München. Dang Qiu und Timo Boll im Kurz-Interview nach dem deutschen Viertelfinale bei der Heim-EM in München, das der Weltranglisten-13. gegen den Rekord-Europameister gewann.
Du hast bei der Heim-EM Timo Boll mit 4:0 besiegt. Wie fühlt sich das an?
Dang Qiu: Es hat in dieser Deutlichkeit wohl niemand erwartet, auch ich nicht, aber ich nehme es gerne an. Es fühlt sich wahnsinnig an. Ich kann mich aber nicht lange auf diesem Sieg ausruhen – das mache ich sowieso nicht. In wenigen Stunden wartet das Halbfinale auf mich. Da möchte ich wieder mein bestes Tischtennis spielen, sonst wäre es schade: Dass ich Timo raushaue und dann sang- und klanglos rausgehe, ist auf jeden Fall nicht das Ziel. Ich freue mich, dass ich nicht gegen einen Deutschen spielen muss und hoffentlich die Unterstützung von der Halle voll auf meiner Seite habe.
Du hattest zuvor noch nie gegen Timo Boll gewonnen. Wie bist du in diese Partie hineingegangen?
Qiu: Ich habe mich im letzten halben Jahr gut gesteigert, gut entwickelt, aber es interessiert einen Timo Boll nicht, wie gut ich bin. Wenn er sein bestes Tischtennis spielt, wird es für jeden auf der Welt schwer. Ich konnte zum Glück den ersten Satz nach seinem guten Start noch irgendwie gewinnen. Das hat mir fürs ganze Spiel viel Rückenwind gegeben.
Wie hast du es taktisch geschafft, ihn nicht in sein Spiel kommen zu lassen?
Qiu: Ich habe insgesamt viele Punkte mit dem passiven Spiel. Wenn man sich so gut kennt wie wir, gibt es nicht mehr viele große Geheimnisse beim Aufschlag-Rückschlag zwischen uns. Ich habe relativ aggressiv zurückgeschlagen, weil ich weiß: Wenn er einmal anfängt zu ziehen, kommt er da nicht mehr raus und es wird schwer für mich, wenn ich nur in der Defensive bin. Deshalb hatte ich mir vorgenommen, die Ballwechsel von Anfang an zu dominieren.
Timo hat auch in diesem Turnier wieder seine Comebacker-Qualitäten bewiesen. Hast du darüber bei deinen hohen Führungen nachgedacht?
Qiu: Die Angst vor Timos Comebacker-Qualitäten war auf jeden Fall sehr groß. Bei 9:1 im Vierten dachte ich mir, ich bin jetzt fast angekommen. Ich habe vom ersten Satz an nur Punkt für Punkt gedacht, egal wie es steht, egal ob ich Matchbälle habe oder hinten liege. Das hat ziemlich gut geklappt.
Wie sehr schmerzt dich das Viertelfinal-Aus bei der Heim-EM?
Timo Boll: Das Spiel war so deutlich, dass ich mich noch nicht mal richtig enttäuscht fühle. Es war viel zu wenig Gegenwehr da, ich bin gar nicht in die Reichweite gekommen, überhaupt nur mal schnuppern zu können. Ich muss ihm zur starken Leistung gratulieren. Klar bin ich mit meiner Performance nicht zufrieden. Ich kann besser spielen, habe es aber heute nicht geschafft. Ich war viel zu viel mit mir beschäftigt mit meiner Technik, mit meinen Bewegungen. Da konnte ich mich gar nicht mehr darauf konzentrieren, was Dang vorhat. Er hat durch die Bank in allen Bereichen gut gespielt. Er hat sehr präzise gespielt, gerade auf meinen Aufschlag viel Druck ausgeübt. Er hat mich gar nicht erst ins Spiel kommen lassen. Von daher geht die hohe Niederlage in Ordnung.
Gab es einen Punkt, an dem du noch mal an die Wende in der Partie geglaubt hast?
Boll: Es habe es bis zum Schluss probiert, aber es kam nie das Momentum. Es kam nicht die Qualität von mir und selbst wenn ich mal einen guten Ball gespielt habe, kam immer die starke Antwort von ihm. Ich bin 41. Das wird jetzt öfter vorkommen. Ich probiere, den Prozess zu entschleunigen, dass ich hoffentlich ab und zu weiterhin ein paar knappe Spiele gegen die Jungs mache und auch mal gewinne (Lacht.).
Mit welchen Erwartungen bist du nach deinen Rippenproblemen und der Pause unmittelbar vor Turnierbeginn in diese EM gegangen?
Boll: Ich habe meine Einheiten vor dem Turnier gesehen. Da wäre es vermessen gewesen, wenn ich gesagt hätte, ich will meinen Titel verteidigen. Ich hatte eher Angst, direkt in der ersten Runde rauszufliegen. Ich hatte gehofft, dass ich mich von Runde zu Runde steigere. Das habe ich zumindest bis heute geschafft. Heute hat der letzte Push gefehlt, aber mir war bewusst, dass gegen Dang das Kaliber noch mal ein ganz anderes ist. Ich muss gegen ihn am Ende meines derzeitigen Leistungsniveaus spielen.
Dang ist nicht nur dein Nationalteam-, sondern auch dein Mannschaftskollege bei Borussia Düsseldorf. Beschreib bitte mal, was für ein Typ er ist.
Boll: Dang ist ein feiner Kerl. Er lebt Tischtennis von morgens bis abends. Er guckt jedes Spiel, auch wenn er ein Turnier mal nicht spielt oder selbst trainiert. Er ist ein harter Arbeiter, hat im Laufe der Jahre ein gutes Gefühl dafür entwickelt, was er zu spielen hat. Er ist ein Tischtennis-Verrückter, ein Tischtennis-Wahnsinniger im positiven Sinne.
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