Malmö. Nach 21-jähriger Titelpause von Schwedens Herren-Team hat der Rekord-Titelträger der Herren am Sonntagabend bei seinen Heim-Europameisterschaften die 15. Mannschafts-EM-Goldmedaille gewonnen und sich gleichzeitig das Olympia-Ticket für Paris 2024 gesichert. Regelrecht angepeitscht von 4.000 enthusiastischen Zuschauern in der Malmö Arena und live übertragen im öffentlich-rechtlichen schwedischen Fernsehen inkl. Livestream besiegte das Trio von Nationaltrainer Jörgen Persson die deutschen Männer im Endspiel mit 3:1. Zwar konnte Timo Boll nach 0:2-Satzrückstand sein Einzel gegen den Doppel-Weltmeister und 2017er-WM-Einzelfinalisten Mattias Falck noch zu seinen Gunsten entscheiden, in den übrigen drei Partien mussten sich die Deutschen jedoch dem auch kämpferisch überragenden EM-Gastgeber beugen.
"Nach dem verlorenen Finale ist man immer enttäuscht. Wir hatten in der Mannschaft intern das Ziel ausgegeben, dass wir Gold gewinnen wollen. Das haben wir am Ende nicht geschafft", erklärte der in Malmö verantwortliche DTTB-Cheftrainer Düsseldorf Lars Hielscher. "Man hat es an vielen engen Spielen bei dieser EM gesehen, ob von uns oder von den Schweden: Man kann es nicht als selbstverständlich nehmen, ins Finale einzuziehen oder gar Europameister zu werden." Auch wenn es sich unmittelbar nach der Final-Niederlage anders anfühle: "Mit etwas Abstand werden wir feststellen, dass wir insgesamt ein starkes Turnier gespielt haben."
Boll: „Haben alles aus uns herausgeholt. Mehr ging nicht!“
Die kleinen Chancen, die Partie zu den eigenen Gunsten zu entscheiden, konnte Hielschers Mannschaft nicht nutzen. Im Auftaktmatch gegen den WM-Einzel-Finalisten von 2021, Truls Möregardh, etwa vergab Benedikt Duda seinen Satzball beim Stand von 11:10 in Durchgang drei. Boll lag im vierten Spiel gegen Möregardh mit 7:4 in Durchgang zwei in Front und erzwang nach erneutem 0:2 in Sätzen den Entscheidungsdurchgang. Dort erhöhte Möregardh noch einmal Tempo sowie Druck und ließ gepaart mit seiner offenbar grenzenlosen Coolness dem zweifachen World-Cup-Sieger Boll nach dessen kraftraubenden ersten Match kaum noch Raum zur Entfaltung. Boll bleibt damit gegen die 21-jährige Nummer zwölf der Welt ohne Sieg.
Youngster Kay Stumper, erneut auf Position drei aufgeboten, spielte gegen den EM-Dritten von München, Kristian Karlsson gut mit, war der 32-jährigen schwedischen Kreativabteilung mit der langen Turniererfahrung im ersten Vergleich jedoch am Ende noch nicht ganz gewachsen. "Wir haben uns gut geschlagen und alles aus uns herausgeholt. Mehr ging einfach nicht! Diesmal können wir einfach nur fair gratulieren", so Timo Boll.
Silber ohne Qiu, Ovtcharov und Franziska / EM-Gold Nummer neun für DTTB-Damen
Bei der EM fehlten Team Deutschland Einzel-Europameister Dang Qiu, Tokio-Bronzemedaillengewinner Dimitrij Ovtcharov und der Europe-Top-16-Sieger von 2021, Patrick Franziska. Eine bewusste Entscheidung des Trainer-Teams: In der olympischen Saison mit dem Höhepunkt Paris 2024 legt das aktuelle Spitzentrio des DTTB eine intensive Trainingsphase am Deutschen Tischtennis-Zentrum ein, da Verpflichtungen bei internationalen Turnieren und den Heimvereinen kaum Lücken für längere Vorbereitungsstrecken lassen. Entsprechend hat sich auch das Trainer-Duo diesmal aufgeteilt: Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf begleitete die Heim-Trainingsphase in Düsseldorf. Die Verantwortung bei der EM in Malmö lag in den Händen von Lars Hielscher unterstützt von DTTB-Sportdirektor Richard Prause.
