sagt Ovtcharov. „Vielleicht ist das ein Vorteil, dass wir uns mit einem guten Plan auf Olympia vorbereiten können.“ Für DTTB-Sportdirektor Richard Prause hat die ungewöhnliche Vorbereitung Gutes und Schlechtes. „Natürlich hätten wir einerseits gerne mehr Wettkämpfe. Auf der anderen Seite können wir auf jeden unserer Spielerinnen und Spieler viel individueller eingehen. Und gerade zu Beginn der Pandemie konnten einige Wehwechen auskuriert werden.“
Ovtcharov und Olympia passt einfach zusammen
Geht es nach den Teilnahmen, ist Timo Boll der deutsche Mr. Olympia. Gemessen an den Medaillen ist es aber sein Mannschaftskollege und Freund Ovtcharov. „Ovtcharov und Olympia – das passt einfach zusammen“, stellt auch Richard Prause im Podcast fest. Vielleicht ist das sogar etwas untertrieben. Sicher ist, dass Ovtcharov und Olympia immer Drama garantierten. „Dimitrij hat es immer geschafft, etwas Spezielles bei den Spielen rauszuhauen“, weiß Prause. „2008 in Peking kam er fast aus dem Nichts und sicherte uns mit seinem Einzelsieg im Halbfinale gegen Japan die Silbermedaille. 2012 lieferte er unvergessene Matches auf Messers Schneide. Insbesondere gegen Maze und Chuang auf dem Weg zu seiner Bronzemedaille im Einzel. 2016 schüttelte er die bittere Einzel-Niederlage im Viertelfinale gegen Samsonov ab und führte das Team anschließend zu Bronze.“
Dass die Olympischen Spiele das großes Ziel des gebürtigen Ukrainers waren, zeigte sich schon im Jahr 2006: „Ich sagte damals zu Richard, ich will nach Peking. Er und alle anderen schmunzelten dann immer, weil ich zu diesem Zeitpunkt um die Position 100 in der Weltrangliste stand“, erzählt Ovtcharov. „Ich wollte nichts dem Zufall überlassen und wusste, ich muss die Nummer zwei in Deutschland werden, damit ich sicher nominiert werde. Ich spielte dann jedes Turnier und irgendwann in Asien platzte der Knoten.“ Auch Prause erinnert sich noch gut an Dimas Pläne: „Er kam damals zu mir und ich dachte, 2012 bist du sicher dabei, aber 2008? Der Rest ist Geschichte.“ Doch auch der Sportdirektor, damals Herren-Bundestrainer, hatte seinen Anteil an der „Geschichte“. Im Jahr 2007 nominierte er ihn für die Europameisterschaften in Belgrad. Ovtcharov belohnte das Vertrauen, behielt im Teamwettbewerb eine weiße Weste und war maßgeblich an der ersten Goldmedaille überhaupt beteiligt. „Dieses Zutrauen von Richard und dem DTTB beflügelte mich damals in Richtung Olympia 2008.“
„Sie wissen jetzt, dass ich voll da bin“
Dass Dima und Olympia wie perfekt passen, liegt maßgeblich auch an seiner mentalen Stärke. Wenn alle etwas nervös werden, ist er im Vorteil. „Bei den zwei Einzeln gegen Chuang und Maze in London wusste ich gar nicht so richtig, wie Dimitrij die damals nach Hause bringen konnte. Heute weiß ich: Dieser Fokus und dieser absolute Wille machen ihn aus“, so der Sportdirektor. Er selbst führt das vor allem auf seine hohen Trainingsintensität zurück, die schon beim Training im Keller mit seinem Vater gang und gäbe war. Das habe ihn, so der 32-Jährige, über die Jahre abgehärtet. Außerdem spüre er, wenn der Gegner nervös werde, und so bekäme er noch einen Schluck mehr Oberwasser.
Seinen Killerinstinkt bewies er auch bei den bis dato einzigen internationalen Turnieren in diesem Jahr in Doha. Ein Titel und ein dritter Platz standen am Ende beim WTT Contender und WTT Star Contender zu Buche. Mit Siegen über Harimoto, Lin oder Falck setzte der Deutsche auch in Abwesenheit der Chinesen ein dickes Ausrufezeichen. „Ich habe Doha nicht nur als einfaches Turnier genommen. Ich wusste, wenn ich dort gut spiele, gehe ich auch mit einem guten Gefühl nach Tokio“, so Ovtcharov. „Und es bleibt in den Köpfen meiner Mitstreiter hängen. Sie wissen jetzt, dass ich voll da bin.“