Statt mit Gold Nummer zehn begnügen sich die DTTB-Herren nun mit dem achten Team-Silber bei kontinentalen Titelkämpfen. Es war 83. Vergleich der DTTB-Herren in diesem ewigen Duell mit Schweden seit dem ersten Aufeinandertreffen bei der WM in Stockholm 1928. 17 Mal haben die DTTB-Herren bei Europameisterschaften gegen die Skandinavier gespielt, am Sonntag das insgesamt sechste EM-Endspiel gegeneinander bestritten.
DTTB-Damen schenken den Pokal ihrer Präsidentin
Deutschlands Damen hatten am Nachmittag mit Rekord-Titelträger Ungarn gleichgezogen und im Finale mit einem 3:0-Erfolg über Rumänien EM-Team-Gold Nummer neun gewonnen. Als große Geste schenkte das DTTB-Quintett mit Nina Mittelham, Ying Han, Xiaona Shan, Sabine Winter und Annett Kaufmann sowie dem Trainerinnen-Duo Tamara Boros und Elke Schall-Süß DTTB-Präsidentin Claudia Herweg den EM-Pokal. „Weil du immer für uns da bist und uns hier auch so toll unterstützt hast“, sagte Mittelham stellvertretend für die ganze Mannschaft.
Timo Boll: "Die Schweden haben heute stark gespielt und verdient gewonnen. Wir haben alles probiert, auch ich in meinen Spielen habe mich immer wieder zurückgekämpft. Am Ende hat es leider nicht gereicht. Deshalb sind wir auch ein bisschen enttäuscht. Wir haben uns gut geschlagen und alles aus uns herausgeholt. Mehr ging einfach nicht! Diesmal können wir einfach nur fair gratulieren.
Ich bin mit meiner Leistung bei diesem Turnier sehr zufrieden. Das, was ich mir vorgenommen hatte - mich von Spiel zu Spiel zu steigern -, habe ich hier geschafft, um wieder mit der Weltklasse mithalten zu können. Am Ende hatte ich ein paar Körner zu viel gelassen. Mir hat auch ein bisschen das Selbstvertrauen gefehlt, aber insgesamt hat es mir gezeigt, dass es aufwärts geht und sich die harte Arbeit lohnt. Deshalb geht's nächste Woche auch schon wieder weiter."
Benedikt Duda: "Ich war heute nicht so gut wie gestern gegen Freitas. Das liegt auch an der etwas unorthodoxen Art, wie Truls spielt. Er hat ein gutes Aufschlag-Rückschlag-Spiel und bekommt damit viele Punkte. So ist er am Anfang direkt weggezogen. Hätte ich den dritten Satz gewonnen, hätte das Spiel zu meinen Gunsten noch kippen können. Er war heute der bessere Spieler.
Wir haben bei dieser EM zwar nicht ganz das Maximum herausgeholt, können aber mit Silber nach ein, zwei Tagen Abstand zufrieden sein. Gegen Kroatien im Viertelfinale hätten wir schon ausscheiden können und haben das noch super gelöst. Die Schweden haben heute sehr gut gespielt und sind verdient Europameister geworden."
Kay Stumper: "Es war ein sehr schweres Spiel. Wir hatten vorher noch nie gegeneinander gespielt. Ich wusste, dass es gegen ihn gerade im Aufschlag-Rückschlag-Bereich schwierig wird. Ich habe am Anfang wegen seiner guten Aufschläge nicht so gut ins Spiel hineingefunden, habe mich dann aber reingekämpft. In den fünften Satz bin ich mit einem guten Gefühl hineingegangen, aber genau wie Truls gegen Timo hat er direkt am Anfang sehr, sehr gut gespielt. Danach wurde es immer schwerer zusammen mit diesem riesigen Heimvorteil. Sie haben es uns so schwer gemacht, wie es nur ging."
Lars Hielscher, DTTB-Cheftrainer Düsseldorf: "Nach dem verlorenen Finale ist man immer enttäuscht. Wir hatten in der Mannschaft intern das Ziel ausgegeben, dass wir Gold gewinnen wollen. Das haben wir am Ende nicht geschafft. Man hat es an vielen engen Spielen bei dieser EM gesehen, ob von uns oder von den Schweden: Man kann es nicht als selbstverständlich nehmen, ins Finale einzuziehen oder gar Europameister zu werden. Es gibt in Europa viele starke Teams, sodass diese Silbermedaille für uns ein Erfolg ist, auch wenn es sich gerade etwas anders anfühlt. Wir haben uns in diesem Turnier immer mehr gesteigert, gerade Timo. Mit etwas Abstand werden wir feststellen, dass wir insgesamt ein starkes Turnier gespielt haben."
Richard Prause, DTTB-Sportdirektor: "Hut ab und eine dicke Gratulation ans deutsche Damen-Team! Die Revanche gegen Rumänien ist geglückt. Es war ein sehr spannendes, enges Finale, bei dem das 3:0 über die Knappheit der verschiedenen Matches hinwegtäuscht. Es war eine starke Mannschaftsleistung. Man sieht, dass Deutschland und Rumänien dem europäischen Tischtennis den Stempel aufdrücken. Es war ein großes Finale - zum Glück mit dem besseren Ende für Deutschland.
Genauso stolz sein können wir auf unser Herren-Team. Wir haben gewusst, dass eine Menge in dieser Mannschaft steckt. Sie hat uns nicht enttäuscht, sondern hat mit der Art und Weise, wie wir ins Finale eingezogen sind und uns hier präsentiert haben, eine starke Leistung gezeigt. Es hat nicht viel gefehlt und wir hätten das fünfte Spiel erreicht. Auch mit den Herren können wir super zufrieden sein. Sie haben ein starkes Turnier mit der Silbermedaille gekrönt.
Einmal Gold, einmal Silber - wir können stolz erhobenen Hauptes von diesen Europameisterschaften zurückkehren."
Claudia Herweg, DTTB-Präsidentin: "Unsere schwedischen Freunde haben sich den Europameister-Titel nach 2002 absolut verdient und wir gratulieren herzlich! Ein großes Lob zolle ich unseren Herren: Timo ist schlicht unglaublich, Benedikt richtig stark, Kay mutig, Ric und Cedric sind echte Teamplayer. Und Lars hat es in der Führungsrolle als Trainer richtig gut gemacht. Als Präsidentin kann man nur stolz sein auf beide Teams, Damen und Herren.
Deutschland - Schweden 1:3
Benedikt Duda - Truls Möregardh 0:3 (-4,-8,-12)
Timo Boll - Mattias Falck 3:2 (-8,-10,8,7,10)
Kay Stumper - Kristian Karlsson 2:3 (-5,7,-3,11,-4)
Boll - Möregardh 2:3 (-6,-8,4,6,-5)
Deutschland - Rumänien 3:0
Xiaona Shan - Elizabeta Samara 3:0 (6,8,8)
Ying Han - Bernadette Szöcs 3:1 (-14,8,8,10)
Nina Mittelham - Andreea Dragoman 3:2 (-5,9,-8,6,10)
Herren
Damen
Sportliche Leitung
Richard Prause (Sportdirektor)
Trainerteam
Tamara Boros (Bundestrainerin Damen), Lars Hielscher (Cheftrainer Düsseldorf), Elke Schall-Süß (DTTB-Honorartrainerin)
Medizinische Abteilung
Dr. Thomas Garn (Teamarzt), Dr. Christian Zepp (Sportpsychologischer Experte), Peter Heckert, Birgit Schmidt (Physiotherapeuten, OSP Hessen in Frankfurt/Main)
Organisationsleiter
Kolja Rottmann (DTTB-Leistungssport)
Schiedsrichter
Sven Weiland (Oberschiedsrichter, Uhingen), Anja Gersdorf (Düsseldorf)